Wann kann sich ein Betroffener im Bußgeldverfahren nicht auf Verfolgungsverjährung berufen?

Wann kann sich ein Betroffener im Bußgeldverfahren nicht auf Verfolgungsverjährung berufen?

Ein wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit verfolgter Betroffener

  • kann sich nicht auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen,
  • wenn er die ordnungsgemäße Zustellung des Bußgeldbescheides in nicht verjährter Zeit rechtsmissbräuchlich verhindert hat.

Das hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 27.01.2015 – 3 RBs 5/15 – in einem Fall entschieden, in dem ein Betroffener die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte, ihm deswegen

  • zunächst nicht nur der Anhörungsbogen unter der Anschrift seiner Eltern, bei denen er seinerzeit noch gemeldet war, aber nicht mehr wohnte, übermittelt,
  • sondern nachfolgend auch der erlassene Bußgeldbescheid, nachdem sich für ihn ein Verteidiger, ohne Vorlage einer Vollmacht, angezeigt hatte, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden war,
  • der Verteidiger des Betroffenen, nach Unterrichtung gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) über die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen, Einspruch eingelegt und
  • im Laufe des Verfahrens dann der Betroffene mit der Begründung, ihm sei der Bußgeldbescheid nicht vor Ablauf der nach der Anhörung beginnenden dreimonatigen Verjährungsfrist ordnungsgemäß zugestellt worden, Verfolgungsverjährung eingewandt hatte.

Danach war hier Verfolgungsverjährung, wie der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm ausgeführt hat, nicht eingetreten.
Zwar setze eine Ersatzzustellung nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 178-181 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass eine Wohnung an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.06.2011 – III ZR 342/09 –). Obwohl dies bei dem Betroffenen hier nicht der Fall gewesen sei und die Ersatzzustellung deswegen fehlerhaft war, könne sich der Betroffene jedoch wegen Rechtsmissbrauchs darauf nicht berufen.
Es stelle nämlich eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat.
Hierbei handele es sich nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins. Vielmehr werde dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen.

Das sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung

  • etwa für die Fälle anerkannt, dass sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich dolos als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und seine Post dort abholt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht (OLG), Beschluss vom 24.01.2006 – 1 Ss 277/05 –; OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2003 – 2 Ss OWi 219/03 –; Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 16.03.2004 – 2 ObOWi 7/04 –) und
  • dies gelte, wie der Bußgeldsenat weiter ausgeführt hat, jedenfalls auch für das Zustellungserfordernis in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG in den Fällen,
    • in denen ein Betroffener nicht durch Angabe einer falschen Anschrift selbst aktiv geworden ist,
    • sondern im Wesentlichen lediglich die erforderliche Ummeldung und die Mitteilung seines tatsächlichen Wohnsitzes an die Bußgeldbehörde unterlassen hat, um sich im Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Ersatzzustellung auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen zu können.

 


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