Wenn ein Arzt, der seine Aufklärungspflicht verletzt hat, sich auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten beruft.

Wenn ein Arzt, der seine Aufklärungspflicht verletzt hat, sich auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten beruft.

Auch wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, kann ein Arzt haften, wenn der Patient über mögliche Risiken eines Eingriffs unzureichend aufgeklärt worden ist und deswegen seine Einwilligung in den Eingriff unwirksam war.

  • War die Einwilligung eines Patienten wegen unzureichender Risikoaufklärung unwirksam, kann sich der Arzt (nur noch) damit verteidigen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte.

Ein solcher Einwand der hypothetischen Einwilligung als Verteidigungsmittel ist grundsätzlich beachtlich (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03 –; vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 –; vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07 – und vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13 –).

  • Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt.

Beruft ein Arzt sich im Fall einer Aufklärungspflichtverletzung

  • auf eine hypothetische Einwilligung,

so muss der Patient,

  • wenn er geltend macht, dass er sich nicht hätte operieren lassen, wenn er richtig aufgeklärt worden wäre,
  • zunächst allerdings plausible Gründe dafür darlegen, dass er sich in diesem Falle in einem echten Entscheidungskonflikt befunden haben würde.

Abzustellen ist dabei auf die persönliche Entscheidungssituation des Patienten aus damaliger Sicht.

  • Was aus ärztlicher Sicht sinnvoll und erforderlich gewesen wäre und wie sich ein „vernünftiger“ Patient verhalten haben würde, ist deshalb grundsätzlich nicht entscheidend.
  • Auch kann nicht verlangt werden, dass der Patient genaue Angaben darüber macht wie er sich wirklich verhalten oder entschieden hätte.
  • Jedoch muss er einsichtig machen, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen solle oder nicht (BGH, Urteil vom 06.07.2010 – VI ZR 198/09 –).

Dazu bedarf es einer wertenden Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles, wobei maßgeblich sind

  • der Leidensdruck,
  • die Risikobereitschaft

des Patienten,

  • die Dringlichkeit des Eingriffs und
  • die Erwartung eines (dann fiktiv) umfassend aufgeklärten Patienten vor dem Eingriff.

Erst und nur,

  • wenn der Patient nach diesen Maßstäben einen echten Entscheidungskonflikt zur Überzeugung des Tatrichters plausibel gemacht hat,
  • muss der Arzt den ihm obliegenden Beweis führen, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 09.04.2014 – 7 U 124/12 –).

Darauf hat der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) in Bremen mit Urteil vom 02.04.2015 – 5 U 12/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Patient bei Anlegung der obigen Maßstäbe seine Substantiierungslast nicht erfüllt hatte, der von ihm behauptete Entscheidungskonflikt nach seinem gesamten Vortrag nicht plausibel und demzufolge davon auszugehen war, dass der Patient auch bei vollständiger und umfassender Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte.

 


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