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Dieselgate – LG Krefeld stellt fest, dass der Fahrzeughersteller dem Käufer gegenüber schadensersatzpflichtig ist

…. und der Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen und damit mangelhaften Fahrzeugs

  • nicht auf die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Verkäufer beschränkt ist,
  • sondern auch den Hersteller auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann.

Mit Urteil vom 04.10.2017 – 2 O 19/17 – hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Krefeld entschieden, dass die Ausstattung der vom sog. VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge mit einer den Abgasausstoß manipulierenden Motorsoftware

  • eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer durch den Hersteller gem. § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt, die

den Hersteller verpflichtet,

  • dem Käufer Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren und
  • dass einer auf Feststellung dieser Ersatzpflicht gerichteten Klage, die gemäß § 32 Zivilprozessordnung (ZPO) auch im Gerichtsbezirk des Kaufvertragsschlusses erhoben werden kann, nicht das Feststellungsinteresse fehlt.

Danach fehlt das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage gegen den Fahrzeughersteller dann nicht, wenn

  • von diesem das Recht des Fahrzeugkäufers auf Schadensersatz ernstlich bestritten wird und
  • die Schadenshöhe deswegen insgesamt noch nicht endgültig beziffert werden kann, weil
    • über den bereits bezifferbaren Schaden (insbesondere der ggf. zurückzuzahlende Kaufpreis) hinausgehend mit hinreichender Wahrscheinlichkeit noch unbezifferbare Schäden entstehen können,
    • etwa dadurch, dass, wegen des (noch) nicht aufgespielten Software-Updates die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs droht.

Dass die Fahrzeugkäufer durch Mitarbeiter, d.h. Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) des Herstellers

  • in einer diesem zurechenbaren und für den Abschluss des Kaufvertrages ursächlichen Weise über die Emissionswerte des Fahrzeugs nicht nur getäuscht, sondern auch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sind,

hat die Kammer u.a. damit begründet,

  • dass der Hersteller den Fahrzeugmotor konstruiert sowie hergestellt und die dazugehörende Programmierung der Motorsoftware entweder von einem Mitarbeiter hat vornehmen oder nach entsprechenden Anweisungen sowie Vorgaben von Dritten hat ausführen lassen,
  • auf diese Weise nicht einfach nur die Abgasvorschriften außer Acht gelassen und massenhafte, erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen worden ist, um dem Hersteller einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder ihn wettbewerbsfähig zu halten, weil dieser entweder nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil dieser aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen Vorrichtungen unterließ und

die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Unfähigkeit oder Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt so zu schädigen, dass Gesundheitsgefahren drohen, weil die Schadstoffwerte (NOx) erhöht werden,

Eigentum durch Ersitzung erwerben, also dadurch, dass man eine bewegliche Sache längere Zeit in Besitz hat? Ist das möglich

…. und wer muss was beweisen, wenn ein solcher Eigentumserwerb strittig ist und gegen den, der sich auf Ersitzung beruft, Ansprüche aus Eigentum an der Sache geltend gemacht werden?

Durch Ersitzung nach § 937 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erwirbt man das Eigentum an einer beweglichen Sache, wenn man

  • diese zehn Jahre im Eigenbesitz hat,
    • h. die Sache zehn Jahre ununterbrochen (Ausnahme: § 940 Abs. 2 BGB) als einem gehörend besitzt (§ 872 BGB),
  • bei dem Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben war und
  • auch später nicht erfahren hat, dass einem das Eigentum nicht zusteht.

Liegen diese Voraussetzungen vor, hat man an der beweglichen Sache kraft Gesetzes

  • originäres Eigentum erworben und
  • der bisherige Eigentümer sein Eigentum daran verloren.

Wer sich darauf beruft, Eigentum an einer beweglichen Sache durch Ersitzung gemäß § 937 Abs. 1 BGB erlangt zu haben,

  • trägt die Darlegungs- und Beweislast

für seinen zehnjährigen ununterbrochenen Eigenbesitz,

  • muss also darlegen und beweisen, dass er die Sache länger als zehn Jahre in Eigenbesitz gehabt hat.

Die Darlegungs- und Beweislast

  • für den fehlenden guten Glauben (die Bösgläubigkeit) des Ersitzenden bei Begründung des Eigenbesitzes oder
  • für eine während der Dauer des zehnjährigen Eigenbesitzes erlangte positive Kenntnis der Nichtberechtigung

trägt hingegen der, der

  • die Ersitzung bestreitet und
  • gegen den Ersitzenden Ansprüche aus Eigentum an der Sache geltend machen will.

Allerdings trifft denjenigen, der sich auf Ersitzung beruft,

  • eine sekundäre Darlegungslast
  • hinsichtlich seiner Gutgläubigkeit für Erwerbsvorgänge in seiner Sphäre.

Darauf

  • und dass diese Beweislastverteilung auch gilt, wenn die Sache dem früheren Besitzer gestohlen wurde oder sonst abhandengekommen ist,

hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit Urteil vom 06.09.2017 – 12 U 2086/15 – hingewiesen.

OLG Hamm entscheidet: Auch Vermummen erst nach dem Ende eines Fußballspiels und dem Verlassen des Stadioninneren kann strafbar sein, wenn

…. es noch auf dem Stadiongelände erfolgt.

Mit Beschluss vom 07.09.2017 – 4 RVs 97/17 – hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden, dass, wer sich nach dem Ende eines Fußballspiels noch auf dem Stadiongelände vermummt,

  • sich also nach dem Abpfiff und dem Verlassen des Stadions erst auf einem noch zum Stadiongelände gehörenden Parkplatz, beim Warten auf die Abfahrt seines Busses, maskiert, um die Feststellung seiner Identität dort zu beeinträchtigen,
  • indem er beispielsweise sein Gesicht hinter einem roten Schal bzw. einer Sturmhaube verbirgt, so dass nur noch die Augenpartie zu erkennen ist und die Kapuze seines Sweatshirts tief ins Gesicht zieht,

kann nach §§ 27 Abs. 2 Nr. 2, 17a Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz – VersammlG) wegen Verstoßes gegen das im Versammlungsgesetz angeordnete Vermummungsverbot

  • mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe

bestraft werden.

Denn, so der Senat, bei Fußballspielen handelt es sich um, unter die einschlägigen Vorschriften des Versammlungsgesetzes fallende, öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel, an denen Besucher teilnehmen,

  • solange sie sich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem zuvor besuchten Spiel noch auf dem Stadiongelände selbst befinden,
  • um ein ihnen dort zur Verfügung stehendes Mittel zum Abtransport zu nutzen, wie etwas einen Pkw oder einen Bus (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 05.10.2017).

Nichtbeseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes kann den Vermieter zur fristlosen Kündigung

…. des Mietverhältnisses berechtigen.

Mit Urteil vom 11.07.2017 – 422 C 6905/17 – hat das Amtsgericht (AG) München darauf hingewiesen, dass, wenn ein Mieter

  • einen von ihm geschaffenen vertragswidrigen Zustand auf Verlangen des Vermieters und trotz Abmahnung nicht beseitigt,

dies einen die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund nach § 543 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt und

  • dass eine nur teilweise Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes nach Ausspruch der Kündigung nicht in entsprechender Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

Pferdehalter, die mit anderen eine Reitbeteiligung abgeschlossen haben oder abschließen wollen, sollten

…. wenn die Reitbeteiligung nicht von ihrer Haftpflichtversicherung erfasst ist,

  • also Schäden auch im Hinblick auf die Reitbeteiligung nicht von ihrer Versicherung gedeckt sind,

einen ausdrücklichen Haftungsausschluss vereinbaren.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg hat nämlich mit Urteil vom 29.03.2017 – 4 U 1162/13 – darauf hingewiesen, dass, wenn ein Pferdehalter mit einem Reiter eine sog. Reitbeteiligung abschließt,

  • dies nichts an seiner Haltereigenschaft ändert und

er somit,

  • weil in einem solchen Fall auch nicht ohne weiteres von der Vereinbarung eines stillschweigenden Haftungsausschlusses ausgegangen werden kann,

als Tierhalter nach § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch grundsätzlich für Unfälle des Reitbeteiligten haftet,

  • welche durch die Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr des Pferdes verursacht werden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem der Reitbeteiligte,

  • der das Pferd an drei Tagen pro Woche gegen Bezahlung eines Betrages von 100 Euro pro Monat nach Belieben ausreiten durfte,

bei einem Ausritt auf der Koppel, als das Pferd ohne Grund plötzlich losrannte, vom Pferd gestürzt war, entschied der Senat, dass

  • der Pferdehalter in Höhe von 50% haftet und
  • sich der geschädigte Reitbeteiligte ein seinen Anspruch minderndes Mitverschulden in Höhe von 50% anrechnen lassen muss, weil
    • er zum Zeitpunkt des Unfalls Tieraufseher (§ 834 BGB) war,
    • bei diesem eine gesetzliche Vermutung dafür besteht, dass ihn ein für den Schaden ursächlich gewordener Sorgfaltsverstoß trifft und
    • der Geschädigten diese Vermutung nicht hatte widerlegen können (Quelle: Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 04.10.2017 – Nr. 29 –).

Schon erhöhtes Brustkrebsrisiko bei einer Frau kann als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein

…. und Anspruch auf Beihilfe beispielsweise für eine vorsorgliche Brustdrüsenentfernung sowie die nachfolgende Implantatrekonstruktion begründen.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 28.09.2017 – 5 C 10.16 – entschieden.

Danach kann

  • schon das wegen familiärer Vorbelastung und einer Genmutation bestehende erhöhte individuelle Risiko einer Frau,
  • innerhalb eines überschaubaren Zeitraums an Brustkrebs zu erkranken,

als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein und

  • demzufolge ein Anspruch auf Gewährung von beamtenrechtlicher Beihilfe für eine vorsorgliche operative Maßnahmen bestehen.

Zwar sei, so das BVerwG, Voraussetzung für eine Krankheit nach dem beihilferechtliche Krankheitsbegriff, der sich im Grundsatz mit dem entsprechenden Begriff im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung deckt,

  • grundsätzlich eine körperliche oder geistige Funktionsbeeinträchtigung,
  • die bei einer noch nicht an Brustkrebs erkrankten Frau fehle.

Allerdings liege, so das BVerwG weiter,

  • wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung bestehe und
  • die schädigenden Folgen, die im Falle des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behandlungsbedürftigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen sei,

auch ohne Funktionsbeeinträchtigung eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinn deshalb vor,

Was Autofahrer, die ihr Fahrzeug mit einer Videokamera (Dashcam) ausgestattet haben oder ausstatten wollen, wissen sollten und

…. warum es empfehlenswert ist, sich von einem Rechtsanwalt, am besten einem Fachanwalt für Verkehrs- und/oder IT-Recht beraten zu lassen.

Das Amtsgericht (AG) München hat mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 09.08.2017 – 1112 OWi 300 Js 121012/17 – eine Autofahrerin,

  • die ihr Fahrzeug vorne und hinten mit Videokameras ausgestattet hatte,
  • die laufend Videoaufzeichnungen des vor und hinter dem Fahrzeug befindlichen öffentlichen Verkehrsraums fertigten und die Aufzeichnungen speicherten und

die,

  • nachdem ihr geparktes Fahrzeug von einem anderen unbekannten Fahrzeug gestreift und beschädigt worden war,

die Videoaufzeichnungen,

  • auf denen mindestens drei andere Fahrzeuge, die sich vor oder hinter dem Straßenraum ihres geparkten Fahrzeugs zu sehen waren,

der Polizei als Beweismittel vorgelegt hatte,

  • wegen vorsätzlicher unbefugter Erhebung und Verarbeitung und Bereithaltung von personenbezogenen, nicht allgemein zugänglichen, Daten nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu einer Geldbuße verurteilt.

Dass das Verhalten der Autofahrerin den Tatbestand einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BDSG erfüllt, begründete das AG damit, dass bei der vorzunehmenden Interessen- und Güterabwägung in diesem Fall

  • die Verletzung des Rechts der anderen Verkehrsteilnehmer auf informationelle Selbstbestimmung durch das permanente anlasslose Filmen des vor und hinter dem geparkten Fahrzeug befindlichen Straßenraums schwerer wiegt als
  • das Interesse der Geschädigten an der Aufdeckung einer potentiellen Straftat.

Denn, so das AG weiter,

  • abgesehen davon, dass es nicht angehe, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen, um irgendwelche Situationen aufnehmen zu können, die eine Straftat aufdecken könnten,
  • sei eine permanente Überwachung jeglichen öffentlich Raumes durch Privatbürger nicht zulässig, da dies in das Recht unbeteiligter Personen in schwerwiegender Weise eingreift, selbst bestimmen zu können, wo und wann man sich aufhält, ohne dass unbeteiligte Personen dies dokumentieren und bei Behörden verwenden würden (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 02.10.2017).

Versicherungsnehmer sollten wissen, dass von Versicherungen verwendete Versicherungsbedingungen auch unwirksam sein können

…. und deshalb im Zweifel immer einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu Rate ziehen.

Auch für die von Versicherungen verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen gilt nämlich, dass Klauseln nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind,

  • die den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und
  • sich eine solche unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt.

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt

  • nicht nur vor, wenn Klauseln nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind,
  • sondern auch, wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann,

weil die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen,

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann,

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen.

  • Bei der Beurteilung, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Transparenzgebot entsprechen oder nicht, sind diese so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, wobei

  • in erster Linie vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen ist und
  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zusätzlich zu berücksichtigen sind, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 – hingewiesen und im Fall eines Versicherungsnehmers,

  • der eine, um eine Forderungsausfalldeckung ergänzte private Haftpflichtversicherung abgeschlossen und
  • mit der Versicherung die Geltung der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung“ sowie die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflicht KLASSIK“ vereinbart hatte,

entschieden, dass

  • in der Forderungsausfallversicherung die Klausel „Inhalt und Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richten sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“ gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt,
  • soweit durch eine berufliche Tätigkeit des Schädigers verursachte Schäden nicht versichert sein sollen.

Wer haftet, wenn es in einem Freibad beim Springen von Badegästen von einem Sprungturm

…. mit mehreren übereinander liegenden Sprungplattformen zu einem Unfall kommt?

Verfügt ein Freibad über ein Sprungbecken sowie einen

  • Sprungturm mit drei übereinander liegenden Sprungplattformen in 5, 7,5 und 10 m Höhe,
  • bei dem die höher liegenden Sprungplattformen die jeweils darunter liegende Plattform um etwa 0,5 bis 1 m überragen,

verletzten

  • sowohl der Betreiber des Freibades als auch der vor Ort tätige und für die Aufsicht im Bereich des Sprungbeckens zuständige Bademeister

fahrlässig die sie treffende Verkehrssicherungspflicht, wenn

  • der Sprungbetrieb von allen drei Sprungebenen gleichzeitig freigegeben wird und
  • die Organisation des Sprungbetriebs den Springern selbst überlassen bleibt.

Darauf hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 21.09.2017 – 2 U 11/17 – hingewiesen und in einem solchen Fall, in dem

  • die Reihenfolge, in der von den verschiedenen Ebenen des Sprungturms gesprungen wurde, von den Badegästen in eigener Regie durch Zuruf geregelt und

ein Badegast tödlich verletzt worden war,

  • weil sein Ruf vor dem Sprung von der 5-Meter-Plattform „5er springt“ von einem anderen Badegast nicht gehört worden,
  • dieser deshalb unmittelbar danach von der 10-Meter-Plattform gesprungen und
  • beim Eintauchen in das Becken mit der Schulter gegen den Kopf des vor ihm von der 5-Meter-Plattform gesprungenen und gerade wieder auftauchenden Badegastes geprallt war,

entschieden, dass

  • der Betreiber des Freibades und der Bademeister als Gesamtschuldner der Ehefrau und den zwei minderjährigen Kinder des tödlich Verunglückten 75% der Beerdigungskosten sowie ihrer Unterhaltsansprüche ersetzen müssen und
  • den tödlich Verunglückten, da er trotz der offenkundigen Gefährlichkeit am Sprungbetrieb teilgenommen hat, ein mit 25% zu bewertendes Mitverschulden trifft (Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 21.09.2017).

Kann ein Wohnungsvermieter wegen beabsichtigter wirtschaftlicher Verwertung des Grundstücks einem Mieter kündigen?

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann einem Wohnungsmieter von seinem Vermieter

  • wegen eines berechtigtes Interesses an der Beendigung des Wohnraummietverhältnisses

dann gekündigt werden, wenn

  • der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert

und

  • der Vermieter selbst (nicht ein Dritter) dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde,
    • wobei die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, außer Betracht bleibt und
    • der Vermieter sich auch nicht darauf berufen kann, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

Drohen dem Vermieter – aufgrund der von ihm in dem Kündigungsschreiben aufgeführten Gründe (vgl. hierzu § 573 Abs. 3 BGB) – bei Fortbestand des Mietverhältnisses

  • keine erheblichen Nachteile im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB

ist eine Verwertungskündigung unwirksam.

Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietverhältnisses andernfalls ein „erheblicher Nachteil“ entstehen würde, ist zu beachten, dass

  • nicht nur die Rechtsposition des Vermieters,
  • sondern auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters

von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt ist.

Das bedeutet einerseits,

  • dass sein Eigentum dem Vermieter keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung oder Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeit gewährt, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht

und andererseits,

  • dass die dem Vermieter bei Fortbestand des Mietverhältnisses entstehenden Nachteile keinen Umfang annehmen müssen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen,
    • also das Kündigungsrecht des Eigentümers bei einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB insbesondere nicht auf Fälle andernfalls drohenden Existenzverlusts reduziert werden darf.

Darauf hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2017 – VIII ZR 243/16 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 27.09.2017 – Nr. 152 /2017 –).