Beim Ein- und Aussteigen sowie beim Vorbeifahren an einem geparkten Auto – Wer hat auf was zu achten?

Beim Ein- und Aussteigen sowie beim Vorbeifahren an einem geparkten Auto – Wer hat auf was zu achten?

Der Ein- und Aussteiger:

Nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) muss sich, wer ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei

  • der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre,
  • der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn

beendet ist (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 22.11.2007 – 12 U 199/06 –).
Erfasst sind insbesondere auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Bremen, Urteil vom 29.05.2008 – 2 U 19/08 –; OLG Hamm, Urteil vom 22.04.2004 – 6 U 240/03 –).
Die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO beschränkt sich dabei nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt.
Das Gesetz stellt nicht auf das überraschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Aus- und Einsteigen als solches, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erheblichen Gefahren für den fließenden Verkehr verbunden sein kann. Zwar ergeben sich die Gefahren beim Aussteigen vielfach daraus, dass eine Fahrzeugtür durch einen für den fließenden Verkehr nicht erkennbaren Fahrzeuginsassen überraschend geöffnet wird. Doch beschränkt sich der vom Gesetz erfasste Gefahrenkreis nicht ausschließlich darauf. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sorgfaltsanforderung auch für Einsteigevorgänge gilt, bei denen der Einsteigende in der Regel für den fließenden Verkehr erkennbar ist.
Die den Ein- oder Aussteigenden treffende höchste Sorgfaltspflicht gebietet es dabei, die Fahrzeugtür erst dann zu öffnen, wenn sich der Verkehrsteilnehmer durch Beobachtung nach hinten vergewissert hat, dass niemand kommt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 06.10.2009 – VI ZR 316/08 –).

Kommt es in unmittelbarem örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigen aus einem am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeug zu einem Verkehrsunfall oder wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2009 – VI ZR 316/08 –).

Herrscht Fahrverkehr auf der Fahrbahnseite des haltenden oder parkenden Fahrzeugs, so gehört es zur Gefahrenminderungspflicht des nach links Aussteigenden, dass er nicht länger als unbedingt nötig die Tür offen lässt und sich auf der Fahrbahn aufhält (KG Berlin, Beschluss vom 22.11.2007 – 12 U 199/06 –).

Der Vorbeifahrer an einem geparkten Kraftfahrzeug:

Aus § 1 Abs. 2 StVO folgt, dass beim Vorbeifahren an parkenden Fahrzeugen ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten ist.
Welcher Sicherheitsabstand jeweils ausreichend ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Bei der Bemessung des ausreichenden Seitenabstandes darf der fließende Verkehr nicht darauf vertrauen, dass die gesteigerte Sorgfaltspflicht, die § 14 Abs. 1 StVO verlangt, allgemein beachtet wird.
Grundsätzlich muss der Abstand deshalb regelmäßig so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen der Wagentür noch möglich bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1986 – VI ZR 151/85 –).
Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Fahrer nach den Umständen des Falles mit einem Öffnen der Tür rechnen muss.
Hingegen muss der Fahrer grundsätzlich nicht mit einem weiten Öffnen der Tür in einem Zug rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.1981 – VI ZR 297/79 –).

Handelt es sich bei dem Fahrzeug, an dem ein Verkehrsteilnehmer vorbeifährt allerdings um ein Baustellenfahrzeug, das mit weiß-rot-weißen Warneinrichtungen (§ 35 Abs. 6 StVO) gekennzeichnet ist, Warnblinklicht (§ 16 Abs. 2 Satz 2 StVO) und eine Rundumleuchte (§ 38 Abs. 3 StVO, § 52 Abs. 4 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)) eingeschaltet hat, muss der Vorbeifahrende mit typischen Gefahren einer Baustelle oder Baustelleneinrichtung rechnen und sein Verhalten darauf einstellen.
Er muss dann auch ein weites Öffnen der Tür in Betracht ziehen und seinen Seitenabstand dementsprechend wählen.

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 17.04.2014 – 13 S 24/14 – hingewiesen.

 


Warning: Undefined variable $user_ID in /is/htdocs/wp1087826_EK6QR6X9JJ/www/haerlein.de/wordpress/wp-content/themes/arilewp-pro/comments.php on line 45

You must be <a href="https://www.haerlein.de/wp-login.php?redirect_to=https%3A%2F%2Fwww.haerlein.de%2Fbeim-ein-und-aussteigen-sowie-beim-vorbeifahren-einem-geparkten%2F">logged in</a> to post a comment