Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre – Ist sie (auch) ohne Einwilligung der Abgebildeten zulässig?

Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre – Ist sie (auch) ohne Einwilligung der Abgebildeten zulässig?

In dem vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.04.2014 – VI ZR 197/13 – entschiedenen Fall verlangten die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, von der Beklagten, einer Wohnungsbaugenossenschaft, Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten veranstalteten Mieterfest zeigt.
Das beanstandete Foto war, neben anderen, bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten gefertigt worden. Auf ihm waren im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern.
Dieses Foto hatte die Beklagte in ihrer Broschüre „Informationen der Genossenschaft“, Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, veröffentlicht, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre war in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt worden.

Nach der Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH haben die Klägerinnen gegen die Beklagte hier bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bilden Künste und der Photographie (KUG), Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 51/06 –; vom 18.10.2011 – VI ZR 5/10 –; vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11 –; vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 26.02.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07 –) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, Urteile vom 24.06.2004 – 59320/00 – sowie vom 07.02.2012 – 40660/08, 60641/08 – und – 39954/08 –).

  • Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG).
  • Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.
  • Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte.
Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.
Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos,

  • vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und
  • es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. BGH, Urteile vom 01. 07.2008 – VI ZR 67/08 –; vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).
  • Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.

Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasste sich mit dem – jährlich stattfindenden – Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigte repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln.
Die Bilder fingen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigten.
Die Bildberichterstattung vermittelte den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passte gerade das Bild der Klägerinnen, welches drei Generationen vereint.
Zwar gab es – außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr – keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wurde dem Leser ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt.
Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung.
Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen.
Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien.

Die Beklagte kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren.
Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das – ohne Namensnennung – veröffentlichte Foto ist dagegen gering.
Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben.
Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten.
Auch war nichts dafür ersichtlich, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte.

Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses standen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild war in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.

War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 

 


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