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Eltern, deren Kinder nach dem SGB VIII Anspruch auf einen Kita-Platz haben, sollten wissen, dass das Kind auch Anspruch

…. darauf hat, dass die Betreuungseinrichtung vom Wohnort aus in vertretbarer Zeit erreichbar ist.

Mit Urteil vom 15.07.2019 – 7 B 10851/19.OVG – hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Fall,

  • in dem berufstätige Eltern ihr dreijähriges Kind bei der Stadt Mainz für einen Platz in einer Kindertageseinrichtung angemeldet hatten,

entschieden, dass das Kind Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung hat,

  • der bei Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel in nicht mehr als 30 Minuten von seiner Wohnung aus erreichbar ist.

Begründet hat das OVG dies damit, dass der Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung,

  • den nach § 24 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt hat und
  • der zu einer Gewährleistungspflicht führt, die den Träger der öffentlichen Jugendhilfe unabhängig von der jeweiligen finanziellen Situation der Kommunen zur Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Betreuungsplätzen zwingt,

gerichtet ist auf Verschaffung eines Platzes in einer

  • zumutbar erreichbaren

Tageseinrichtung und deswegen nur erfüllt wird, wenn

  • die Betreuungseinrichtung vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreicht werden kann,
    • was bedeutet, bei der Beanspruchung von öffentlichen Verkehrsmitteln, in maximal 30 Minuten.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem

  • die Anfahrtszeit zu der von der Stadt Mainz angebotenen Kindertagesstätte rund 40 Minuten betrug,

hat das OVG die Stadt Mainz im Eilverfahren durch einstweilige Anordnung verpflichtet,

  • dem Kind einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung zu verschaffen,
  • der unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel in nicht mehr als 30 Minuten von der Wohnung aus erreichbar ist (Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz).

Gesetzlich Krankenversicherte sollten wissen, dass und wann sie Anspruch auf Versorgung mit Dronabinol (THC in Tablettenform)

…. haben können.

Mit Beschluss vom 18.07.2019 – L 1 KR 256/19 B ER – hat der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in einem Fall, in dem einem 19-jährigen Versicherten,

  • der an einer seltenen, massive Bauchkrämpfe verursachenden, Darmerkrankung sowie an Appetitlosigkeit und massiver, bereits lebensbedrohlicher Unterernährung litt,
  • der aufgrund der schweren Schmerzen unter anderem mit Opioiden behandelt und dem von seinem behandelnden Arzt

zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs eine Therapie mit Dronabinol – besser bekannt als Tetrahydrocannabinol (THC), der ein Wirkstoff aus der Gruppe der Cannabinoide ist – empfohlen,

  • dies aber von der Krankenkasse abgelehnt

worden war, die Gesetzliche Krankenkasse im Eilverfahren zur vorläufigen Versorgung des Versicherten mit Dronabinol für einen Zeitraum von einem Jahr verpflichtet.

Danach haben gesetzlich Krankenversicherte nach § 31 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Dronabinol (THC in Tablettenform), wenn

  • entweder eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht
  • oder eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht

und bei Beantragung einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung vorläufig auch schon dann, wenn

  • diese Voraussetzungen noch nicht nachgewiesen sein sollten und
  • es dazu noch
    • weiterer Ermittlungen im Hauptsacheverfahren bedarf oder
    • nach ärztlicher Ansicht Behandlungsversuche über einen längeren Zeitraum,

weil im gerichtlichen Eilverfahren bei der vorzunehmenden Folgenabwägung

  • dem grundrechtlich besonders geschützten Rechtsgut auf körperliche Unversehrtheit eines lebensbedrohlich erkrankten Versicherten

Vorrang

  • gegenüber dem Interesse der Krankenkasse auf eine wirtschaftliche Krankenbehandlung

zukommt (Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt).

Dieselgate: LG Düsseldorf ist der Ansicht, dass bei vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen das

…. Aufspielen des Software-Updates nicht ausreicht.

Mit Urteil vom 31.07.2019 – 7 O 166/18 – hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Düsseldorf in einem Fall, in dem bei einem vom sog. „Diesel-Abgasskandal“ betroffenen VW Tiguan 2.0 TDI, nach dem Fahrzeugverkauf an einem Käufer,

  • das von der VW AG entwickelte und mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmte Softwareupdate aufgespielt worden war,

festgestellt, dass das Update dergestalt programmiert wurde, dass

  • die Abgasreinigung (nunmehr) nur bei Temperaturen zwischen 10° bis 32° Celsius funktioniert,
    • also bei Temperaturen unter 10° Celsius und über 32° Celsius keine Abgasreinigung stattfindet
  • und außerdem die Abgasreinigung ab einer Höhe von 1000 m ausgeschaltet wird.

Dieses die Abgasreinigung einschränkende „Thermofenster“ stellt nach Auffassung der Kammer,

  • unabhängig davon,
    • dass das Aufspielen des Updates mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmt war und
    • ob die Abgaswerte nunmehr eingehalten werden,

eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der europäischen Vorschriften dar,

  • über deren einschränkende Wirkungen bei der Abgasreinigung die VW AG den Fahrzeugkäufer (ebenfalls) hätte informieren müssen.

Da weder dies geschehen, noch eine Aufklärung über die zuvor vorhandene unzulässige Abschaltvorrichtung erfolgt war, hat die Kammer die VW AG,

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

dazu verurteilt,

  • dem Fahrzeugkäufer den Fahrzeugkaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zu erstatten und
  • das Fahrzeug zurück zu nehmen (Quelle: Pressemitteilung des LG Düsseldorf).

Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie, wenn sie in der Mittagspause Spazierengehen, in der Regel nicht unfallversichert sind

Darauf hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 14.06.2019 – L 9 U 208/17 – hingewiesen.

Danach liegt kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vor, wenn

  • ein Arbeitnehmer in der Mittagspause das Firmengebäude verlässt um einen Spaziergang zu machen,
  • während dieses Spaziergangs beispielsweise über eine Steinplatte stolpert, stürzt und sich dabei an Handgelenken und Knie verletzt

und

  • der Arbeitnehmer zuvor keiner besonderen betrieblichen Belastung ausgesetzt war, die ausnahmsweise einen Versicherungsschutz für den unternommenen Spaziergang begründen kann.

Denn, so der Senat, Spazierengehen sei,

  • nachdem es sich dabei normalerweise weder um eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis eines Versicherten handle,
  • noch prinzipiell eine arbeitsrechtliche Verpflichtung bestehe, durch gesundheitsfördernde Handlungen, wie etwa Spaziergänge, die Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten,

eine privatnützige Verrichtung,

Was Veranstalter von Jugendfreizeiten und Eltern der daran teilnehmenden Kinder wissen sollten

Mit Urteil vom 29.07.2019 – 21 U 2981/18 – hat der 21. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) München darauf hingewiesen, dass den Veranstalter einer Jugendfreizeit Verkehrssicherungs- sowie Aufsichtspflichten treffen, deren Verletzung,

  • wenn dadurch ein an der Jugendfreizeit teilnehmendes Kind zu Schaden kommt,

Schadens- und/oder Schmerzensgeldersatzansprüche begründen können.

Der Veranstalter hat danach die Vorkehrungen zu treffen, die

  • erforderlich und
  • für ihn zumutbar sind,

um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern, wobei einerseits gilt,

  • dass zugunsten von Kindern ein strenger Sicherheitsmaßstab anzulegen ist,

andererseits aber auch, dass

  • ein vollständiges Maß an Sicherheit nicht erreichbar ist und

Kinder im Alter von 7 bis 8 Jahren

  • schon ein gewisses Maß an Selbstständigkeit haben und
  • nicht „auf Schritt und Tritt“ überwacht werden müssen.

Da es wichtig ist, Kindern bei einer Jugendfreizeit

  • in bewusstem Gegensatz zu Konsum, reiner Spaßorientierung und Fremdbestimmung

Angebote der Freizeitgestaltung zu unterbreiten,

  • die wesentliche persönlichkeitsprägende Fähigkeiten wie Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Risikobewusstsein fördern

ist es beispielsweise nicht schon von vornherein pflichtwidrig,

  • Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren

im Rahmen einer Freizeit ein Schnitzmesser in die Hand zu geben, um zum Feuermachen Rinde von Birken abzuschälen.

Allerdings bedarf es dann

  • nicht nur einer generellen Belehrung der Kinder im Umgang mit Messern, wie Zuklappen beim Laufen, Schnitzen vom Körper weg, sondern

neben der Beaufsichtigung auch

  • einer vorherigen konkreten Belehrung darüber,
    • dass beim Baumrindeabschälen das Messer allenfalls vorsichtig als unterstützendes Hilfsmittel beim Ablösen loser bzw. leicht lösbarer Rindenteile eingesetzt werden soll,
    • dass auf einen ausreichenden Abstand von Kopf/Körper zum Messer geachtet werden muss

und

  • einer entsprechenden Demonstration.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem sich eine 9-Jährige mit einem ihr überlassenen Messer verletzt hatte, ist der Veranstalter der Jugendfreizeit,

  • weil die 9-Jährige vorab nicht konkret über die richtige Benutzung des Messers aufgeklärt worden war,

zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt worden (Quelle: Pressemitteilung des OLG München vom 29.07.2019).

Dieselgate: OLG Karlsruhe entscheidet, dass Käufer von vom Abgasskandal betroffener Fahrzeuge die Schadensersatzpflicht

…. des Motorherstellers feststellen lassen können und der Motorhersteller sich gegen den schlüssigen Klagevortrag zum subjektiven Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

  • dass u.a. der damalige Vorstandsvorsitzende des Motorenherstellers frühzeitig Kenntnis von der in die Steuerung der Motoren integrierten unzulässigen Abschalteinrichtung sowie von dem Eintritt eines kausalen Schadens bei den Käufern hierdurch gehabt und sämtliche, die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände gekannt habe,

nicht lediglich damit verteidigen kann, dass nach dem aktuellen Ermittlungsstand keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass

  • Vorstandsmitglieder im aktien-rechtlichen Sinne an der Entwicklung der beanstandeten Software beteiligt waren oder
  • die Entwicklung oder Verwendung seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten.

Mit Urteil vom 18.7.2019 – 17 U 160/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem Fall, in dem ein Fahrzeugkäufer (im Folgenden: Kläger),

  • der von einem Fahrzeughändler einen Skoda Octavia Combi, 2,0 l TDI erworben hatte,
  • in dessen Dieselmotor des Typs EA 189 von der Motorherstellerin, der Volkswagen AG (im Folgenden: Beklagte), eine nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung zur Umgehung geltender Stickoxidnormen installiert worden war,

von der Beklagten die Schäden ersetzt haben möchte,

  • die er durch den Abschluss des Kaufvertrages über das somit nicht den gesetzlichen Vorschriften Fahrzeug erlitten hat,

entschieden, dass der von dem Kläger gestellte Klageantrag,

  • „festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Installation derjenigen Software in der Motorsteuerung des in dem Fahrzeug Skoda Octavia 2,0 TDI, FIN: … verbauten Motors EA 189 resultieren, bei der es sich nach Ansicht des Kraftfahrbundesamtes gemäß Bescheid vom … gegenüber der Beklagten um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt“,

zulässig und

  • wegen der sittenwidrigen und zu einem Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB iVm § 31 BGB analog führenden unternehmerischen Strategieentscheidung der Beklagten,
    • einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen eigener Konzernunternehmen einzubauen und
    • diese sodann mit einer erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr zu bringen,

begründet ist.

Zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags hat das OLG ausgeführt,

  • dass der Antrag durch die konkrete Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden schädigenden Ereignisses den Anforderungen des § 253 Zivilprozessordnung (ZPO) genügt, da eine noch nähere Bezeichnung dem Kläger als technischem Laien weder möglich noch zumutbar ist,
  • dass der Kläger für diesen Feststellungsantrag auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse hat, weil ein Kläger seine Klage dann nicht in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten muss, sondern in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann, wenn – wie hier –
    • im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden,
    • allerdings die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, sondern die Entstehung noch weiteren Schadens sehr wahrscheinlich ist, die der Kläger im Rahmen der nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldeten Naturalrestitution ebenfalls von dem Beklagten grundsätzlich ersetzt verlangen kann,
      • wie künftig noch anfallende der Erhaltung oder Wiederherstellung dienende Aufwendungen (z.B. Kosten für nach Empfehlung des Herstellers durchzuführende Inspektionen; Kosten eines erforderlichen Ölwechsels; Kosten für erforderliche Reparaturen).

und

  • dass es auf die Frage, ob nach Erhebung der Klage sämtliche ersatzfähigen Vermögensschäden – auch im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte Stilllegung des in Streit stehenden Fahrzeugs – entstanden und bezifferbar geworden sind, nicht ankommt, weil eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage nicht dadurch unzulässig wird, dass im Verlaufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten.

Übrigens:
Hingewiesen hat das OLG in den Entscheidungsgründen ferner ausdrücklich darauf, dass, wenn sich eine beklagte Motorenherstellerin gegen schlüssigen Klägervortrag zum subjektiven Tatbestand des § 826 BGB, nämlich,

  • dass (u.a.) der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, … , frühzeitig Kenntnis von der in die Steuerung der Motoren integrierten unzulässigen Abschalteinrichtung sowie von dem Eintritt eines kausalen Schadens bei den Käufern hierdurch gehabt und sämtliche, die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände gekannt habe,

lediglich damit verteidigt, dass

  • „nach dem aktuellen Ermittlungsstand keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass Vorstandsmitglieder im aktien-rechtlichen Sinne an der Entwicklung der Software beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Software … seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten“,

darin ein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO liegt, was dazu führt, dass

  • der klägerische Sachvortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt

und es dann demzufolge

  • weder auf die im Ergebnis allerdings zu bejahende Frage, ob die Beklagte einer sekundären Darlegungslast nachzukommen hat,
  • noch auf die zu verneinende Frage ankommt, ob dieser genügt worden ist.

Wichtig zu wissen für Autofahrer denen vorgeworfen wird, einen Bahnübergang mit Andreaskreuz bei gelben oder

…. roten Lichtzeichen überquert und damit gegen die Wartepflicht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen zu haben (= Tatbestandsnummer 119624 der Bußgeldkatalog-Verordnung).

Mit Beschluss vom 31.01.2019 – 3 Ss (OWi) 14/19 – hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle entschieden, dass

  • ein Verstoß gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei gelben oder roten Lichtzeichen nur vorliegt,

wenn der Fahrer

  • bei mittelstarker Bremsung mit einer Bremsverzögerung von 4 m/sec²,
    • also ohne stärkere Abbremsung oder gar Notbremsung,

noch vor dem Andreaskreuz (Zeichen 201 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO)

  • gefahrlos

hätte anhalten können.

Danach gelten bei Ampelanlagen an Bahnübergängen die gleichen Regeln wie an Straßenkreuzungen, so dass

  • Voraussetzung für eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zum Anhalten ist,

dass einem Autofahrer, nach Feststellung

  • der Entfernung seines Fahrzeugs vom Andreaskreuz zu Beginn des gelben Lichtzeichens,
  • der gefahrenen Geschwindigkeit und
  • im Fall des Vorwurfs eines Rotlichtverstoßes der Dauer des gelben Lichtzeichens

sowie Errechnung hieraus,

  • welchen Weg der Autofahrer innerhalb der Dauer des gelben Lichtzeichens zurückgelegt hat bzw. bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben kann und
  • wie lang sein Anhalteweg gewesen wäre bei Zugrundelegung
    • einer Reaktions- und Bremsansprechzeit von 0,8 Sekunden und
    • der mittleren Bremsverzögerung von 4 m/sec²,

nachgewiesen werden kann, dass er

  • noch vor dem Andreaskreuz zum Stehen hätte kommen können.

Sofern feststeht, dass

  • aufgrund der Entfernung von dem Andreaskreuz zu Beginn des gelben Lichtzeichens

der betroffene Autofahrer

  • bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

mit einer mittleren Bremsung vor dem Andreaskreuz hätte zum Stehen kommen können, sind,

  • weil dann bereits die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit die Vorwerfbarkeit des Rot- bzw. Gelblichtverstoßes begründet,

Feststellungen zur tatsächlich gefahren Geschwindigkeit entbehrlich.

Übrigens:
Ein Fahrzeugführer, der bei Beginn des gelben Lichtzeichens

  • bereits den kritischen Punkt überschritten hat,
  • nach dessen Durchfahren sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreicht,

darf seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei

  • er diesen zügig zu überqueren hat.

Erwerber eines Tiefgaragenstellplatzes sollten wissen, wann dieser als mangelhaft angesehen und deswegen der Kaufpreis

…. beispielsweise gemindert werden kann.

Mit Urteil vom 20.06.2019 – 8 U 62/18 – hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig entschieden, dass ein Tiefgaragenstellplatz

  • von einem Durchschnittsfahrer zumindest mit einem gehobenen Mittelklassefahrzeug in zumutbarer Weise genutzt werden können muss,

andernfalls der Tiefgaragenstellplatz in der Regel

  • seine Funktion nicht erfüllt und
  • wegen Fehlens der für einen Stellplatz vereinbarten Beschaffenheit

mangelhaft gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem von einem Käufer eine Eigentumswohnung mit einem Tiefgaragenstellplatz,

  • der allein rund 20.000 Euro gekostet und
  • in den, wie ein gerichtlich bestellter Sachverständiger festgestellt hatte, ein Einparken mit einem gehobenen Mittelklassefahrzeug bei einem Vorwärtsfahren zu dem Stellplatz, aufgrund der hierfür nicht ausreichenden Breite, gar nicht, sondern nur dann möglich war, wenn man
    • entweder 58 m vom Eingang der Tiefgarage bis zu dem Stellplatz rückwärts fährt
    • oder aber in der 6 m breiten Fahrgasse wendet,

hat der Senat den Stellplatz (auch angesichts des Preises)

  • als nicht bzw. nur eingeschränkt in zumutbarer Weise nutzbar und

wegen dieses Mangels eine Kaufpreisminderung um zwei Drittel für berechtigt angesehen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

OLG Frankfurt spricht in psychiatrischer Klinik geschlossen Untergebrachter Schadensersatz sowie Schmerzensgeld zu

…. wegen Fixierung und Zwangsmedikationen ohne gesonderter richterlicher Genehmigung.

Mit Urteil vom 16.07.2019 – 8 U 59/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einem Fall, in dem eine psychisch kranke Frau

  • nach ihrer gerichtlich genehmigten geschlossenen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik im Raum Frankfurt,

während ihres gut zweiwöchigen Aufenthalts dort gegen ihren Willen

  • ohne gerichtliche Genehmigung

teilweise nicht nur kurzzeitig fixiert und mit Medikamenten therapeutisch zwangsbehandelt worden war, das Land Hessen verurteilt,

  • der Frau ein Schmerzensgeld i.H.v. 12.000 Euro zu zahlen sowie
  • ihr sämtliche aus der Fixierung und Zwangsmedikationen entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen.

Denn, so das OLG, die Fixierungen und die Zwangsbehandlungen der damals untergebrachten Frau seien,

  • wegen Fehlens der eigenständigen richterlichen Genehmigungen, die es dazu jeweils bedurft hätte,

rechtswidrig gewesen.

Dass die Fixierungen und die Zwangsbehandlungen der Untergebrachten

  • jeweils einer eigenständigen richterlichen Genehmigung bedurft hätten,

hat das OLG damit begründet, dass es sich bei der Fixierung einer Patientin von nicht nur kurzfristiger Dauer, auch dann,

  • wenn eine Patientin gegen ihren Willen mit richterlicher Genehmigung geschlossen untergebracht sei,

um eine nicht schon von der richterlichen Unterbringungsanordnung abgedeckte Freiheitsentziehung handle,

und dass bei einer medizinischen Behandlung einer Untergebrachten gegen ihren natürlichen Willen,

  • auch wenn die Behandlung zum Zweck der Heilung erfolgt,

nicht gedeckt von der richterlichen Unterbringungsanordnung in die körperliche Unversehrtheit der Patientin eingegriffen werde (Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Eigentum an beweglichen Gegenständen durch Ersitzung erwerben ist (auch) möglich, wenn die Gegenstände

…. zuvor einem früheren Eigentümer von einem Dritten gestohlen worden sind.

Nach § 937 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erwirbt,

  • wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat,

das Eigentum daran (Ersitzung), außer der Erwerber

  • ist bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben oder
  • er erfährt später, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.

Wird die Sache von einem früheren Eigentümer von demjenigen herausverlangt, der sich auf Ersitzung beruft, tragen im Streitfall die Beweislast,

  • derjenige der sich auf die Ersitzung beruft, dafür, dass
    • er die Sache seit mindestens zehn Jahren in Eigenbesitz hat

und

  • derjenige, der die Ersitzung durch den anderen bestreitet und die Herausgabe der Sache verlangt, dafür, dass
    • der andere, der sich auf die Ersitzung beruft,
      • bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben (bösgläubig) war oder
      • später erfahren hat, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.

Mit Urteil vom 19.07.2019 – V ZR 255/17 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass dies auch dann gilt, wenn der, der sich auf die Ersitzung beruft, bewiesen hat, dass die Sache

  • sich schon mindestens zehn Jahren in seinem Besitz befunden hat,

sie aber einem früheren Eigentümer zuvor gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist.

  • Auch dann muss derjenige, der sich auf die Ersitzung beruft, nicht noch zusätzlich beweisen, dass er beim Besitzerwerb, beispielsweise beim Kauf, gutgläubig war.

Allerdings trifft in einem solchen Fall, wie der Senat ausgeführt hat, demjenigen, der sich auf den Eigentumserwerb durch Ersitzung beruft, regelmäßig eine

  • sekundäre

Darlegungslast

  • für seinen guten Glauben bei dem Erwerb des Eigenbesitzes,
    • d.h., er muss darlegen, wie es zum Erwerb des Eigenbesitzes gekommen ist und dass dabei keine besonderen Umstände vorgelegen haben, die seinen Verdacht erregen mussten, dass es sich um Diebesgut handeln könnte und die er unbeachtet gelassen hat.

Kann der frühere Besitzer diese

  • von dem auf Herausgabe verklagten Besitzer

behaupteten Umstände des Erwerbs(vorgangs) der Sache als falsch widerlegen, sind die Voraussetzungen von § 937 Abs. 2 BGB

  • – dass der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben war und somit kein Eigentum durch Ersitzung erworben hat –

als bewiesen anzusehen (Quelle: Pressemitteilung des BGH).