Wegen vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms die Miete mindern? Geht das oder geht das nicht?

Wegen vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms die Miete mindern? Geht das oder geht das nicht?

Die bisherige Rechtsprechung dazu, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen von einem Nachbargrundstück, nach Mietbeginn, ausgehender erheblicher Baulärm über einen längeren Zeitraum,

  • beispielsweise weil dort ein Haus abgerissen und neu errichtet werden soll,

einen Mietmangel darstellen und zur Mietminderung gegenüber dem Vermieter berechtigen kann, ist bisher uneinheitlich.

Das Landgericht (LG) Berlin hat im Beschluss vom 15.01.2019 – 67 C 309/18 – entschieden, dass in einem solchen Fall

  • eine Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt ist

und zwar auch dann, wenn

  • der Vermieter weder Verursacher der Beeinträchtigung ist,
  • noch dem Vermieter gegenüber dem Verursacher Abwehr- oder Entschädigungsansprüche (gemäß § 906 BGB) zustehen.

Ebenso entschieden hat das LG Berlin mit Urteil vom 16.06.2016 – 67 O 76/16 – in einem Fall,

  • in dem nach Mietbeginn auf dem benachbarten Grundstück, auf einer dortigen, ursprünglich mit Bäumen bewachsenen Baulücke, eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet worden waren,

und

  • wegen der durch die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück bedingten erheblichen Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende),

für die Dauer der Baumaßnahmen eine Mietminderung um 20 Prozent für berechtigt angesehen.

Auch das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 01.02.2018 – 472 C 18927/16 – in einem Fall, in dem in der Nachbarschaft des Mieters über hundert neue Wohneinheiten erstellt wurden,

  • von dem Mieter ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodokumentation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vorgelegt und
  • von einem Sachverständigen im letzten Quartal eines Jahres an 19 Tagen sowie im Folgejahr an 160 Tagen Lärmimmissionen gemessen worden waren,
    • die eine Einwirkung von über 63 Dezibel, an mehr als 60 Tagen sogar von mehr als 70 Dezibel an der Wohnung des Mieters ergeben hatten,

dies

  • als wesentliche Beeinträchtigung angesehen und

wegen des erheblichen Baulärms eine Mietminderung für berechtigt erachtet (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 14.12.2018).

Dagegen hat das LG München I mit Urteil vom 27.10.2016 – 31 S 58/16 – entschieden, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen,

  • die von einem Nachbargrundstück ausgehen, weil dort gebaut wird und die Baustelle Lärm verursacht,

bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag, grundsätzlich dann

  • keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung begründen,

wenn

  • auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,
  • sich also auf seine eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen kann.

Dass Voraussetzung für eine Mietminderung des Wohnungsmieters nicht nur ist,

  • dass der Mietgebrauch durch den Baulärm tatsächlich beeinträchtigt ist,

sondern auch,

  • dass der Vermieter die Immissionen nicht ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,

hat die Kammer damit begründet, dass Wohnungsmieter insoweit an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teilnehmen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 – Bolzplatzentscheidung).

Übrigens:
Überschreitet der Lärm von einer Baustelle

  • an der Wohnung eines Nachbarn

die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) festgelegten „Eingreif-Richtwerte“, muss

  • auf Antrag des Nachbarn

die Immissionsschutzbehörde geeignete Maßnahmen zur Begrenzung des Baulärms anordnen.

Erweisen sich die behördlich angeordneten Maßnahmen als ungeeignet,

  • können von dem Nachbarn

konkrete Einzelmaßnahmen verlangt werden.

  • Missachtet der Bauherr vollziehbare behördliche Anordnungen wiederholt und hartnäckig, kann der Betrieb der Baustelle vorläufig untersagt werden.

Darauf hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 05.02.2015 – 10 S 2471/14 – hingewiesen und das Landratsamt auf den Eilantrag einer Wohnungsmieterin durch einstweilige Anordnung zu weiteren Maßnahmen zum Lärmschutz in einem Fall verpflichtet,

  • in dem vom Landratsamt zwar bereits Maßnahmen zur Minderung des Lärms von einer Großbaustelle angeordnet worden waren,
  • der Bauherr diese sowie die in der AVV Baulärm für Mischgebiete festgelegten und festgesetzten Immissions-Richtwerte (60 dB (A) tags von 7 bis 20 Uhr, 45 dB (A) nachts von 20 bis 7 Uhr) aber wiederholt und hartnäckig missachtet hatte.

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