Müssen Eltern ihrem Kind zur Ermöglichung einer (weiteren) Berufsausbildung Unterhalt zahlen

Müssen Eltern ihrem Kind zur Ermöglichung einer (weiteren) Berufsausbildung Unterhalt zahlen

….. und wann hat ein Kind keinen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt (mehr)?

Der Unterhalt den Eltern ihrem Kind schulden umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • den gesamten Lebensbedarf
  • einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.

Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.

  • Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.

Ausnahmen hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus

  • gesundheitlichen oder
  • sonstigen,

bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann.

Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht dann in Betracht,

  • wenn die weitere Ausbildung
    • zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und
    • von vornherein angestrebt war,
  • wenn während der ersten Ausbildung
    • eine besondere,
    • die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde,
  • oder wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur)
    • eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und
    • sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), sofern
      • die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und
      • die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.

Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss

  • zunächst eine Lehre,
  • dann die Fachoberschule und
  • später die Fachhochschule

absolviert wird,

  • sind die einzelnen Ausbildungsabschnitte hingegen nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen,

wenn

  • schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde,

weil auch Eltern sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können müssen, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.05.2006 – XII ZR 54/04 –).

In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren,

  • wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben,
  • wenn dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht oder
  • wenn die erste Ausbildung, wie sich später herausstellt, auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist allerdings vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt.

Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung stehen auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheiten gegenüber,

  • sich unter Berücksichtigung einer gewissen Orientierungsphase, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet, um einen entsprechenden Ausbildungsplatz zu bemühen,
  • die Ausbildung in angemessener Zeit planvoll und zielstrebig aufzunehmen sowie
  • sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden.

Zwar müssen Eltern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind.

Verletzt das Kind aber nachhaltig seine Obliegenheit, kann dies dazu führen, dass

  • es seinen Unterhaltsanspruch einbüßt und

sich darauf verweisen lassen muss,

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16 – hingewiesen.


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