Kinderlärm steht unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft.

Kinderlärm steht unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft.

Nach § 22 Abs. 1a des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) sind Geräuscheinwirkungen die – unter anderem – von Kinderspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen.
Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden.

Bereits in der bisherigen Rechtsprechung war allgemein anerkannt, dass Kinder lauter sein dürfen als andere Geräuschquellen; Kinderlärm kann sich danach auch dann in den Grenzen des Sozialüblichen und Tolerierbaren halten, wenn Grenz- oder Richtwerte lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden.
§ 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen, d. h. Rücksichtnahmepflichten des Anlagen- bzw. Einrichtungsbetreibers enthaltenen Regelungen.
Aus dem Anlagenbezug ergibt sich,

  • dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit seinen einzelnen Teilen und
  • den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf,

sie vielmehr als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen sind.
Die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG gilt daher

  • sowohl für die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute, wie etwa Rufen, Schreien oder ähnliches,
  • als auch für die von den Spielgeräten bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung herrührenden Geräuschen.

Diese umfassende Duldungspflicht setzt freilich voraus,

  • dass die Anlage dem an sie zu stellenden technischen Standard genügt.

In diesem Sinne ist auch die Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu verstehen, wonach die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den Anforderungen entsprechen muss.
Ist dies der Fall, privilegiert § 22 Abs. 1a BImSchG den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht.

  • Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a S. 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkung durch Kinder auf Immissionsgrenz- und richtwerte technischer Regelwerte abzustellen.
  • Für die danach notwendige Einzelabwägung enthält § 22 Abs. 1a S. 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind.

Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot (vgl. zu Vorstehendem insgesamt das Urteil des Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz vom 16.05.2012 – 8 A 10042/12.OVG –).
Ein vom Regelfall des § 22 Abs. 1a S. 1 BImSchG abweichender Sonderfall soll nach der Gesetzesbegründung nur dann vorliegen, wenn

  • besondere Umstände gegeben sind,
    • z. B. die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäusern oder Pflegeanstalten gelegen sind, oder
    • sich die Einrichtungen des Spielplatzes nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen (Bundestagsdrucksache 17/4836, S. 7; Bundesratsdrucksache 128/11, S. 7).

Ist keine dieser beiden beispielhaften Fallgruppen gegeben,

  • sondern handelt es sich bei einem vorhandenen Spielplatz um einen in Wohngebieten absolut üblichen Spielplatz mit absolut üblichen Spielgeräten und

hat die Stadt

  • bei der Wahl des Standortes des Spielplatzes sowie der Platzierung der einzelnen Spielgeräte nicht gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verstoßen sowie
  • durch eingeschränkte Nutzungszeiten (8 bis 13 Uhr und 14 bis 20 Uhr) und durch eine Altersbegrenzung des Nutzerkreises (Kinder bis 12 Jahre) den schutzwürdigen Belangen der unmittelbaren Nachbarn Rechnung getragen,

kann wegen des Kinderlärms von Anwohnern weder die Einstellung noch die Verlegung des Kinderspielplatzes verlegt werden.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Trier mit Urteil vom 28.01.2015 – 5 K 1542/14.TR – entschieden.

 


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