Ist Vorbehalt einer vereinbarten Vertragsstrafe bei Abnahme stets erforderlich?

Ist Vorbehalt einer vereinbarten Vertragsstrafe bei Abnahme stets erforderlich?

Haben Parteien in einem Vertrag für den Fall der Nichteinhaltung einer bestimmten Fertigstellungsfrist eine Vertragsstrafe gemäß § 339 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbart, kann nach § 341  Abs. 3 BGB der Gläubiger, der die Erfüllung annimmt, die Vertragsstrafe grundsätzlich nur verlangen,

  • wenn er sich das Recht dazu bei Annahme vorbehält,
  • wobei im Werkvertragsrecht die Abnahme des Bestellers gemäß § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB die Annahme als Erfüllung darstellt.

 

Nicht erforderlich ist ein solcher Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Abnahme gemäß § 341 Abs. 3 BGB allerdings dann,

  • wenn der Besteller bereits vor Abnahme die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe erklärt hat und
  • der Anspruch auf Vertragsstrafe infolgedessen bereits vollständig erloschen ist.

 

Darauf hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 43/15 – hingewiesen.

Begründet hat der VII. Zivilsenat des BGH dies damit, dass bereits der Wortlaut des § 341 Abs. 3 BGB, nach dem der Gläubiger die Vertragsstrafe nur verlangen kann, wenn er sich das Recht dazu bei Abnahme vorbehält, dafür spricht, dass ein Vorbehalt allein dann erforderlich ist, wenn der Strafanspruch bei Abnahme noch besteht.
Ist die Vertragsstrafe zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer vom Gläubiger erklärten Aufrechnung bereits erloschen, kann er sie nicht mehr verlangen.
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erfordern keine abweichende Beurteilung.
Soweit die Vorschrift des § 341 Abs. 3 BGB die Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bezweckt, steht dies der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Würde man hingegen in einem solchen Fall ein Vorbehaltserfordernis im Zeitpunkt der Abnahme annehmen, würden bei fehlendem Vorbehalt die Aufrechnungswirkungen im Nachhinein entfallen, was weder Rechtsklarheit noch Rechtssicherheit fördert.

Die mit der Vorschrift verbundene Schuldnerschutzfunktion erfordert ein solches Verständnis ebenfalls nicht.
§ 341 Abs. 3 BGB soll nicht nur klare Verhältnisse schaffen, sondern auch unbillige Härten gegen den Schuldner verhindern.
Die unbillige Härte liegt nach dieser Vorschrift aber allein darin, dass der Schuldner die Vertragsstrafe erfüllen muss, obwohl er nicht mehr damit rechnet. § 341 Abs. 3 BGB stellt deshalb formal auf die Erklärung des Vorbehalts bei Abnahme ab, ohne dass es auf einen etwaigen Verzichtswillen des Gläubigers ankommt. Der Schuldner soll auf diese Weise Klarheit haben, ob die Vertragsstrafe noch geltend gemacht wird, und nicht Gefahr laufen, noch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden.
Diese Gefahr besteht aber nicht, wenn die Vertragsstrafe bereits erfüllt ist.
Letztlich gebietet auch die Funktion der Vertragsstrafe keine andere Auslegung des § 341 Abs. 3 BGB. Die Vertragsstrafe ist vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen worden. Sie soll zum einen als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten und zum anderen dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen.
Im Hinblick auf ihre Funktion als Druckmittel soll der Schuldner grundsätzlich auch bei bereits verwirkter Vertragsstrafe die Aussicht behalten, dass der Gläubiger unter dem Eindruck der nachgeholten Erfüllung von seinem Recht, die Vertragsstrafe zu fordern, keinen Gebrauch macht.
Diese dem Gläubiger dienende Funktion kann aber dann nicht mehr maßgeblich sein, wenn die Vertragsstrafe durch eine von ihm erklärte Aufrechnung bereits erloschen ist und er sich dadurch selbst seines Druckmittels begeben hat.

An der entgegenstehenden Auffassung im Urteil vom 04.11.1982 – VII ZR 11/82 – hält der VII. Zivilsenat des BGH nicht mehr fest.

 


Warning: Undefined variable $user_ID in /is/htdocs/wp1087826_EK6QR6X9JJ/www/haerlein.de/wordpress/wp-content/themes/arilewp-pro/comments.php on line 45

You must be <a href="https://www.haerlein.de/wp-login.php?redirect_to=https%3A%2F%2Fwww.haerlein.de%2Fist-vorbehalt-einer-vereinbarten-vertragsstrafe-bei-abnahme-stets-erforderlich%2F">logged in</a> to post a comment