…. auf ihr Grundstück herüberragen.
Mit Urteil vom 11.06.2021 – V ZR 234/19 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass Grundstückseigentümer, wenn
- von auf dem Nachbargrundstück stehenden Bäumen Äste oder Zweige auf ihr Grundstück ragen,
- dieser Überhang die Nutzung ihres Grundstücks objektiv und nicht nur gänzlich unerheblich (unmittelbar oder mittelbar, wie durch den Abfall von Laub, Nadeln oder Zapfen und ähnlichem) beeinträchtigt (§ 910 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und
- dem Besitzer des Nachbargrundstücks zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Überhangs (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) gesetzt war,
von ihrem Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB,
- sofern dieses nicht durch naturschutzrechtliche Beschränkungen, etwa durch Baumschutzsatzungen oder -verordnungen, eingeschränkt ist,
auch dann Gebrauch machen
- und die auf ihr Grundstück herüberragenden Äste und Zweige im Bereich über ihrem eigenem Grundstück selbst abschneiden und behalten
dürfen, wenn durch das Abschneiden überhängender Äste
- das Absterben des Baums oder
- der Verlust seiner Standfestigkeit
droht.
Begründet hat der Senat dies damit, dass das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB
- nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein sollte und daher insbesondere
keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung unterliegt, zudem Eigentümer von Grundstücken auf denen Bäume stehen, dafür verantwortlich sind, dass
- Äste und Zweige nicht über die Grenze ihres Grundstücks hinauswachsen
und Grundstückseigentümer,
- die ihrer diesbezüglichen Verantwortung im Rahmen der Bewirtschaftung seines Grundstücks nicht nachkommen und Zweige von Bäumen über die Grundstücksgrenze wachsen lassen,
von ihrem Nachbarn nicht verlangen können,
- das Abschneiden zu unterlassen und
- die Beeinträchtigung durch den Überhang hinzunehmen (Quelle: Pressemitteilung des BGH).
Übrigens:
Grundstückseigentümer, die es zulassen, dass Zweige über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen und zu Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks führen, sind,
- wegen nicht ordnungsgemäßer Bewirtschaftung ihres Grundstücks
als Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB anzusehen.
Der Beseitigungsanspruch
und das Selbsthilferecht des Grundstückeigentümers
- aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB
stehen gleichrangig nebeneinander.
Die Beeinträchtigung des Grundstücks durch den Überhang, die Voraussetzung sowohl für den Beseitigungsanspruch als auch für das Selbsthilferecht ist, muss
- nicht unmittelbar durch den Überhang hervorgerufen werden,
sondern kann
- auch liegen in dem Abfallen von Laub, Nadeln und ähnlichem.
Ob der Eigentümer eines Grundstücks vom Nachbargrundstück herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, wenn die Störung
- allein in einem Laub-, Nadel- oder Zapfenabfall und ähnlichem besteht,
bestimmt sich – vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen eines Rückschnitts – allein
- nach § 910 Abs. 2 BGB und
- nicht nach § 906 BGB.
Dass die Beeinträchtigung unwesentlich ist, muss im Streitfall der
darlegen und beweisen.
Gehindert an
- der Ausübung des Selbsthilferechts aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw.
- der Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB
kann der durch den Überhang beeinträchtigte Grundstückseigentümer sein durch
- das öffentliche Naturschutzrecht (vgl. § 39 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG)) oder
- auch das Landes- und Gemeinderecht.
Steht beispielsweise eine wirksame Baumschutzsatzung dem Rückschnitt des Überhangs entgegen und ist eine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot
- die der Grundstückseigentümer im Übrigen auch selbst beantragen kann,
nicht möglich, ist
- eine Verurteilung zur Beseitigung ebenso ausgeschlossen,
- wie das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Der Anspruch eines Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste
unterliegt
- – im Gegensatz zu dem Selbsthilferecht nach § 910 Abs.1 Satz 2 BGB –
der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB,
Beachte:
Für Laub und Nadeln, die abfallen,
- von einem Überhang, gilt mit § 910 Abs. 2 BGB ein anderer Maßstab
als für Laub- und Nadelabfall, der ausgeht von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Baum,
- dessen Äste nicht über die Grundstücksgrenze hinausragen (vgl. hierzu