Wer Beschuldigter einer Straftat oder Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist muss belehrt werden.

Wer Beschuldigter einer Straftat oder Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist muss belehrt werden.

Nach §§ 136 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 163a Abs. 4 Strafprozessordnung (StPO) ggf. i. V. m. § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) ist bei der ersten Vernehmung eines Beschuldigten

  • dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und
  • der Beschuldigte darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen.

Der diesen Vorschriften zugrunde liegende Beschuldigtenbegriff vereinigt subjektive und objektive Elemente. Die Beschuldigteneigenschaft

  • setzt – subjektiv – den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde voraus,
  • der sich – objektiv – in einem Willensakt manifestiert.

Wird gegen eine Person

  • ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet,

liegt darin ein solcher Willensakt.

Andernfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach,

  • wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen

darstellt.

Dabei ist zwischen verschiedenen Ermittlungshandlungen wie folgt zu differenzieren:

Strafprozessuale

  • Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber einem Beschuldigten zulässig sind,

sind Handlungen, die ohne weiteres auf den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde schließen lassen.

Aber auch

  • Eingriffsmaßnahmen, die an einen Tatverdacht anknüpfen,

begründen grundsätzlich die Beschuldigteneigenschaft des von der Maßnahme betroffenen Verdächtigen, weil sie regelmäßig darauf abzielen, gegen diesen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen.
So liegt die Beschuldigtenstellung eines Verdächtigen auf der Hand, wenn eine Durchsuchung nach § 102 StPO dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu gewinnen.

Anders liegt es bei Vernehmungen.

Bereits aus §§ 55, 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren auch ein Verdächtiger im Einzelfall als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte belehrt werden muss.

Der Vernehmende darf dabei

  • auch die Verdachtslage weiter abklären.

Da er mithin nicht gehindert ist, den Vernommenen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren, sind hierauf zielende Vorhalte und Fragen nicht zwingend ein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Beschuldigten gegenübertritt.

Der Verfolgungswille kann sich jedoch

  • aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung

ergeben, wenn z. B. eine – aus der Sicht des Vernommenen zu beurteilende – Gesamtschau aller relevanten Umstände ergibt, dass die Vernehmung vornehmlich dazu diente, den Vernommenen, von dessen mutmaßlicher Täterschaft sich der Vernehmungsbeamte überzeugt zeigte, zu überführen oder neue Ermittlungsansätze gegen ihn zu gewinnen oder ein Geständnis von ihm zu erlangen.

Ergibt sich die Beschuldigteneigenschaft

  • nicht aus einem Willensakt der Strafverfolgungsbehörden,

kann – abhängig von der objektiven Stärke des Tatverdachts – unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte gleichwohl ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen.
Ob die Strafverfolgungsbehörde einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung.
Im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt es dabei darauf an, inwieweit der Tatverdacht

  • auf hinreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich Tat und Täter oder
  • lediglich auf kriminalistischer Erfahrung

beruht.
Falls sich der Tatverdacht jedoch so verdichtet, dass die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.02.2004 – 4 StR 475/03 –).

Darauf hat der 1. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 03.07.2007 – 1 StR 3/07 – hingewiesen.

 


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