Gerichtshof der Europäischen Union stärkt Verbraucherrechte

Gerichtshof der Europäischen Union stärkt Verbraucherrechte

Hat ein Verbraucher eine körperliche, bewegliche Sache von einem Händler gekauft und zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit der Lieferung ein Sachmangel i. S. v. § 434 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wird die dem Verbraucher obliegende Beweislast erleichtert, indem vermutet wird, dass die Sache bereits bei Lieferung mangelhaft war.

Diese Beweislasterleichterung zugunsten des Verbrauchers beruht auf der Feststellung, dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, als „eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit“ erweisen kann, während es in der Regel für den Gewerbetreibenden viel leichter ist, zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und dass sie beispielsweise auf unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist.

Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, ist der Verbraucher zunächst verpflichtet, den Verkäufer über das Vorliegen eines Sachmangels zu unterrichten, wobei, was den Inhalt dieser Mitteilung anbelangt, der Verbraucher in diesem Stadium nicht verpflichtet ist, den Beweis zu erbringen, dass der Sachmangel das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt.

  • Unter Berücksichtigung der Unterlegenheit, in der er sich hinsichtlich des Kenntnisstands über die Eigenschaften dieses Gutes und dessen Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs gegenüber dem Verkäufer befindet, kann der Verbraucher auch nicht verpflichtet sein, den genauen Grund für den Sachmangel anzugeben.
  • Damit die Mitteilung für den Verkäufer von Nutzen sein kann, muss sie hingegen eine Reihe von Angaben enthalten, deren Genauigkeitsgrad zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls, die sich auf die Art des fraglichen Gutes, den Inhalt des Kaufvertrags und das konkrete Auftreten der behaupteten Vertragswidrigkeit beziehen, unterschiedlich sein wird.

 

Im Übrigen muss der Verkäufer lediglich den Beweis erbringen,

  • dass die gekaufte Sache mangelhaft ist und
  • dass sich die in Rede stehende Mangelhaftigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung der Sache herausgestellt hat.

 

Sind diese Tatsachen erwiesen, ist der Verbraucher,

  • der weder den Grund für den Mangel, noch den Umstand, dass der Mangel dem Verkäufer zuzurechnen ist und auch nicht beweisen muss, welcher Mangel der Kaufsache für das nicht ordnungsgemäße Funktionieren ursächlich ist,

 

vom Nachweis befreit, dass die Mangelhaftigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand.
Das Auftreten eines Mangels in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass dieser Mangel zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn er sich erst nach der Lieferung der Sache herausgestellt hat.
Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, gegebenenfalls den Beweis zu erbringen, dass die Mangelhaftigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung der Sache noch nicht vorlag, indem er dartut, dass der Sachmangel seinen Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat.

Gelingt es dem Verkäufer nicht, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der erst nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist, erlaubt die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 aufgestellte Vermutung dem Verbraucher, seine Rechte aus der Richtlinie geltend zu machen.

Darauf hat die erste Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 04.06.2015 – C 467/13 – in einem Vorabentscheidungsersuchen

  • betreffend die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter

 

in einer Rechtssache hingewiesen,

  • in der ein Gebrauchtwagen, den eine Frau bei einem Autohaus gekauft hatte, vier Monate nach der Übergabe während einer Fahrt Feuer gefangen hatte und völlig ausgebrannt war, die Frau das Autohaus für den Schaden haftbar gemacht hatte und eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands nicht (mehr) durchgeführt werden konnte, da das Fahrzeug inzwischen, mit Wissen des Autohauses, verschrottet worden war.

 

Anmerkung:
Anderer Ansicht als der EuGH ist bzw. war bislang der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 329/03 –), der entschieden hat,  

  • dass, wenn der Käufer Rechte gemäß § 437 BGB geltend macht, nachdem er die Kaufsache entgegengenommen hat, ihn die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen trifft,
  • dass § 476 BGB insoweit für den Verbrauchsgüterkauf keine Beweislastumkehr enthält,
  • dass die Bestimmung einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraussetzt und
  • eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung begründet, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.

 


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