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Dieselgate – LG Kiel entscheidet: Käufer von Fahrzeugen mit eingebauter illegaler Abschaltvorrichtung können vom Fahrzeughersteller

…. Schadensersatz nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen.

Mit Urteil vom 18.05.2018 – 12 O 371/17 – hat das Landgericht (LG) Kiel in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Vertragshändler des Fahrzeugherstellers einen PKW mit Dieselmotor erworben hatte,

  • in dem von den Entwicklungsingenieuren des Fahrzeugherstellers eine illegale Abschaltvorrichtung eingebaut worden war,

den Fahrzeughersteller dazu verurteilt, dem Fahrzeugeigentümer (als Schadensersatz)

  • den für das Fahrzeug an den Fahrzeugverkäufer gezahlten Kaufpreis, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, zu erstatten,
  • Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Begründet hat das LG dies damit, dass

  • den Fahrzeugkäufern von den Entwicklungsingenieuren des Herstellers, durch den bewussten und geheim gehaltenen Einbau der illegalen Abschaltvorrichtung zur Manipulation der Emissionswerte, vorsätzlich und sittenwidrig ein Schaden zugefügt worden sei, der darin liege, dass die Fahrzeugkäufer einen Vertrag über ein mangelhaftes Fahrzeug ungewollt abgeschlossen haben,
  • der Fahrzeughersteller für diese vorsätzliche sittenwidrige Schädigung seiner Entwicklungsingenieure aus § 831 BGB sowie entsprechend § 31 BGB hafte,
  • die Erwerber der Fahrzeuge deshalb von dem Fahrzeughersteller verlangen können, so gestellt zu werden, wie wenn sie den Kaufvertrag nicht geschlossen hätten und
  • dieser Anspruch auch dann besteht, wenn (zwischenzeitlich) die vom Hersteller angebotene technische Überarbeitung des Fahrzeugs („Software-Update“) erfolgt ist.

Handeln Feuerwehrleute bei einem Brandbekämpfungseinsatz ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig, haftet

…. auch bei nur einfacher Fahrlässigkeit für einen dadurch entstandenen Schaden nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Art. 34 Grundgesetz (GG) die Körperschaft in deren Dienste die Feuerwehrleute stehen.

Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 14.06.2018 – III ZR 54/17 – entschieden.

Danach gilt bei Brandbekämpfungseinsätzen für Feuerwehrleute nicht

  • das Haftungsprivileg nach § 680 BGB,
  • das, wenn eine Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt,die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt.

Begründet hat der Senat dies damit, dass im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 Absatz 1 BGB grundsätzlich jeglicher Grad von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung begründe und es,

  • nachdem Amtsträger, zu deren Pflicht die „berufsmäßige“ Abwehr einer dringenden Gefahr gehört, typischerweise auf die hiermit verbundenen Noteinsätze vorbereitet sowie hierfür ausgebildet seien,
  • auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen könnten sowie
  • das Risiko eines Fehlverhaltens solcher professionellen Nothelfer demzufolge deutlich geringer sei als bei zufällig hinzutretenden Personen

einer Absenkung des Haftungsmaßstabes bei einer im Rahmen eines Noteinsatzes erfolgenden öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr nicht bedürfe.

Auch seien die für die Amtspflichtverletzungen ihrer Amtsträger gemäß Artikel 34 Satz 1 GG haftenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften gegen die mit Feuerwehreinsätzen verbundenen finanziellen Risiken und Kosten besser abgesichert als der private Nothelfer (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 14.06.2018).

Dieselgate: Erste Landgerichte entscheiden, dass auch Besitzern eines Mercedes-Diesel mit einer unzulässigen Abgas-Software

…. Schadensersatzansprüche nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen die Daimler-AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehen.

Am 05.06.2018 haben das Landgericht (LG) Karlsruhe (Az.: 18 O 24/18) und am 07.06.2018 das LG Hanau (Az.: 9 O 76/18)

  • die Daimler-AG

jeweils verurteilt, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Mercedes-Diesel,

  • es handelte sich im Verfahren 18 O 24/18 um einen Mercedes-Benz C200 d und im Verfahren 9 O 76/18 um einen Mercedes-Benz Vito,

zurücknehmen und den Eigentümern der Fahrzeuge den Kaufpreis, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer, zu erstatten (Quelle: Redaktion beck-aktuell).

OLG Stuttgart entscheidet: Inhaber einer Kamelfarm muss einer vom Kamel gestürzten Reiterin Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen

Mit Urteil vom 07.06.2018 – 13 U 194/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Fall, in dem die Besucherin eines Kamelhofs bei einem Kamelausritt,

  • bei dem der Inhaber des Kamelhofs das Kamel an einer Kette geführt hatte,

aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden gestürzt war,

  • als das Kamel, erschreckt durch Hundegebell an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung vollführt hatte,

entschieden, dass der Inhaber des Kamelhofs der Besucherin,

  • wegen der bei dem Sturz erlittenen Kopfverletzungen sowie der Einschränkungen ihrer Erwerbstätigkeit,

70.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und ihr den Verdienstausfall ersetzen muss.

Begründet hat das OLG dies u.a. damit, dass es sich,

  • jedenfalls in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten sei,

bei Kamelen nicht um Haus- und Nutztiere i.S.v. § 833 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handle und der Inhaber des Kamelhofs als Tierhalter somit gemäß § 833 Satz 1 BGB,

  • ohne sich nach § 833 Satz 2 BGB auf das Privileg eines Haustierhalters berufen und
  • sich ggf. durch den Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung befreien zu können,

verschuldensunabhängig für den der Besucherin entstandenen Schaden hafte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 11.06.2018).

Wer hat Vorrang, wenn bei einer über die Straßenbahnschienen führenden Fahrspur die Ampel sowohl

…. für Kraftfahrzeuge als auch für die Straßenbahn Grünlicht zeigt?

Mit Urteil vom 13.04.2018 – 7 U 36/17 – hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm darauf hingewiesen, dass bei einer Ampelphasenschaltung

  • mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und
  • ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn

die Straßenbahn Vorrang hat und dass bei einer Kollision zwischen einem PKW und einer Straßenbahn in einem solchen Fall,

  • sollte dem Straßenbahnfahrer weder eine für den Unfall (mit)ursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung, noch eine verspätete Reaktion nachgewiesen werden können,

der PKW-Fahrer für die Unfallfolgen zu 100 % verantwortlich sein kann.

Autofahrer, die bei Grünlicht einer Ampel für sie, Straßenbahnschienen kreuzen möchten, sollten deshalb,

  • bevor sie auf die Schienen fahren, Straßenbahnen passieren lassen und
  • sich nicht darauf verlassen, dass die Ampel so geschaltet ist, dass ein gleichzeitiges Befahren der Straßenbahnschienen durch den Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 13.06.2018).

Was Veranstalter von Speedway- oder Sandbahnrennen über die für Zuschauer zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen wissen müssen

Mit Urteil vom 11.06.2018 – 2 U 105/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg darauf hingewiesen, dass es bei einem Speedway- oder Sandbahnrennen zur Sicherung des Zuschauerbereiches nicht genügt, dass

  • der Zuschauerbereich von dem Rundkurs, auf dem die Motorräder ihre Kreise drehen, durch eine 1,2 m hohe Betonmauer getrennt ist,
  • sich an deren Innenseite ein Luftkissenwall befindet und
  • 3 m von der Betonmauer entfernt ein Seil gespannt ist,

sondern dass

  • zusätzlich auch ein Fangzaun errichtet werden muss.

Fehlt ein solcher zusätzlicher Fangzaun und wird durch ein bei einem Unfall über die Betonwand katapultiertes Motorrad ein Zuschauer verletzt, ist der Veranstalter

  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

schadensersatzpflichtig.

Begründet hat das OLG dies damit, dass

  • zwar von einem Veranstalter eines Speedwayrennens keine vollkommene jede denkbare Gefahr und jeden Unfall ausschließende Verkehrssicherheit erwartet werden könne,
  • dieser aber, unabhängig von Auflagen des Verbandes, eigenverantwortlich auch alle erforderlichen weiteren Maßnahmen ergreifen müsse, die zumutbar seien und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Veranstalter für notwendig halten dürfe, um andere vor Schäden zu bewahren und

es bei einem Speedwayrennen nicht ganz ungewöhnlich sei, dass bei einem Zusammenstoß von Motorrädern eine Katapultwirkung entstehe und ein Motorrad,

  • wenn kein zusätzlicher Fangzaun vorhanden sei,

zu einem lebensgefährlichen Geschoss für die Zuschauer werde (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 11.06.2018).

Dieselgate: OLG Köln verurteilt Fahrzeughändler zur Rücknahme eines verkauften gebrauchten VW-Diesel und zur

…. Rückzahlung des Kaufpreises an den Käufer, abzüglich eines Nutzungswertersatzes in Höhe von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer.

Mit Beschluss vom 28.05.2018 – 27 U 13/17 – hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Autohaus einen gebrauchten VW Eos 2,0 TDI erworben hatte,

  • in den eine Software installiert war, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxid-Emissionen optimierten Betriebsmodus sowie
  • eine Erkennung des Prüf-Betriebes und eine Umschaltung in den optimierten Betriebsmodus vorsah,

entschieden, dass

  • ein Fahrzeug mit einer solchen installierten Software nicht die übliche Beschaffenheit aufweise,
  • somit mangelhaft sei und

der

  • wegen dieses nicht lediglich unerheblichen Mangels

vom Käufer

  • nach erfolgloser Setzung einer Frist zur Nachbesserung,

nach Ablauf von sieben Wochen, erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 11.06.2018).

Dieselgate: BGH entscheidet, dass Käufer vom Abgasskandal betroffener Fahrzeuge den Verkäufer und den Fahrzeughersteller

…. gemeinschaftlich verklagen können.

Mit Beschluss vom 06.06.2018 – X ARZ 303/18 – hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass der Käufer eines Kraftfahrzeugs, der Ansprüche geltend macht,

  • gegen den Verkäufer
    • wegen einer im Fahrzeug eingebauten und so programmierten Abgasreinigungseinrichtung, dass sie auf dem Prüfstand eingeschaltet, im normalen Fahrbetrieb aber außer Betrieb gesetzt ist und
  • gegen den Hersteller des Fahrzeugs
    • aus unerlaubter Handlung, gestützt auf die Vortäuschung eines mangelfreien Zustands,

den Verkäufer und den Hersteller als Streitgenossen nach § 60 Zivilprozessordnung (ZPO) gemeinschaftlich verklagen kann.

Was Reisende, die eine Fernbusreise buchen bzw. gebucht haben, wissen sollten

Mit Urteil vom 06.06.2018 – 262 C 2407/18 – hat das Amtsgericht (AG) München darauf hingewiesen, dass,

  • wenn von Reiseunternehmern, die Fernbusreisen anbieten,
  • kein hinreichend deutlicher Hinweis auf Fahrzeiten über Nacht gegeben wird,

Reisende zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt sein können.

Beispielsweise soll ein Reisender,

  • der eine Busreise an die Côte d’Azur gebucht hat,

den Reisevertrag kündigen und die Rückzahlung des gesamten Reisepreises verlangen können, wenn im Reiseprospekt angekündigt war,

  • dass man die Reisenden an „Zustiegsmöglichkeiten in der Nähe ihres Wohnortes“ abholen würde sowie
  • bei „1. Tag: Anreise“ am Ende, dass die ersten vier Nächte in einem schönen Küstenort nahe San Remo verbracht würden,

tatsächlich aber vorgesehen war,

  • ein Zustieg für den Reisenden um 23.45 Uhr an einer mehr als 20 km von seiner Wohnung entfernten Tankstelle sowie
  • die Verbringung der ersten Nacht im Bus.

Denn, so das AG u.a.,

  • eine Zustiegsstelle an einer Tankstelle in einer Entfernung von mehr als 20 Kilometern vom Wohnort könne nicht mehr als in der Nähe angesehen werden und
  • die erste Nacht im Bus verbringen zu müssen, sei, insbesondere älteren Herrschaften, ohne einen vorherigen deutlichen Hinweis hierauf nicht zuzumuten (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 08.06.2018).

Dieselgate: LG Augsburg erachtet Kaufverträge über vom Abgasskandal betroffene Neufahrzeuge wegen Verstoßes gegen EU-Recht für nichtig

Mit Urteil vom 07.05.2018 – 82 O 4497/16 – hat das Landgericht (LG) Augsburg entschieden, dass, wenn Händler Neufahrzeuge mit Dieselmotor verkaufen,

  • in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist,
    • die erkennt, ob sich ein Auto auf einem Prüfstand befindet,
    • nur dort den Stickoxidausstoß reguliert,
    • während die Abgaswerte im Fahrbetrieb auf der Straße sehr viel höher sind,

die mit den jeweiligen Käufern geschlossenen Kaufverträge nach § 134 Bürgerliches Gesetz (BGB)

  • wegen Verstoßes gegen das Verbot von § 27 Abs. 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV)

(von Anfang an) nichtig sind.

Nach dieser Ansicht

  • bedürfte es in diesen Fällen keines Rücktritts der Käufer gegenüber dem Verkäufer mehr (ggf. nach vorheriger erfolgloser Fristsetzung zur Nachbesserung) und
  • könnten sich die Verkäufer auch nicht mehr auf die zweijährige kaufrechtliche Verjährungsvorschrift berufen.

Vielmehr könnten betroffene Fahrzeugkäufer verlangen,

  • vom Fahrzeugverkäufer nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Herausgabe des gezahlten Kaufpreises, ggf. abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückübereignung des gekauften Fahrzeugs und/oder
  • vom Hersteller nach § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatz wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV.

Dass Kaufverträge über Dieselfahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig sind, hat das LG damit begründet, dass

  • nach § 27 Abs. 1 EG-FGV neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben ist, nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind,
  • eine Übereinstimmungsbescheinigung nur dann gültig ist, wenn das Fahrzeug, für das sie ausgestellt ist, tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht und
  • dies bei Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht der Fall sei (Quelle: beck-aktuell Nachrichten).