Verwaltungsrecht – Lässt die Polizei ein Kfz zur Eigentumssicherung auf einen (amtlichen) Verwahrplatz abschleppen muss der Kfz-Halter die Kosten der Abschleppmaßnahme tragen.

Verwaltungsrecht – Lässt die Polizei ein Kfz zur Eigentumssicherung auf einen (amtlichen) Verwahrplatz abschleppen muss der Kfz-Halter die Kosten der Abschleppmaßnahme tragen.

Veranlasst die Polizei, nachdem sie bei einem geparkten Fahrzeug feststellt hat, dass eine Seitenscheibe vollständig heruntergelassen ist, sich Wertgegenstände im Fahrzeuginneren befinden und es nicht möglich ist, das Seitenfenster zu verschließen, zur Eigentumssicherung das Abschleppen des Kfz auf den (amtlichen) Verwahrplatz, muss der Kfz-Halter die Kosten für die Abschleppmaßnahme tragen.
Allerdings ist bei einer solchen Abschleppmaßnahme (Sicherstellung) zur Eigentumssicherung schon unter Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme und des in Art. 2 Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes in der Regel eine vorhergehende Benachrichtigung des Kfz-Halters oder jedenfalls deren Versuch erforderlich, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine privaten Rechte selbst zu wahren.

Darauf hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 11.12.2013 – 10 B 12.2569 – hingewiesen.

Gemäß Art. 9 Abs. 2 S. 1 PAG erhebt die Polizei für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme von dem für die Störung (nach Art. 7 oder 8 PAG) Verantwortlichen die Kosten (Auslagen und Gebühren; zu dieser Rechtsgrundlage für die Auferlegung von Abschleppkosten vgl. z. B. BayVGH, Urteil vom 22.10.2008 – 10 B 08.1984 –).

Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung (Art. 9 Abs. 1 S. 1 PAG) einer Sicherstellung eines Fahrzeugs nach Art. 25 Nr. 2 PAG sind gegeben, wenn

  • im Zeitpunkt der Durchführung der Abschleppmaßnahme ein Sachverhalt vorliegt, bei dem eine polizeiliche Sicherstellungsanordnung nach Art. 25 Nr. 2 PAG (Grundverfügung) selbst rechtmäßig gewesen wäre und
  • der Zweck der Maßnahme durch die Inanspruchnahme des Kfz-Halters als nach Art. 7 oder Art. 8 PAG Verantwortlichen nicht bzw. jedenfalls nicht rechtzeitig erreicht werden konnte.

Gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG kann die Polizei – im Rahmen der ihr gemäß Art. 2 Abs. 2 PAG (subsidiär) obliegenden Aufgabe des Schutzes privater Rechte – ein Kraftfahrzeug sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung zu schützen.
Die Anwendung dieser Befugnisnorm kann insbesondere in Betracht kommen, wenn eine wertvolle Sache dem direkten Zugriff Dritter ungeschützt ausgesetzt ist.
Das Tätigwerden der Polizei ist in diesem polizeilichen Aufgabenbereich allerdings stets subsidiär gegenüber möglichen eigenen Schutzmaßnahmen des betroffenen Privaten.

In dem vom BayVGH entschiedenen Fall durften bzw. mussten die Polizeibeamten nach den gesamten Umständen zum Zeitpunkt ihres Handelns davon ausgehen,

  • dass der Eintritt eines Schadens im Sinne des Art. 25 Nr. 2 PAG hinreichend wahrscheinlich war,
  • die Sicherstellung des Kfz demzufolge auch dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten (Kfz-Halter) diente, weil sie dessen objektiven Interesse entsprach (zu dieser Voraussetzung vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 03.05.1999 – 3 B 48.99 –),
  • dem Kfz-Halter weniger beeinträchtigende geeignete Sicherungsmaßnahmen am Kfz nicht möglich waren (s. Art. 4, Art. 5 Abs. 2 PAG) und
  • der Kfz-Halter als Eigentümer bzw. rechtmäßiger Inhaber der tatsächlichen Gewalt des gegen den unberechtigten Zugriff Dritter nicht hinreichend gesicherten Kfz auch nicht in der Lage war, den drohenden Schaden zu verhindern.

Bei der von den Polizeibeamten zu treffenden Prognose, dass in der konkreten Situation bei Nichteingreifen eine Beeinträchtigung des Eigentums oder (rechtmäßigen) Besitzes des vom Kläger in der W-straße abgestellten Kfz durch Verlust (Diebstahl) oder Beschädigung hinreichend wahrscheinlich ist, sind maßgebend die der Polizei zum Zeitpunkt ihres Handelns zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.
Eine „gegenwärtige Gefahr“ wie nach Art. 25 Nr. 1 PAG ist darüber hinaus nicht zu fordern (zum Begriff der gegenwärtigen Gefahr vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –).

Ob die zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG – im Rahmen der Ermessensausübung (s. Art. 5 Abs. 1 PAG) – getroffene polizeiliche Sicherstellungsmaßnahme dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.05.1999 – 3 B 48.99 –) beurteilt sich nicht danach, ob sich die polizeiliche Maßnahme als „nützlich“ oder „unerwünscht“ darstellt, sondern vielmehr danach, ob sie dem objektiven Interesse des Berechtigten entspricht, was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann der Fall ist, wenn jeder Eigentümer sie bei besonnener Betrachtung als sachgerecht beurteilt hätte.  

Gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) verstößt die Maßnahme dann nicht, wenn den Beamten keine einfacheren Mittel zur Sicherung des Kfz zur Verfügung standen (s. Art. 4 Abs. 1 PAG) und die Sicherstellung auch nicht durch eine sofortige Benachrichtigung des Klägers vermieden werden konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –).
Unabhängig von der Frage, welchen Aufwand die Polizei mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) im Einzelnen sonst zur Ermittlung des Fahrzeugführers oder Fahrzeughalters betreiben muss, bevor sie das betroffene Fahrzeug abschleppen lassen darf, ist in den (Sonder-)Fällen der Eigentumssicherung schon unter Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme und des in Art. 2 Abs. 2 PAG zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes in der Regel eine vorhergehende Benachrichtigung des Halters oder jedenfalls deren Versuch erforderlich, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine privaten Rechte selbst zu wahren.
Ob dies einschränkend nur für Fälle gilt, in denen der Halter „geradezu in greifbarer Nähe erscheint“ (so noch BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –), musste der BayVGH hier nicht abschließend entscheiden.

 


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