Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 25.11.2014 – 57 C 1312/14 – die Klage auf Erstattung der Abmahnkosten gegen den Inhaber eines Internetabschlusses abgewiesen, der laut Behauptung des ausschließlich Nutzungs- und Verwertungsberechtigten ein Filmwerk über ein Filesharing-Netzwerk verbreitet haben soll und deswegen mit Abmahnschreiben über den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert worden war, es zu unterlassen, das Filmwerk der Klägerin im Internet verfügbar zu machen, wie dies am xxxx um xxxx über die IP-Adresse xxxx geschehen sei.
Eine Haftung des beklagten Inhabers des Internetanschlusses aus § 97 Abs. 2 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ergab sich nicht, weil es der Klägerin nicht gelungen war, zu beweisen, dass der Beklagte der Täter der behaupteten Rechtsverletzung war.
- Der Beklagte konnte nämlich nachweisen, dass seine Ehefrau und seine beiden, ebenfalls in seinem Haushalt lebenden volljährigen Kinder freien Zugang auf den Internetzugang hatten.
Dadurch war die zunächst bestehende tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses diesen allein nutzt, widerlegt. Weitergehende Feststellungen, insbesondere zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Anschlusses, bedurfte es zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung nicht.
Wird ein Internetanschluss nämlich nicht nur vom Anschlussinhaber genutzt, sondern darüber hinaus unbeaufsichtigt von weiteren Personen, spricht – unabhängig von der Frage der Nutzung des Internetanschlusses an einem bestimmten Tag – die Lebenserfahrung nicht mehr dafür, dass lediglich der Anschlussinhaber als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt.
- Der beklagte Anschlussinhaber hatte ferner vorgetragen, dass Ehefrau und die beiden Kinder seinen PC jeweils täglich 1-2 Stunden nutzen und hierbei neben E-mailverkehr auch Webseiten besuchen und Kommunikation per Facebook betreiben.
Damit war der Beklagte der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungspflicht nachgekommen, Umstände vorzutragen, die die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines weiteren Mitbenutzers eröffnen.
Denn aus den Angaben zur inhaltlichen und zeitlichen Nutzung des Anschlusses durch Ehefrau und Kinder ergibt sich, dass diese im Rahmen ihrer üblichen Nutzungsdauer zeitlich in der Lage waren, einen Filesharingdienst zu installieren und zu bedienen.
Ferner legt die regelmäßige Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook es auch nahe, dass die Mitbenutzer des Internetanschlusses von ihren Internetkenntnissen her zu einer solchen Installation in der Lage waren, da es sich bei einem Filesharingclient um ein typisches Windowsprogramm handelt.
Weitergehender Vortrag, insbesondere dazu, welche Personen zu den Zeitpunkten der behaupteten Rechtsverletzungen den Anschluss tatsächlich genutzt haben, ist im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht geboten und jedenfalls im familiären Umfeld treffen einen Anschlussinhaber, insbesondere bezüglich einer nachträglichen Feststellung der Person des Täters, auch keine weitergehenden Aufklärungspflichten.
Denn es würde, wie das AG Düsseldorf ausgeführt hat, das Zeugnisverweigerungsrecht und auch den besonderen Schutz des Instituts der Familie ad absurdum führen, wenn den Anschlussinhaber innerhalb seiner Familie eine umfangreiche Recherchepflicht treffen würde, wer als Täter einer Rechtsverletzung in Betracht kommt. Im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 384 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erscheine es schon zweifelhaft, ob den Anschlussinhaber die Verpflichtung treffe, das positive Ergebnis einer Befragung, nämlich dass ein naher Familienangehöriger die Täterschaft zugegeben habe, mitzuteilen; keinesfalls treffe den Anschlussinhaber jedoch weitergehende Recherchepflichten, wenn einer der Befragung kein Mitnutzer die Rechtsverletzung zugegeben habe.
Im Übrigen sei eine weitergehende Druckausübung auf Familienmitglieder, um der Klägerin einen möglichen neuen Anspruchsgegner zu verschaffen, auch unzumutbar, weswegen die sekundäre Darlegungslast entsprechende Maßnahmen auch nicht fordern kann.
- Nachdem der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen war, traf die Klägerin nun die volle Beweislast für die Täterschaft des Beklagten.
Dieser Beweis war der Klägerin nicht gelungen, weil,
- nachdem die Möglichkeit bestand, dass die Mitnutzer die eigene Rechtsverletzung im Hinblick auf eine drohende Inanspruchnahme verleugnen, weder der Umstand, dass keiner von ihnen die Rechtsverletzung eingeräumt hatte, Rückschlüsse auf eine Täterschaft des Beklagten zuließ,
- noch daraus, dass die von der Klägerin als Zeugen benannten Mitbenutzer von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO und ihrem Auskunftsverweigerungsrecht aus § 384 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht hatten, negativen Schlüsse zum Nachteil des Beklagten gezogen werden durften.
Eine Störerhaftung des Beklagten aus §§ 97 Abs. 1, 97a UrhG auf Erstattung der Abmahnkosten bestand ebenfalls nicht, weil eine solche das Vorhandensein von Überwachungspflichten voraussetzt, die sich jedoch nicht bereits aus der Anschlussinhaberschaft als solches ergeben, sondern nur in dem Umfang bestehen, wie sie sich aus anderen Vorschriften, insbesondere der zivilrechtlichen Aufsichtspflicht, ergeben und solche zivilrechtliche Aufsichts- und Überwachungspflichten und damit auch die Pflicht zur Belehrung hinsichtlich des Verbots von Urheberechtsverletzungen weder gegenüber der Ehefrau, noch gegenüber volljährigen Kindern bestehen.
Vergleiche hierzu auch die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), der entschieden hat,
mit Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 –,
- dass der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung haftet, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen und er erst, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss;
- dass, wenn über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird, eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet wird, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde;
- dass, wenn über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird, der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast trägt, der er dadurch entspricht, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, wobei der Anschlussinhaber insoweit im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet ist;
mit Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 –,
- dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten,
- dass eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, grundsätzlich nicht besteht und
- Eltern zu derartigen Maßnahmen erst verpflichtet sind, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt;
sowie mit Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 –,
- dass den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen und
- dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassung haftet, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.
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