Privatversicherungsrecht – Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ein eigenes grob fahrlässiges Verhalten – Folgen für den Versicherungsnehmer.

Privatversicherungsrecht – Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ein eigenes grob fahrlässiges Verhalten – Folgen für den Versicherungsnehmer.

§ 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz ( VVG) berechtigt den Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grade außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste, beispielsweise einfachste Überlegungen nicht angestellt und keine Maßnahmen ergriffen hat, die jedermann einleuchten müssten.
Dabei ist das Verhalten des Versicherungsnehmers in seiner Gesamtheit zu betrachten, so dass das Zusammentreffen von – für sich genommen – tolerierbaren Umständen den qualifizierten Vorwurf begründen kann.
Der Umfang der Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit bestimmt sich nach der Schwere des Verschuldens. Die im Gesetz vorgesehene Quotelung bedeutet, dass die an sich geschuldete Leistung um den Prozentsatz gekürzt werden kann, der für das Maß des Verschuldens auf einer Skala von 0 – 100 zu veranschlagen ist. Sie ist einer der zentralen Punkte der Reform des bisherigen Rechts, das vom „Alles- oder-Nichts“-Prinzip ausging, wenn man einmal die Begrenzung durch das Ausmaß der Kausalität bei Verletzung nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zur Erfüllung der Obliegenheiten außer Acht lässt.

Gesichtspunkte der groben Fahrlässigkeit bzw. Kriterien hierfür sind die potenzielle Gefährlichkeit des Verhaltens des Versicherungsnehmers im Hinblick auf die Folgen, deren Eintritt die Obliegenheit verhindern soll; Kriterium kann auch die Dauer der Verletzung sein, sowie ob es sich um eine naheliegende, elementare Verhaltensnorm handelt oder nicht.

Neben dem Grad der objektiv groben Fahrlässigkeit spielt auch das Ausmaß der subjektiven Unentschuldbarkeit eine Rolle, da grobe Fahrlässigkeit auch subjektive Unentschuldbarkeit voraussetzt.

Treffen mehrere Obliegenheitsverletzungen zusammen oder hat der Versicherungsnehmer daneben den Versicherungsfall nach § 81 Abs. 2 VVG herbeigeführt, ist eine einheitliche Quote unter Berücksichtigung aller Verstöße zu bilden.

Wie die Quote zu bilden ist, ist umstritten.
Zum Teil wird vorgeschlagen, die Quote ausschließlich nach dem schwersten Verstoß zu bestimmen, d. h. alle sonstigen Verstöße dahinter zurücktreten zu lassen;
des Weiteren wird vorgeschlagen, die Quote des schwersten Verstoßes in einem angemessenen Maß zu erhöhen oder was auf dasselbe hinauslaufen dürfte, zu einer wertenden Gesamtbetrachtung zu greifen.
Teilweise wird auch eine Addition der einzelnen Quoten erwogen.
Eine andere Ansicht befürwortet ein Stufenmodell. Danach wird bei zwei Obliegenheitsverletzungen, die für sich allein betrachtet jeweils zu einer Kürzung von 50% führen würden, die Quote wie folgt gebildet: Nach der ersten Kürzung um 50% wird von dieser Summe nochmals die Hälfte abgezogen, so dass im Ergebnis dem Versicherungsnehmer 25% verbleiben. Nach diesem Stufenmodell ist aber nur dann vorzugehen, wenn es sich um mehrere Verstöße gegen Vorschriften mit unterschiedlichen Schutzrichtungen handelt, so etwa wenn § 81 Abs. 2 WG mit der Verletzung einer Anzeige oder Aufklärungsobliegenheit zusammentrifft.

Ein Verschulden „Dritter“ wird dem Versicherungsnehmer nur zugerechnet, wenn der „Dritte“ als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen ist. Repräsentant ist derjenige, der bei der „Verwaltung des versicherten Risikos in vollem Umfang an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist“, was die alleinige Obhut über die versicherte Sache für eine gewisse Dauer voraussetzt.
Um eine Repräsentantenhaftung zu begründen, dazu reicht beispielsweise im Rahmen einer Kfz-Kaskoversicherung das Überlassen der Obhut an dem Fahrzeug allein noch nicht aus. Gleiches gilt für die Stellung als Ehegatte.

Darauf hat das Landgericht (LG) Hechingen mit Urteil vom 03.12.2012 – 1 O 124/12 – hingewiesen.

 

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