Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Beschluss über den Einbau und den Betrieb einer Videoanlage zur Überwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage?

Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Beschluss über den Einbau und den Betrieb einer Videoanlage zur Überwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Herstellung von Filmaufzeichnungen einer Person mit einer Videokamera, auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht. Ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist, ergeben eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und eine die (verfassungs-)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigende Güter- und Interessenabwägung.

Da der Einzelne grundsätzlich selbst entscheiden darf, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und wann und unter welchen Voraussetzungen seine persönlichen Daten preisgegeben und verwendet werden sollen, muss bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann.

Diese Rechtsprechung hat der 5. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander übertragen. 
Danach darf der Wohnungseigentümer sein Sondereigentum überwachen, wenn sich die Überwachung hierauf beschränkt und benachbartes Sondereigentum oder öffentliche Flächen nicht erfasst. 
Sollen unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft Teile des Gemeinschaftseigentums mittels einer Videoanlage überwacht und das Geschehen aufgezeichnet werden, ist eine solche Videoüberwachung zulässig,

  • wenn das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und
  • wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.

Da die Videoüberwachung von Teilen des Gemeinschaftseigentums in erster Linie eine Maßnahme zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ist, nämlich zum Schutz der Wohnanlage und ihrer Bewohner, muss

  • die Überwachung nach § 21 Abs. 4 WEG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und
  • der Einbau der entsprechenden technischen Anlagen als bauliche Maßnahme die für solche Maßnahmen geltenden Anforderungen des § 22 Abs. 1 WEG erfüllen.

Der Einbau einer Videoüberwachungsanlage ist danach nur zulässig, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen, die von dieser baulichen Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. 
Bei der Prüfung, ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist einerseits zu berücksichtigen, dass die technischen Anlagen zur Videoüberwachung keinem eigenständigen baulichen oder ästhetischen Zweck dienen, sondern allein der Überwachung. Eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung liegt deshalb vor, wenn die Überwachung selbst dem Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung und in diesem Rahmen den Vorgaben des § 6b BDSG nicht entspricht.
Daraus folgt aber nicht, dass eine solche Beeinträchtigung stets fehlt, wenn die Überwachung an sich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und mehrheitlich beschlossen werden kann. Denn der Einbau der für die Videoüberwachung vorgesehenen technischen Anlagen kann – unabhängig von der mit ihm ermöglichten Videoüberwachung – als bauliche Maßnahme Nachteile haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehen und dazu führen, dass ihm alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen. Diese können nämlich auch in einer erheblichen optischen Veränderung des Gebäudes bestehen. Dann scheitert eine an sich zulässige Videoüberwachung an den optisch-baulichen Wirkungen der vorgesehenen Geräte, wenn nicht alle Wohnungseigentümer zustimmen.

Eine angestrebte Überwachung entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung,

  • wenn sie die für eine Überwachung bestehenden gesetzlichen Vorgaben einhält und
  • wenn sie nicht nur dem Interesse der Mehrheit an der Effizienz der Verwaltung entspricht, sondern auch dem mit § 14 Nr. 1 WEG einfachrechtlich und durch Art. 2 Grundgesetz (GG) auch verfassungsrechtlich geschützten Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und betroffener Dritter an dem Schutz ihrer Privatsphäre Rechnung trägt.

Das gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümer die Videoüberwachung einstimmig beschließen. Denn von einem solchen Beschluss werden nicht nur die gegenwärtigen Wohnungseigentümer, sondern nach § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG auch ihre Rechtsnachfolger und an der Beschlussfassung nicht beteiligte Personen betroffen, die sich als Besucher, Lieferanten usw. in der Anlage aufhalten.

Für den Betrieb einer Videoüberwachung müssen deshalb das Gemeinschaftsinteresse an der Überwachung mit den Interessen des einzelnen Wohnungseigentümers und mitbetroffener Dritter gegeneinander abgewogen werden. Die dabei zu beachtenden Vorgaben sind durch § 6 b BDSG gesetzlich festgelegt, wenn öffentlich zugängliche Teile des Gemeinschaftseigentums überwacht werden sollen. Dazu kann zum Beispiel der Eingangsbereich einer Wohnanlage gehören.

Die Wertungen dieser Vorschrift sind aber auch dann zu beachten, wenn sie nicht unmittelbar einschlägig ist. 
Auf sie hat der fünfte Senat des Bundesgerichtshofs schon für die Bestimmung des im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums festzustellenden Nachteils des einzelnen Wohnungseigentümers zurückgegriffen.
Für die Interessenabwägung bei dem Beschluss über die Einführung und den Betrieb einer Videoüberwachung gilt nichts anderes. 
Der einzelne Wohnungseigentümer, der mit einer Überwachung nicht einverstanden ist, müsste sich, wenn die Videoüberwachung mehrheitlich beschlossen werden kann, der Mehrheit beugen. Das kann ihm – bei dem hier in Rede stehenden Eingriff in seine Privatsphäre – nur zugemutet werden, wenn seine Interessen angemessen berücksichtigt werden. Die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte beschreibt § 6 b BDSG in einer auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft sachgerechten Weise.

In Anlehnung an § 6 b BDSG ist die Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft mit einer Aufzeichnung des Geschehens zulässig, wenn ein berechtigtes – konkret und verbindlich festzulegendes – Gemeinschaftsinteresse das Interesse des Einzelnen überwiegt. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Gemeinschaft Straftaten gegen das Gemeinschaftseigentum und gegen die Bewohner der Anlage abwehren möchte. Nicht zulässig wäre dagegen eine Videoüberwachung, die allein dazu diente, die Durchsetzung von Ansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 3 WEG wegen einer von § 14 Nr. 1 WEG nicht gedeckten Nutzung ihrer Wohnungen zu erleichtern.

Auch wenn die Gemeinschaft einen Zweck verfolgt, der eine Videoüberwachung an sich rechtfertigt, berechtigt sie dieser Zweck nicht dazu, die Videoüberwachung in beliebigem Umfang und zu beliebigen Bedingungen durchzuführen. Vielmehr muss auch dann der Umfang auf das Notwendige beschränkt werden. So kann eine Überwachung des Eingangsbereichs zur Vermeidung von Straftaten zulässig sein, eine Überwachung des gesamten Treppenhauses einschließlich der Wohnungstüren aber nicht.
Entsprechende Beschränkungen gelten für den Umfang der Aufzeichnungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung und den Zugriff hierauf. So kann in dem erwähnten Beispiel einer Überwachung des Eingangsbereichs eine Aufzeichnung mit Zugriff nur für Strafverfolgungsbehörden zulässig sein, eine Überwachung mit Zugriff auch der einzelnen Wohnungseigentümer auf die Aufzeichnungen dagegen nicht. 
Schließlich müssen die Regeln für den Betrieb der Überwachung durch Beschluss der Wohnungseigentümer verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 220/12 – hingewiesen, das sich ausführlich auch mit der Thematik beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen, nach einem bestandskräftigen Beschluss über den Einbau und den Betrieb einer Videoanlage, von einem Wohnungseigentümer die Stilllegung der Anlage verlangen werden kann.

 

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