Was das „Aushandeln“ von Vertragsbedingungen voraussetzt.

Was das „Aushandeln“ von Vertragsbedingungen voraussetzt.

Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
Ein Aushandeln erfordert mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.
Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.11.2012 – VII ZR 222/12 –).

Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen (BGH, Urteil vom 03.04.1998 – V ZR 6/97 –).
Dieser Darlegungslast kommt der Verwender nur dann nach, wenn seinem Vortrag entnommen werden kann, ob und inwieweit er zu Änderungen bereit gewesen wäre.
Ein allgemeiner Hinweis, alle Vertragsbedingungen hätten zur Disposition gestanden, enthält nicht die notwendige Konkretisierung hinsichtlich der Kerngehalte der einzelnen Klauseln.

Der Verwender vorformulierter Klauseln kann sich zur Darlegung eines Aushandelns nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB auch nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über die Klauseln „ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde“.
Könnte der Verwender allein durch eine solche Klausel die Darlegung eines Aushandelns stützen, bestünde die Gefahr der Manipulation und der Umgehung des Schutzes der §§ 305 ff. BGB.

Da die §§ 305 ff. BGB selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht der Disposition der Vertragsparteien unterliegen, sondern zwingendes Recht sind, können die Vertragsparteien die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB auch nicht individualrechtlich ausschließen.
Zwingendes, der Vertragsfreiheit Grenzen ziehendes Recht ist anzunehmen, wenn Sinn und Zweck des Gesetzes einer privatautonomen Gestaltung entgegenstehen. Der Zweck der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB besteht darin, zum Ausgleich ungleicher Verhandlungspositionen und damit zur Sicherung der Vertragsfreiheit Schutz und Abwehr gegen die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht durch den Verwender zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – VII ZR 19/12 –).
Deshalb findet eine Inhaltskontrolle vertraglicher Vereinbarungen nicht statt, wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). In diesem Fall befinden sich die Vertragsparteien in einer gleichberechtigten Verhandlungsposition, die es ihnen gestattet, eigene Interessen einzubringen und frei zu verhandeln.
Mit diesem Schutzzweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Vertragsparteien unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen individualrechtlich ausschließen.
Dadurch wird die Prüfung verhindert, ob eine gleichberechtigte Verhandlungsposition bestanden hat. Diese kann nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass individualrechtlich die Geltung der §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen wurde.
Eine solche Vereinbarung kann vielmehr auf der wirtschaftlichen Überlegenheit einer Vertragspartei beruhen, die unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen ihre Gestaltungsmacht einseitig verwirklicht. Dem will das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegenwirken, indem es nur unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB von einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB absieht.

Darauf hat der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – hingewiesen.

 


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