Wer haftet für die tierärztlichen Behandlungskosten, wenn ein Hund einem anderen Hund Bissverletzungen zufügt und

Wer haftet für die tierärztlichen Behandlungskosten, wenn ein Hund einem anderen Hund Bissverletzungen zufügt und

…. sind Behandlungskosten auch dann ersatzfähig, wenn die Kosten der Heilbehandlung den Wert des Tieres erheblich übersteigen?

Mit Urteil vom 03.02.2022 – 27 C 40/21 – hat das Amtsgericht (AG) Düsseldorf in einem Fall, in dem zwei Hunde, ein großer kräftiger und ein wesentlich kleinerer und schwächerer, 

  • die jeweils von ihren Haltern an einer Leine auf einer Grünfläche geführt worden waren, 

bei ihrer Begegnung, in Verwirklichung ihrer hundeeigenen Instinkte, sich zunächst, 

  • aktiv gegenseitig 

beschnuppert hatten, der große Hund sich dann aber an dem kleineren festgebissen und diesem blutende, 

  • tierärztlich behandlungsbedürftige

Fleischwunden zugefügt hatte, entschieden, dass 

  • nach § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

der Halter des kleinen Hundes 

  • 75 % der Aufwendungen für die tierärztlichen Behandlungskosten 

von dem Halter des großen Hundes ersetzt verlangen kann. 

Begründet hat das AG dies damit, dass bei einem Schadensereignis wie dem vorliegenden, an dem 

  • zwei Hunde 

beteiligt sind, bei dem Schadensersatzanspruch aus § 833 Satz 1 BGB zu berücksichtigen sind,

  • eine mitwirkende Tiergefahr des jeweils anderen Hundes gemäß § 254 BGB analog 

sowie im Rahmen der zu berücksichtigenden Tiergefahren auch 

  • die Größe und Konstitution 

der jeweiligen Hunde, da insbesondere von 

  • größeren Hunden 

allein aufgrund deren Größe regelmäßig die besondere Gefahr ausgeht, dass diese 

  • im Falle einer Auseinandersetzung zwischen zwei Hunden 

dem jeweils anderen Hund erhebliche körperliche Nachteile zufügen können, so dass hier, wegen der mitwirkenden 

  • höheren Tiergefahr des größeren Hundes 

und nachdem die Tiergefahr des kleineren Hundes, 

  • weil er nicht passiv war, 
  • sondern sich zunächst, seinem hundeeigenen Instinkt folgend, an dem Beschnüffeln aktiv beteiligt hatte, 

ebenfalls mitwirkte und diese auch nicht 

  • gänzlich

in den Hintergrund tritt, von einer Haftungsverteilung 

  • von 25 % zu 75 % 

zu Lasten des Halters des großen Hundes auszugehen ist.

Übrigens:
Im Fall der 

  • Verletzung eines Tieres 

bestimmt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20a Grundgesetz (GG), § 1 Tierschutzgesetz (TierSchG)), dass die 

  • aus der Heilbehandlung des Tieres 

entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen 

  • Wert (nach Alter, Kaufpreis, Lebenserwartung, Gesundheitszustand)

erheblich übersteigen. 

Ausgehend von der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen verbietet sich bei der Schadensbemessung eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise. 

  • Insbesondere gilt, anders als bei Sachen, nicht die Verhältnismäßigkeitsschwelle von 130 %, sondern eine – deutlich – höhere, die auch bei einem Vielfachen des Marktwertes liegen kann.

Allerdings bedeutet das nicht, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz in unbegrenzter Höhe besteht.

Unter der Voraussetzung, dass eine Heilbehandlung 

  • tatsächlich durchgeführt 

wurde, verlangt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB aber, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit 

  • den Behandlungskosten 

belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur gegenüber gestellt wird, der

  • Wert des Tieres,

sondern auch das 

  • aus der Verantwortung für das Tier folgende 

immaterielle Interesse an 

  • der Wiederherstellung seiner Gesundheit und 
  • seiner körperlichen Integrität. 

Danach können bei Tieren mit einem geringen materiellen Wert Behandlungskosten auch dann ersatzfähig sein, wenn sie ein  

  • Vielfaches dieses Wertes 

ausmachen (vgl. Landgericht (LG) Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 – 10 O 582/14 –; Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 11.04.2011 – 21 U 5534/10 – sowie auch LG Bielefeld, Urteil vom 15.05.1997 – 22 S 13/97 – zur Obergrenze, ab der bei einer Katze ohne Marktwert aufgewendete Heilbehandlungskosten als unverhältnismäßig und daher nicht mehr ersatzfähig anzusehen sind). 

Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze kommt es

  • auf das Maß des Verschuldens des Schädigers, 
  • das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier (z. B. „durchschnittlicher Familienhund“) 

sowie darauf an, 

  • ob die aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus tiermedizinischer Sicht vertretbar gewesen sind (Erfolgsaussichten der Behandlung), 
  • wobei diese Aufzählung weitere dem Normziel dienende Kriterien im Einzelfall nicht ausschließt. 

Waren tierärztliche Heilbehandlungskosten 

  • unverhältnismäßig hoch, 

kann der Schädiger den Geschädigten nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Wertersatz in Geld verweisen. 

Der Schädiger schuldet dem Geschädigten vielmehr dann 

  • – in Ausnahme von dieser Vorschrift –  

Ersatz der 

  • noch als verhältnismäßig zu erachtenden 

Tierbehandlungskosten. 

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.10.2015 – VI ZR 23/15 – hingewiesen und in einem Fall, 

  • in dem der Hund des Klägers, ein Jack-Russel-Mischling, durch schuldhaftes Verhalten des Beklagten erheblich verletzt worden war und 
  • der Kläger die tierärztlichen Behandlungskosten für seinen Hund in Höhe von 4.177,59 € erstattet haben wollte, 

entschieden, dass der Kläger vom Beklagten gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die 

  • hier als verhältnismäßig erachteten 

Heilbehandlungskosten seines Hundes in Höhe von 3.000 € verlangen kann.


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