Wenn in einem Parkhaus zwei rückwärts fahrende Fahrzeuge kollidieren.

Wenn in einem Parkhaus zwei rückwärts fahrende Fahrzeuge kollidieren.

Kommt es in einer Tiefgarage zu einer Kollision zwischen zwei zum Zeitpunkt der Anpralls jeweils mit geringer Geschwindigkeit rückwärts fahrenden Fahrzeugen, weil

  • eine Pkw-Fahrerin mit ihrem Fahrzeug aus ihrer schräg zur Durchfahrt zwischen den Parkreihen angeordneten Parkbucht rückwärts herausfährt,
  • während ein Pkw-Fahrer gleichzeitig mit seinem Fahrzeug auf dieser Durchfahrt ein Stück geradeaus rückwärts fährt, um anschließend in eine vor seinem Fahrzeug gelegene Parkbucht besser vorwärts einparken zu können,

soll den Pkw-Fahrer bei Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) an der Entstehung dieses Unfall ein überwiegendes Verschulden treffen.

Das hat das Landgericht (LG) Heidelberg mit Urteil vom 13.01.2015 – 2 S 8/14 – entschieden und den Pkw-Fahrer (im Folgenden Beklagter genannt) verurteilt, der Pkw-Fahrerin (im Folgenden Klägerin genannt) 2/3 ihres Schadens zu ersetzen.

Bei der Entscheidung ist das LG Heidelberg davon ausgegangen, dass sowohl die Klägerin als auch der Beklagte gegen die beim Rückwärtsfahren geltende erhöhte Sorgfaltspflicht verstoßen haben, weil

  • nach einhelliger Auffassung auch Parkhäuser und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Tiefgaragen unabhängig von einer entsprechenden Widmung – jedenfalls während der Betriebszeit – dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen sind, so dass die Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) anwendbar sind und
  • es insoweit dahinstehen kann, ob die Bestimmung des § 9 Abs. 5 StVO, wonach ein Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, auf einem Parkplatz, der allein dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr dient,
  • nachdem jedenfalls den rückwärts Fahrenden auch auf Parkplätzen eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht trifft,
  • es anerkannt, dass bei einer Kollision während des Zurücksetzens der Anschein für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht,
  • dies auch gilt, wenn sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignet hat und

der für die beiderseitigen Sorgfaltsverstöße sprechende Anscheinsbeweis von keiner der Parteien erschüttert worden war.

Dass der Beklagte im obigen Fall auf dem Durchfahrtsweg, auf dem mit weißer Farbe ein lediglich in einer Richtung weisender Pfeil angebracht war, rückwärts entgegen der Pfeilrichtung gefahren war, diesem Umstand maß das LG weder zu Gunsten der Klägerin, noch zu Lasten des Beklagen Bedeutung zu, weil

  • in Tiefgaragen, erst recht bei schräg ausgerichteten Parkbuchten, immer rangiert sowie insbesondere beim Ausparken zwangsläufig auch auf dem Durchfahrtsweg zumindest ein kurzes Stück rückwärts gefahren werden muss,
  • die Klägerin deshalb nicht darauf vertrauen durfte, dass keine Fahrzeuge entgegen der Pfeilrichtung fahren würden und
  • ein Pkw-Fahrer wie der Beklagte, der entgegen der Pfeilrichtung keine größere Wegstrecke rückwärts fährt als zum Rangieren beim Ein- oder Ausparken erforderlich ist, dem Gebot, den Durchfahrtsweg bei der Suche nach einem Parkplatz lediglich in Pfeilrichtung zu befahren nicht zuwider handelt.

Maßgebend für das LG den Sorgfaltsverstoß des Beklagten schwerer wiegend zu werten als das Verschulden der Klägerin war vielmehr, dass seiner Ansicht nach das Fahrverhalten des Beklagten mehr Risiken barg als dasjenige der Klägerin und ihn aus diesem Grund eine nochmals erhöhte Sorgfaltspflicht traf.
Das LG begründete dies und dass eine hälftige Haftung den gegebenen Umständen nicht gerecht werden würde, damit,

  • dass der Beklagte beim Rückwärtsfahren auf dem Durchfahrtsweg in gleicher Weise mit entgegenkommenden wie mit aus den Parklücken rückwärts ausparkenden Fahrzeugen rechnen musste, er bei aufmerksamem Blick durch die Heckscheibe und die hinteren Seitenfenster aus den Parklücken rückwärts ausparkende Fahrzeuge auch erkennen konnte und er besonders in Rechnung stellen hätte müssen, dass die rückwärts ausparkenden Fahrzeugführer in erster Linie auf den ihnen auf dem Durchfahrtsweg entgegenkommenden Verkehr achten würden und sein Fahrzeug aus diesem Grund nicht bemerken könnten,

während

  • die Klägerin zwar nicht darauf vertrauen durfte, dass auf dem Durchfahrtsweg keine Fahrzeuge rückwärts entgegen der Pfeilrichtung fahren würden und sie sich daher ebenso wie der Beklagte nach allen Seiten hätte vergewissern müssen,
  • sie aufgrund der schräg zur Durchfahrt verlaufenden Anordnung ihres Parkplatzes beim Blick nach hinten durch die Heckscheibe aber nur den Durchfahrtsweg in die dem Fahrzeug des Beklagten abgewandte Richtung und die hinter ihr geparkten Fahrzeuge sehen konnte, um das Fahrzeug des Beklagten wahrzunehmen, sie ihren Blick von der Fahrtrichtung hätte abwenden müssen und sie zudem davon ausgehen musste, dass wesentlich mehr Fahrzeuge den Durchfahrtsweg vorwärts in Pfeilrichtung befahren würden als rückwärts entgegen der Pfeilrichtung.

 


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