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Wichtige BGH-Entscheidung, die, sollte sich eine gekaufte Sache nach der Übergabe als mangelhaft erweisen

…. sowohl Käufer als auch Verkäufer kennen sollten.

Mit Urteil vom 26.08.2020 – VIII ZR 351/19 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn ein Käufer, 

  • der nach der Übergabe der Kaufsache feststellt, dass diese einen bei der Übergabe bereits vorhanden gewesenen Mangel (§ 434 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) aufweist und weil 
    • dieses Recht nicht nach § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, 
    • kein wirksamer Haftungsausschluss nach § 444 BGB vereinbart wurde und 
    • die Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. § 438 BGB),, 

dem Verkäufer zur Nacherfüllung nach §§ 437 Nr.1, 439 Abs. 1 BGB

  • eine angemessene Frist nach §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB

setzt, d.h.,

  • einen Mangel rügt und 
  • binnen einer dafür angemessenen Frist,
    • entweder (was der Käufer frei wählen kann, solange der Verkäufer nicht nachweisen kann, dass er die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 4 BGB verweigern kann) die Beseitigung des gerügten Mangels
    • oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt,

die Nacherfüllungsfrist vom Verkäufer  

  • nicht bereits dann gewahrt ist, wenn dieser innerhalb der Frist die Leistungshandlung erbracht hat,
  • sondern nur, wenn auch der Leistungserfolg eingetreten ist,
    • also bei dem Verlangen einen Mangel zu beseitigen, dieser Mangel innerhalb der Frist auch vollständig beseitigt und die erfolgte Mangelbeseitigung fachgerecht ausgeführt worden ist.  

Ist die Nacherfüllungsfrist so bemessen, dass der Verkäufer 

  • bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, 
  • sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann, 

kann der Käufer 

  • nach erfolglosem Fristablauf 

sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadens- oder Aufwendungsersatz) geltend machen, also beispielsweise

  • nach § 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1, § 323 Abs. 1, §§ 346 ff. BGB 

vom Kaufvertrag zurücktreten, 

  • sofern der verbliebene Mangel nicht als unerheblich bzw. geringfügig im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen ist,

ohne dass er gehalten ist, 

  • zuvor dem Verkäufer eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen.

Allerdings kann ein Käufer, der eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte, dann, wenn er

  • die Frist nach erfolglosem Ablauf verlängert oder
  • sein Einverständnis damit erklärt hat, dass die Mangelbeseitigung erst später vorgenommen wird,

den Rücktritt vom Vertrag nachfolgend nicht mehr darauf stützen, dass der Mangel nicht innerhalb der ursprünglich vorgesehenen Frist beseitigt worden ist.

Fazit:
Ein 

  • zweimaliges

Fehlschlagen der Nachbesserung, 

  • wie es § 440 Satz 2 BGB vorsieht,

ist danach  

  • nur (noch) Rücktrittvoraussetzung, 

wenn der Käufer 

  • sein Nachbesserungsverlangen nicht mit einer Fristsetzung verbunden hatte (beispielsweise weil ihm zunächst allein an einer Nacherfüllung gelegen war) und
  • er sich auch nicht mit Erfolg auf die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung nach §§ 323 Abs. 2, 281 Abs. 2 BGB berufen kann.

Dieselgate: BGH hat Verhandlungstermin vom 27.10.2020 im Dieselverfahren gegen die Daimler AG aufgehoben und

…. in einem anderen Verfahren mit ähnlicher rechtlicher Problematik Verhandlungstermin auf 14.12.2020 bestimmt. 

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat den Termin vom 27.10.2020 aufgehoben, in dem er über eine Klage 

  • gegen die Daimler AG auf Schadensersatz 

wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verhandeln wollte, die 

  • von einem Fahrzeugkäufer  

mit der Begründung erhoben worden war, dass der von ihm am 04.02.2017 von einem privaten Verkäufer zu einem Preis von 13.000,- € erworbene, gebrauchte Mercedes-Benz C 220 CDI von der Fahrzeugherstellerin, der Daimler AG,

  • mit eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters ausgestattet worden sei. 

Termin zur Verhandlung in einem anderen Verfahren mit ähnlicher rechtlicher Problematik hat der BGH anberaumt auf 14.12.2020.

In diesem Verfahren verlangt der Käufer, 

  • der am 11.02.2016 von einem Vertragshändler der beklagten Daimler AG ein gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ Mercedes-Benz E 350 CDI erworben hat, 

von der Daimler AG 

  • die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs,

mit der Begründung, dass das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters verfüge, die durch eine Reduzierung der Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen bewirke, dass  

  • die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Besitzer eines PKW Mercedes Benz mit Dieselmotor, 

  • die ebenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG gerichtlich geltend machen möchten, 

beraten wir über das mögliche Vorgehen gern.

Wer einen abgeschlossenen Mitgliedsvertrag bei der Online-Partnervermittlung Parship fristgerecht widerrufen und

…. vor dem Widerruf Leistungen gewünscht und erhalten hat, sollte wissen, was ihm hierfür von Parship in Rechnung gestellt werden darf. 

Ist mit der die 

  • Partnervermittlungs-Website Parship 

betreibenden PE Digital GmbH ein Vertrag abgeschlossen worden, beispielsweise über eine, 

  • die automatisierte Erstellung einer Auswahl von Partnervorschlägen aus demselben Bundesland, ausgehend von einem etwa 30-minütigen Persönlichkeitstest zu partnerschaftsrelevanten Eigenschaften, Gewohnheiten sowie Interessen und 
  • das Zustandekommen einer bestimmten Anzahl von Kontakten zu anderen Nutzern beinhaltende,

Premium-Mitgliedschaft für zwölf Monate zu einem Preis von 523,95 Euro und wird der Vertragsschluss nachfolgend fristgerecht 

  • beispielsweise nach vier Tagen,

widerrufen, gilt, wenn der Kunde den Beginn der Ausführung des geschlossenen Vertrages 

  • bereits während der Widerrufsfrist 

gewünscht hatte, für den Wertersatz, den die PE Digital GmbH für 

  • schon vor dem Widerruf 

erbrachte Leistungen verlangen kann

aufgrund der Richtlinie 2011/83/EU Folgendes: 

Die PE Digital GmbH darf 

  • für vor dem Widerruf gewünschte und erbrachte Leistungen 

grundsätzlich lediglich den, 

  • unter Berücksichtigung der für die vertragliche Hauptleistung und die Nebenleistungen vereinbarten Preise bzw. des für alle dieser Leistungen vereinbarten Gesamtpreises zu ermittelnden,  

zeitanteiligen Betrag in Rechnung stellen,

  • in dem obigen Beispielsfall wäre das, ausgehend von dem vereinbarten Gesamtpreis von 523,95 Euro für zwölf Monate, der davon auf vier Tage entfallende Betrag (523,95 Euro : 365 Tage x 4 Tage = 5,74 Euro),

und kann nur dann, 

  • wenn in dem geschlossenen Vertrag ausdrücklich vorgesehen war, dass 
    • eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und 
    • gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, 

den vollen für eine solche Leistung vorgesehenen Betrag verlangen. 

Übrigens:
War der Gesamtpreis für eine Mitgliedschaft überhöht, was, so der EuGH, unter Berücksichtigung

  • des Preises für die Dienstleistung, den die PE Digital GmbH anderen unter den gleichen Bedingungen anbietet und 
  • des Preises einer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von anderen Unternehmern erbrachten gleichwertigen Dienstleistung

zu beurteilen ist, ist, 

  • statt des überhöhten Gesamtpreises 

als Grundlage für die Ermittlung des Wertersatzes der Marktwert heranzuziehen. 

Dieselgate: BGH hat Termin anberaumt zur Verhandlung darüber, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche

…. von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hat.  

Am 14.12.2020 – VI ZR 739/20 – wird der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über einen Fall verhandeln, in dem von einem Käufer, der im April 2013 einen 

  • mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 und 
  • einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten 

VW Touran erworben und nachfolgend im April 2015 Kenntnis erlangt hatte, 

  • von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal sowie 
  • dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war, 

im Jahr 2019 Klage gegen die VW AG

  • auf Schadensersatz aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 
  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung  

eingereicht und von der VW AG 

  • die Einrede der Verjährung 

erhoben worden war.

Entscheiden muss der BGH, ob die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB durchgreift, also ob 

  • die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB)   

für den Schadensersatzanspruch des Fahrzeugkäufers gegen die VW AG 

  • bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hatte und Verjährung somit mit Ablauf des Jahres 2018 eingetreten ist oder 
  • ob das nicht der Fall war. 

Diese Entscheidung wird,

  • da nach § 199 BGB die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem
    • der Anspruch entstanden ist und
    • der Fahrzeugkäufer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste,

davon abhängen, ob schon im Jahr 2015 für den Fahrzeugkäufer, 

  • aufgrund der ihm damals bekannten Umstände

eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung gegen die VW AG zumutbar war (Quelle: Pressemitteilung des BGH).   

Übrigens:
Ob bereits mit Schluss des Jahres 2015 die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG begonnen hat, wird von den Gerichten bisher unterschiedlich beurteilt.  

So ist der Schadensersatzanspruch in obiger Sache 

  • in I. Instanz vom Landgericht (LG) Stuttgart für nicht verjährt, 
  • in II. Instanz vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart aber für verjährt

erachtet worden und das OLG Oldenburg hat mit Urteil vom 30.01.2020 – 1 U 131/19, 1 U 137/19 – entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist 

  • für Schadensersatzansprüche von Käufern von vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselfahrzeugen gegen die VW AG 

erst mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen hat, da die Fahrzeugkäufer Kenntnis erlangt haben 

  • von der Mangelhaftigkeit ihrer Fahrzeuge zwar schon im Jahr 2015, nachdem 
    • von VW im September 2015 mitgeteilt worden war, dass es bei dem Motor EA 189 „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ gebe,
  • von den Umständen, aufgrund derer eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung wegen vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung zumutbar war, jedoch erst im Jahr 2016, weil
    • der Konzern bestritten habe, dass der VW-Vorstand oder andere Personen in verantwortlicher Stellung davon gewusst hätten und
    • der Umfang des Gesamtkomplexes erst im Laufe des Jahre 2016 durch die Medien, Staatsanwaltschaften und Rechtsanwälte aufgeklärt worden sei,

somit also Schadensersatzansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt sind. 

Jugend(straf)recht: Bei wem wird es angewandt und welche Ahndungsmöglichkeiten sieht das Jugendrecht vor?

Eine Ahndung nach Jugendrecht kommt in Betracht bei Tätern, die bei Begehung der angeklagten Tat(en) 

  • vierzehn Jahre alt waren und 
  • mindestens eine der angeklagten Taten vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstag begangen haben (§ 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)).

Das Jugendstrafrecht wird, 

  • im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht 

vom Erziehungsgedanken geleitet, hat zum Ziel

  • Nacherziehung und Integration, 
  • d.h. die Herbeiführung einer Einstellungs- und Verhaltensänderung 

und setzt demzufolge auch wesentlich auf 

  • normverdeutlichende, fördernde und Defizite ausgleichende, sowie helfende Maßnahmen.

Heranwachsende, d.h. Täter, die bei Begehung der angeklagten Tat(en) 

  • bereits achtzehn, 
  • aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren,

werden nur dann nach Jugendrecht geahndet, wenn 

  • entweder die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr.1 JGG bei ihnen vorlagen, 
    • d.h. die Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass sie zum Zeitpunkt der Begehung der Tat(en) nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch Jugendlichen gleichstanden
  • oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der begangenen Tat um eine Jugendverfehlung i.S.v. § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG gehandelt hat, d.h. um eine Tat, 
    • die entweder schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die Merkmale jugendlicher Unreife aufweist oder 
    • die durch die Motivation bzw. die Veranlassung als typische Jugendverfehlung gekennzeichnet wird.

Als Ahndungsmöglichkeiten sind im JGG vorgesehen,

  • die Erteilung von Erziehungsmaßregeln nach §§ 9 bis 12 JGG in Form 
    • von Weisungen und 
    • der Anordnung Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen,
  • Zuchtmittel nach §§ 13 bis 16 JGG in Form 
    • einer Verwarnung, 
    • der Erteilung von Auflagen und/oder 
    • der Verhängung von Jugendarrest, als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest von mindestens einer Woche und höchstens vier Wochen,
  • die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 JGG 
    • für die Dauer von nicht unter einem Jahr und nicht über zwei Jahren (§ 28 Abs. 1 JGG), wobei 
    • der Täter für die Dauer oder eines Teils der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt wird und 
    • ihm Weisungen und Auflagen nach §§ 29 Satz 2, 23 JGG erteilt werden können,
  • die Verhängung von Jugendstrafe nach §§ 17 Abs. 2, 18 JGG 

sowie

  • die Erteilung von Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 7 Abs. 1 JGG in Form  
    • der Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus (§ 61 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB)),
    • der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nr. 2 StGB), 
    • der Führungsaufsicht§ 61 Nr. 4 StGB und 
    • der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 61 Nr. 5 StGB). 

Jugendstrafe darf nach § 17 Abs. 2 JGG nur verhängt werden, wenn 

  • wegen schädlicher Neigungen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln (vgl. §§ 9 – 12 JGG) oder Zuchtmittel (vgl. §§ 13 – 16 JGG), die gemäß § 8 Abs. 1 JGG, von der dort genannten Ausnahme abgesehen, auch nebeneinander angeordnet werden können, zur Erziehung nicht ausreichen 

oder 

  • wegen der Schwere der Schuld und (überdies) aus erzieherischen Gründen, Jugendstrafe erforderlich ist.

Wird Jugendstrafe verhängt, 

  • deren Mindestmaß sechs Monate sowie 
  • deren Höchstmaß 
    • fünf Jahre und 
    • zehn Jahre dann beträgt, wenn es sich bei der Tat um ein Verbrechen handelt (§ 12 Abs. 1 StGB) handelt, für das nach dem allgemeinen Strafrecht Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren angedroht ist (§ 18 Abs. 1 JGG), 

ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass sie die 

  • erforderliche erzieherische Einwirkung 

ermöglicht (§ 18 Abs. 2 JGG). 

Zur Bewährung ausgesetzt wird die Vollstreckung einer verhängten Jugendstrafe (§ 21 JGG) 

  • von nicht mehr als einem Jahr, wenn 
    • die Sozialprognose günstig ist, d.h., zu erwarten ist, dass der Täter sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird

sowie bei einer solchen günstigen Sozialprognose, auch eine verhängte Jugendstrafe

  • die ein Jahr, 
  • aber nicht zwei Jahre übersteigt, wenn 
    • die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen nicht geboten ist.

Bei einer Strafaussetzung 

  • beträgt die Bewährungszeit mindestens zwei und höchstens drei Jahre (§ 22 Abs. 1 Satz 2 JGG),
  • wird der Täter in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt (§ 24 Abs. 1 Satz 1JGG) und
  • sollen ihm Weisungen und/oder Auflagen nach § 23 JGG erteilt werden.

Neben 

  • der Aussetzung der Verhängung oder der Vollstreckung einer Jugendstrafe zur Bewährung,

kann nach § 16a Abs. 1 JGG Jugendarrest verhängt werden, wenn dies geboten ist,

  • um, unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen, dem Täter seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen,
  • um den Täter zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten 

oder

  • um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Täter zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen.

Wird eine Jugendstrafe verhängt, 

  • die zwei Jahre übersteigt, 

ist eine Aussetzung zur Bewährung nicht möglich.

AG Frankfurt entscheidet, wann alkoholisierten Fluggästen die Mitnahme auf einem Flug verweigert werden darf

Mit Urteil vom 27.05.2020 – 32 C 784/19 (89) – hat das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem einem Ehepaar,

  • das bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Bogota nach Stuttgart in der Business Class gebucht hatte,

von dem Flugkapitän die Beförderung auf dem Flug verweigert worden war, 

  • weil die Ehefrau bei Betreten des Flugzeugs alkoholbedingte Ausfallerscheinungen aufwies, nach einem Wortwechsel die Anweisung des Pursers, das Flugzeug zu verlassen ignoriert, diesen mit ihrem Finger körperlich an der Schulter attackiert sowie versucht hatte, den herbeigerufenen Flugkapitän am Revers zu greifen, 

entschieden, dass

  • dieses Verhalten im Flugzeug hinreichenden Anlass zur Beförderungsverweigerung durch den Flugkapitän gegeben habe 

und 

  • wegen Verursachung der Nichtbeförderung durch ihr eigenes Verhalten,

die Klage der Eheleute gegen das Flugunternehmen 

  • auf Entschädigungsleistung nach der Fluggastrechteverordnung und 
  • weiteren Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Nichtbeförderung 

abgewiesen.

Danach darf der Flugkapitän 

  • – im Rahmen der ihm durch § 12 Abs. 2 Luftsicherheitsgesetz verliehenen Polizeigewalt –

Fluggästen, deren

  • alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder deren alkoholbedingtes aggressives Verhalten 

geeignet ist die Luftsicherheit zu gefährden bzw. bei denen 

  • aufgrund ihrer alkoholbedingten Ausfallerscheinungen oder ihres alkoholbedingten aggressiven Verhaltens 

die begründete Gefahr besteht, 

  • dass sie Sicherheitsanordnungen nicht Folge leisten werden oder
  • dass es bei ihnen zu gesundheitlichen Problemen während des Fluges kommen könnte,

die Mitnahme auf einem Flug verweigern und haben Fluggäste dann,

  • wenn eine solche Nichtbeförderungsentscheidung vom Kapitän ermessensfehlerfrei getroffen wurde,  

weder Ansprüche auf Schadensersatz, noch auf Ansprüche nach der FluggastrechteVO (so auch AG München, Urteil vom 23.07.2019 – 182 C 18938/18 –).

Supermarktbetreiber muss Kundin, die nach maschinellen Bodenreinigungsarbeiten gestürzt war, Schmerzensgeld zahlen

Mit Urteil vom 16.07.2020 – 24 O 76/18 – hat das Landgericht (LG) Coburg in einem Fall, in dem eine Kundin zwischen dem Kassenbereich und der Ausgangstür eines Supermarktes, 

  • unmittelbar nachdem dort ein Mitarbeiter des Supermarktes den Boden mit einer Reinigungsmaschine gesäubert hatte, 

auf dem Feuchtigkeitsfilm,

  • der bei Verwendung einer Reinigungsmaschine stets für kurze Zeit zurückbleibt,

ausgerutscht sowie gestürzt war und sich dabei verletzt hatte, der Klage der Kundin gegen den Supermarktbetreiber 

  • auf Zahlung von Schmerzensgeld 

stattgegeben.

Schadensersatzpflichtig,

  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht,

hat sich der Supermarktbetreiber danach deswegen gemacht, weil die Rutschgefahr an der Sturzstelle,

  • infolge des bei der maschinellen Bodenreinigung für kurze Zeit zurückbleibenden Feuchtigkeitsfilms

erhöht war, damit die Kundin, 

  • selbst wenn sie die Reinigungsarbeiten wahrgenommen hatte, mangels Kenntnis der Funktionsweise einer Reinigungsmaschine, 

nicht rechnen musste, 

  • zum Schutz der Kunden vor dieser erhöhten Rutschgefahr, 

entweder 

  • der betroffene Bereich hätte gesperrt

oder zumindest

  • Warnschilder hätten aufgestellt werden müssen 

und nach Auffassung des LG das Unterlassen dieser Sicherungsmaßnahmen für den Sturz der Kundin 

  • ursächlich

war (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg).

Dieselgate: OLG Naumburg verurteilt Daimler AG wegen Verwendens einer unzulässigen Abschalteinrichtung

…. zum Schadensersatz gegenüber dem Käufers eines PKW Mercedes Benz GLK 220 CDI. 

Mit Urteil vom 18.09.2020 – 8 U 8/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg in einem Fall, in dem ein Käufer einen gebrauchten PKW 

  • Mercedes Benz GLK 220 CDI mit einem darin verbauten Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) 

erworben und von der Daimler AG 

  • mit der Begründung, dass das von ihr hergestellte Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise,

Schadensersatz verlangt hat, entschieden, dass der Fahrzeugkäufer von der Daimler AG 

  • vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden ist 

und deswegen die Daimler AG dem Fahrzeugkäufer 

  • nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)  

Schadensersatz 

  • in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrages 

leisten muss (Quelle: beck-aktuell HEUTE IM RECHT).

Übrigens:
Einen bereits beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängigen vergleichbaren Fall, in dem 

  • ebenfalls ein Käufer eines gebrauchten Mercedes-Benz C 220 CDI die Daimler AG wegen Verwendens einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz verklagt hat, 

wird der BGH am 

  • 27.10.2020 

verhandeln (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Besitzer eines PKW Mercedes Benz mit Dieselmotor, die ebenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG gerichtlich geltend machen möchten, wird empfohlen, 

  • um das Prozessrisiko zu minimieren

noch diese höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. 

  • Über das mögliche Vorgehen beraten wir Sie gern.

LG München I entscheidet: Betriebsschließungsversicherung muss wegen Corona-bedingter Gastwirtschaftsschließung Millionenentschädigung

…. an Gastwirt zahlen.

Mit Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I im Fall eines Gastwirts, der 

  • Anfang März 2020 im Hinblick auf die Corona-Pandemie bei dem Bayerischen Versicherungsverband/Versicherungskammer Bayern 

eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hatte und dessen Gastwirtschaft Corona-bedingt

  • auf Grundlage einer Allgemeinverfügung vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21.03.2020, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlagen in §§ 28 – 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG), für 30 Tage bis Mitte Mai 2020 

vollständig geschlossen worden war, entschieden, dass die Versicherung dem Gastwirt 

  • wegen der Corona-bedingten Betriebsschließung

eine Entschädigung in Höhe von 1.014.000,00 € zahlen muss.

Als Leistungspflichtig hat die Kammer die Versicherung in diesem Fall deshalb angesehen, weil  

  • der Versicherungsvertrag von den Parteien während der Pandemie und im Hinblick darauf abgeschlossen worden war,

nach § 1 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen (AVB) Versicherungsschutz bestehen sollte, 

  • wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb […] schließt,

aufgrund dessen der Versicherungsnehmer nach Ansicht der Kammer davon ausgehen konnte, dass 

  • der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist sowie sich mit dem IfSG deckt,

und nachfolgende den Versicherungsschutz einschränkende AVB-Klauseln, 

  • die dem Versicherungsnehmer wie vorliegend nicht deutlich vor Augen führen, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotzdem besteht, 

wegen Intransparenz unwirksam sind.

Hingewiesen hat die Kammer ferner darauf, dass 

  • es für die Leistungspflicht der Versicherung nicht auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ankommt, 
  • die Leistungspflicht der Versicherung kein Vorgehen des Versicherten gegen die Schließungsanordnung voraussetzt,
  • es nicht erforderlich ist, dass das Corona-Virus in dem geschlossenen Betrieb aufgetreten ist, sondern es lediglich darauf ankommt, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vollständig geschlossen worden ist, 
  • ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft ist, keine unternehmerische Alternative darstellt, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen muss

und

  • im Hinblick auf die Höhe der von der Versicherung zu zahlenden Entschädigung weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen seien, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele (Quelle: Pressemitteilung des LG München I).

Übrigens:
Ob bei erfolgter Corona-bedingter Betriebsschließung die Betriebsschließungsversicherung für eingetretene Verluste zahlen muss, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hängt ab,

  • von der Formulierung der Versicherungsbedingungen 

und ob die Versicherungsbedingungen 

  • wirksam oder
  • wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam sind,
    • wobei sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt (§ 307 Abs. 1 BGB). 

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht nur dann vor, wenn 

  • Klauseln in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind, 

sondern auch, wenn 

  • sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann, weil 
    • die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Ferner verlangt das Transparenzgebot, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, 

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und 
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann, 

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 –).

Haben Sie Fragen?  Wir beraten Sie gerne.

BSG entscheidet wann Anspruch auf Opferentschädigung bei Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft besteht

Mit Urteil vom 24.09.2020 – B 9 V 3/18 R – hat das Bundesozialgericht (BSG) die Klage eines, durch ein fetales „Alkohol-Syndrom“, 

  • aufgrund des Alkoholkonsums der Mutter in der Schwangerschaft

schwerbehindert zur Welt gekommenen Kindes auf Beschädigtenversorgung 

  • nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz)

mit der Begründung abgewiesen, dass zwar  

  • vom Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes auch die Leibesfrucht (nasciturus) umfasst ist und 

ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft einen 

  • tätlichen Angriff auf das ungeborene Kind 

oder eine 

  • gleichgestellte Beibringung von Gift 

im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Opferentschädigungsgesetz darstellen kann, dies jedoch nur dann der Fall ist, wenn der Alkoholkonsum einer Schwangeren auf 

  • einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft (§§ 218 Abs. 4 Satz 1, 22 Strafgesetzbuch (StGB)),
  • also eine versuchte Tötung des ungeborenen Kindes 

gerichtet war und das der Mutter nicht nachgewiesen werden konnte.

Das bedeutet, Opferentschädigung bei 

  • Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft 

ist grundsätzlich möglich, setzt aber voraus, dass die Mutter zumindest 

  • mit bedingtem Vorsatz zum Schwangerschaft Alkohol konsumiert, d.h. 

den Tod des ungeborenen Kindes infolge ihres Alkoholkonsums 

  • als möglich angesehen und 
  • billigend in Kauf genommen

haben muss (Quelle: Pressemitteilung des BSG).