Zur Schadensersatzverpflichtung eines vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft ernannten Sachverständigen.

Zur Schadensersatzverpflichtung eines vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft ernannten Sachverständigen.

Nach § 839a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift fällt nur der von einem (staatlichen) Gericht ernannte Sachverständige unter den Anwendungsbereich dieser Regelung. Hiernach sind von der Staatsanwaltschaft bestellte Sachverständige nicht erfasst.
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Ansicht im Schrifttum ist § 839a BGB jedoch analog auch auf die Gutachtenerstattung in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren anzuwenden.
Die Gleichstellung von Sachverständigengutachten unabhängig davon, ob sie von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingeholt worden sind, rechtfertigt sich aus der organisatorischen und institutionellen Nähe der Staatsanwaltschaft zum Gericht und kommt auch in § 411a Zivilprozessordnung (ZPO) zum Ausdruck. Hiernach kann eine erneute schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.
Letztlich würde es sachlich nicht überzeugen, wenn der Haftungsmaßstab davon abhinge, ob der Sachverständige nur im Ermittlungsverfahren (im Auftrage der Staatsanwaltschaft) tätig geworden ist (dann: kein „gerichtlicher“ Sachverständiger) oder auch (im Auftrage des Gerichts) in einem anschließenden Hauptverfahren (dann: „gerichtlicher“ Sachverständiger).

Allerdings haftet ein Sachverständiger nicht persönlich nach § 839 a BGB gegenüber dem Geschädigten, wenn er in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. Die Haftung des Sachverständigen wegen eines fehlerhaften Gutachtens richtet sich dann nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) mit der Folge der befreienden Haftungsübernahme durch den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Sachverständige steht.
Der Staat beziehungsweise die jeweilige Anstellungskörperschaft tritt dann als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat.
Eine persönliche Haftung des Sachverständigen nach § 839 a BGB gegenüber dem Geschädigten ist in einem solchen Fall ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 01.08.2002 – III ZR 277/01 – und Urteil vom 22.06.2006 – III ZR 270/05 –).
Denn § 839 BGB verdrängt in seinem Anwendungsbereich als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB sowie aus § 839a BGB (BGH, Urteil vom 09.03.2006 – III ZR 143/05 –).

Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss.
Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 22.03.2001 – III ZR 394/99 – und vom 14.05.2009 – III ZR 86/08 –; BGH, Beschluss vom 31.03.2011 – III ZR 339/09 –; BGH, Urteil vom 15.09.2011 – III ZR 240/10 –).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden muss und es nicht angeht, die einheitliche Aufgabe in Einzelakte – teils hoheitlicher, teils bürgerlich-rechtlicher Art – aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (BGH, Urteile vom 09.01.2003 – III ZR 217/01 – und vom 16.09.2004 – III ZR 346/03 –).

So erfolgt beispielsweise eine von der Staatsanwaltschaft veranlasste Begutachtung durch den Leiter eines rechtsmedizinischen Instituts im Zusammenhang mit Todesfallermittlungen gemäß §§ 87 ff Strafprozessordnung (StPO) in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 06.03.2014 – III ZR 320/12 – hingewiesen.

 


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