Wer haftet, wenn es „kracht“, weil ein Autofahrer eine Kolonne überholen und ein anderer nach links abbiegen will?

Wer haftet, wenn es „kracht“, weil ein Autofahrer eine Kolonne überholen und ein anderer nach links abbiegen will?

Nach einem Unfall hängt gemäß §§ 17 Abs. 1 u. 2, 18 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Haftungsverteilung von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wobei bei der hiernach gebotenen Abwägung ausschließlich unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05 –).

Wer nach links in eine andere Straße abbiegen will, für den gelten die Maßstäbe des § 9 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).
Danach hat derjenige, der abbiegen will, dies durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers rechtzeitig anzukündigen, d. h. das Blinken muss so rechtzeitig erfolgen, dass sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann, wobei weniger die Entfernung zum Abbiegepunkt maßgeblich st als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit. Ferner hat sich der Abbiegende durch zwei Rückschauen darüber zu vergewissern, ob der Vorrang genießende gleichgerichtete Verkehr durch den beabsichtigten Abbiegevorgang gefährdet wird. Er hat sich durch eine erste Rückschau vor dem Einordnen nach links zu vergewissern, ob eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs besteht, und er hat dies durch eine zweite Rückschau unmittelbar vor dem Abbiegen zu wiederholen.

Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Linksabbieger mit einem ihn ordnungsgemäß Überholenden spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Linksabbieger die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Urteil vom 06.12.2004 – 12 U 21/04 –).
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Überholer dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine Kolonne, auch wenn diese klein ist und beispielsweise nur aus vier Fahrzeugen besteht, in einem Zuge überholt und dann mit dem nach links abbiegenden Spitzenfahrzeug zusammenstößt. In diesem Fall fehlt es an einem für ein (alleiniges) Verschulden des Linksabbiegers sprechenden typischen Geschehensablauf, auf Grund dessen auf ein Verschulden des Linksabbiegers zu schließen wäre (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Urteil vom 08.04.2011 – 13 U 2/11 –; OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2013 – 9 U 191/12 –).
Demzufolge muss in einem solchen Fall, wenn streitig ist, ob der Linksabbieger eine seiner Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 1 StVO verletzt hat, der Überholer dies beweisen.

Kann der Linksabbieger dem Überholer nachweisen, dass eine unklare Verkehrslage vorgelegen hat und dieser gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO das Überholmanöver gar nicht hätte unternehmen dürfen, ist der Unfall von dem Überholer (mit)verursacht worden.
Eine unklare Verkehrslage ist – gleichgültig aus welchen Gründen – gegeben, wenn nach den objektiven Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden darf (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.01.2004 – 12 U 1439/02 –). Unklar ist die Verkehrslage insbesondere, wenn eine Kolonne vorausfährt und mit dem Ausscheren und Linksabbiegen eines Fahrzeugs aus der Kolonne zu rechnen ist.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen OLG Saarbrücken mit Urteil vom 16.10.2014 – 4 U 145/13 – hingewiesen.

 


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