Wird für ein einjähriges Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt können Eltern Schadensersatz verlangen

Wird für ein einjähriges Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt können Eltern Schadensersatz verlangen

§ 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) räumt einem Kind,

  • welches das erste Lebensjahr vollendet hat,
  • bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres

einen Anspruch auf frühkindliche Förderung

  • in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder
  • in Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) ein.

Hieraus erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.

Diese Amtspflicht,

  • die nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität besteht,
  • sondern nach der der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen,

kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass

  • er einen (zumutbaren) Platz
  • entweder in einer Tageseinrichtung oder im Rahmen der Kindertagespflege zuweist.

Stellt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs für ein anspruchsberechtigtes Kind keinen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung verletzt er seine Amtspflicht zur Erfüllung des Förderanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, wobei

  • in der Nichterfüllung dieses Anspruchs zugleich eine Amtspflichtverletzung liegt,
  • die personenberechtigten Eltern in den Schutzbereich dieser Amtspflicht einbezogen sind und
  • auch ein eventueller Verdienstausfallschaden, den ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes erleidet, grundsätzlich vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht mitumfasst wird.

Dafür, dass im Falle der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz die Bediensteten des Jugendhilfeträgers ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben, spricht der Beweis des ersten Anscheins.
Es ist daher Sache des zuständigen Jugendhilfeträgers, den gegen ihn streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern,

  • wobei er sich auf allgemeine finanzielle Engpässe nicht mit Erfolg berufen kann,
  • weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

Soweit der Träger der Jugendhilfeträger einen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeigneten Vortrag hält, muss er diesen im Bestreitensfalle beweisen.

  • Gelingt die Erschütterung des Anscheinsbeweises, so ist es Aufgabe des den Anspruch geltend machenden Elternteils – unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast des Jugendhilfeträgers in Bezug auf Vorgänge aus seiner Sphäre – zum Verschulden des Jugendhilfeträgers vorzutragen und diesen Vortrag gegebenenfalls nachzuweisen.

Darauf und dass bei Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz einem für das Kind personensorgeberechtigten Elternteil

  • ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) zustehen kann,
  • der geschädigte Elternteil allerdings auch nach § 254 BGB gehalten ist, den Schaden möglichst gering zu halten,

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Urteilen vom 20.10.2016 – III ZR 302/15 –, – III ZR 303/15 – sowie III ZR 278/15 – hingewiesen.


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