Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, Fahrzeugführer?

Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, Fahrzeugführer?

Mit Beschluss vom 20.02.2014 – 3 SsRs 607/13; 3 SsRs 607/13 – AK 220/13 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Senat für Bußgeldsachen, dem Bundesgerichtshof (BGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?“

Anlass für den Vorlagebeschluss war die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil eines Amtsgerichts, das den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons „als Fahrzeugführer“ zu der Geldbuße von 40 Euro verurteilt hatte, weil der Betroffene, als er sich als Fahrlehrer und Beifahrer auf einer Ausbildungsfahrt mit einer im Rahmen von mindestens sechs absolvierten Fahrstunden schon erfahrenen und in der Ausbildung fortgeschrittenen, am Steuer sitzenden Fahrschülerin seines Fahrschulfahrzeuges (Pkw) befand, während der Fahrt – beim Einbiegen in eine Straße nach rechts – über sein an das rechte Ohr gehaltenes Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hatte, wobei kein Anlass bestand, auf die bereits im Fahren geübte Fahrschülerin besondere Aufmerksamkeit zu verwenden.

An der Verwerfung der Rechtsbeschwerde sieht sich das OLG Karlsruhe gehindert durch die Entscheidung des 1. Bußgeldsenats des OLG Düsseldorf, der im Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 –, die Rechtsauffassung vertreten hat, dass der Fahrlehrer, der neben einer fortgeschrittenen Fahrschülerin sitzt und in der konkreten Situation nicht in das Fahrgeschehen eingreifen muss, nicht Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) sei.
Das OLG Karlsruhe kann aber auch nicht der Rechtsbeschwerde stattgeben und den Betroffenen aus rechtlichen Gründen freisprechen, weil es dann von der Entscheidung des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Bamberg abweichen müsste, der mit Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 – entschieden hat, dass der für die Verkehrsbeobachtung verantwortliche Fahrlehrer wegen seiner Pflicht, den Fahrschüler ständig zu beobachten, um notfalls sofort eingreifen zu können, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sei.

Das OLG Karlsruhe neigt dazu, sich der Auffassung des OLG Bamberg und nicht der Auffassung des OLG Düsseldorf anzuschließen (vgl. auch zu der ähnlichen Problematik bei § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. § 316 Strafgesetzbuch (StGB ): OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), weil es für die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG „nur“ bzw. „vor allem“ auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung (§ 18 StVG) bzw. auf die Strafnorm des § 21 StVG es – soweit ersichtlich – keine greifbaren Anhaltspunkte gibt.
Im Übrigen steht der Auffassung, der Fahrzeuglehrer könne erst dann als Kraftfahrzeugführer angesehen werden, wenn er konkret in das Verkehrsgeschehen eingreife (beispielsweise durch Bremsen oder Steuern mittels des Lenkrads) die Erwägung entgegen, dass der (infolge Haltens eines Mobiltelefons) eingeschränkt eingriffsbereite Fahrlehrer oder der (etwa infolge Konsums alkoholischer Getränke) in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigte Fahrlehrer die Situation, in der ein Eingreifen in das Verkehrsgeschehen geboten ist, möglicherweise nicht erkennt bzw. nicht auf sie reagiert und damit nicht Führer des Kraftfahrzeuges wird.
Die Rechtsprechung zum Führer und zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne der §§ 315c, 316 StGB steht zu der Auffassung des OLG Bamberg nicht zwingend in Widerspruch, weil § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG für das Straßenverkehrsgesetz eine Sonderregelung trifft, die den Tatbestand des § 24 Abs. 1 StVG i. V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 22, § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO miterfasst.
Auch vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass die Bejahung der Vorlegungsfrage zu dem untragbaren Ergebnis führe, dass der Fahrschüler, der eigenhändig (unter Verstoß gegen das Verbot des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO) mobil telefoniert, nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO verfolgt werden könnte, weil „ausschließlich“ der Fahrlehrer aufgrund gesetzlicher Fiktion als Führer des Kraftfahrzeugs anzusehen wäre.
Einerseits könnte es als sachgerecht angesehen werden, den Fahrschüler überhaupt nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne des Strafverkehrsgesetzes (und damit auch der Straßenverkehrsordnung) zu behandeln; diese Ansicht befände sich in Übereinstimmung mit der Auslegung der Kraftfahrzeugführereigenschaft zu der Strafnorm des § 21 StVG, weshalb eine entsprechende Auslegung im Rahmen der Bußgeldvorschriften (§ 24 StVG i.V.m. der StVO, § 24a StVG) an sich folgerichtig wäre.
Andererseits läge es aber auch nicht fern, – unbeschadet der Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung auf den Fahrlehrer – sowohl den Fahrschüler als auch den Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt zumindest ordnungswidrigkeitsrechtlich im Sinne des StVG i.V.m. der StVO als Kraftfahrzeugführer zu qualifizieren.

 


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