Wenn Schuldner sich im Prozessvergleich zur Unterlassung mit Vertragsstrafe verpflichtet hat – Kann Gläubiger auch dann Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln stellen?

Wenn Schuldner sich im Prozessvergleich zur Unterlassung mit Vertragsstrafe verpflichtet hat – Kann Gläubiger auch dann Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln stellen?

Hat sich der Schuldner in einem Prozessvergleich zur Unterlassung verpflichtet, kann der Gläubiger grundsätzlich auch dann einen Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stellen, wenn der Schuldner im Vergleich eine Vertragsstrafe versprochen hat.
Die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass der Unterlassungsschuldner bereits gegen die im Prozessvergleich titulierte Unterlassungspflicht verstoßen hat.

Darauf hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 3/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen. Darin hatte die Beklagte sich verpflichtet, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bestimmte Äußerungen zu unterlassen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Unterlassungsverpflichtung zu einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 Euro.

Die Gläubigerin, die behauptet hatte, dass die Schuldnerin gegen die Unterlassungsverpflichtung aus diesem Vergleich verstoßen habe, hat beantragt, der Schuldnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die im Prozessvergleich enthaltene Unterlassungsverpflichtung Ordnungsmittel gemäß § 890 Abs. 2 ZPO anzudrohen.

Das Landgericht (LG) wies den Antrag zurück.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin änderte das Beschwerdegericht den Beschluss des LG und sprach die Androhung von Ordnungsmitteln aus (Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Beschluss vom 12.12.2011 – 2 W 59/11 –).

Hiergegen wandte sich die Schuldnerin mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Schuldner, der der Verpflichtung zuwider handelt eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Der Verurteilung muss gemäß § 890 Abs. 2 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.
Die gerichtliche Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn dadurch anhalten, die Unterlassungspflicht zu befolgen (BGH, Beschluss vom 23.10.2003 – I ZB 45/02 –; BGH, Beschluss vom 02.02.2012 – I ZB 95/10 –).
Eine entsprechende Androhung kann nicht wirksam in einen Prozessvergleich selbst aufgenommen werden, sondern hat auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss zu erfolgen.
Auf Grund dessen, dass sich ein Schuldner im Prozessvergleich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat, ist ein Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO nicht unzulässig.
Die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO schließen sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität aus.
Beide Sanktionen regeln unterschiedliche Sachverhalte.
Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadenspauschalierung.
In der Vollstreckung nach § 890 ZPO kommt es allein auf das Verschulden des Schuldners an, während er im Rahmen des Unterlassungsvertrages gemäß § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne Entlastungsmöglichkeit auch für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen hat.
Beide Sanktionen können deshalb grundsätzlich vom Gläubiger nebeneinander geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 17.09.2009 – I ZR 217/07 –).
Ein Prozessvergleich in dem sich der Schuldner vertragsstrafebewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat, ist nicht generell dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger die Vertragsstrafe als alleinige Sanktion akzeptiert habe und sich daran festhalten lassen müsse.
Die Parteien eines Rechtsstreits können allerdings grundsätzlich vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen.
Da aber die Bestimmung des § 890 ZPO und ein Vertragsstrafeversprechen zwar jeweils den gemeinsamen Zweck verfolgen, den Schuldner von Zuwiderhandlungen abzuhalten, im Übrigen jedoch unterschiedliche Sachverhalte regeln, können beide Sanktionen nebeneinander durchaus sinnvoll sein und parallel geltend gemacht werden. Es besteht daher regelmäßig kein Anlass anzunehmen, dass die Parteien sich ausschließlich auf die Sanktion der Vertragsstrafe festgelegt haben.
Dem stehen auch keine berechtigten Schuldnerinteressen entgegen.
Eine übermäßige Beanspruchung des Schuldners durch eine doppelte Inanspruchnahme wird dadurch vermieden, dass die jeweils früher verhängte Sanktion bei der Höhe der jeweils späteren zu berücksichtigen ist.
Außerdem kann der Schuldner der Doppelsanktion von vornherein dadurch entgehen, dass er entweder keine Vertragsstrafe verspricht oder auf einem Verzicht des Gläubigers hinsichtlich einer Vollstreckung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO besteht.
Fehlt es jedoch an derartigen Gestaltungen und sind auch sonst keine deutlichen Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Parteien ersichtlich, ist ein Prozessvergleich mit Vertragsstrafeversprechen nicht im Sinne einer vollstreckungshindernden Vereinbarung auszulegen.

Die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln setzt nicht voraus, dass der Unterlassungsschuldner bereits gegen die im Prozessvergleich titulierte Unterlassungspflicht verstoßen hat.
Die Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO setzt weder eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht noch sonst ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus. 

 


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