Ärztlicher Befunderhebungsfehler – Kausalitätsnachweis – Beweislastumkehr – Primär- und Sekundärschaden.

Ärztlicher Befunderhebungsfehler – Kausalitätsnachweis – Beweislastumkehr – Primär- und Sekundärschaden.

Bei Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung erfolgt eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. 
Zudem kann auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für einen eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen.

Wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Eine Umkehr der Beweislast ist nur ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist.

Allerdings finden die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungsfehlern grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsverletzungen (Primärschäden) in Frage stehen.

Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden sein sollen, gelten sie nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist. 
Hinsichtlich der Haftung für Schäden, die durch eine (einfach oder grob fehlerhaft) unterlassene oder verzögerte Befunderhebung entstanden sein könnten, gilt nichts anderes.

  • Die haftungsbegründende Kausalität betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutsverletzung, also für den so genannten Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. 
  • Dagegen betrifft die haftungsausfüllende Kausalität den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden.

Rechtsgutsverletzung (Primärschaden), auf die sich die haftungsbegründende Kausalität ausrichtet, ist bei einer unterlassenen oder unzureichenden Befunderhebung nicht die nicht rechtzeitige Erkennung einer bereits vorhandenen behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung. 
Der Primärschaden ist vielmehr in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen.
Das heißt Primärschaden ist die gesundheitliche Befindlichkeit des Patienten, die infolge der unterlassenen oder unzureichenden Befunderhebung entstanden sind, wobei zu dieser gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung auch ein dadurch etwa geschaffenes oder erhöhtes Risiko des Patienten einen weiteren Schaden zu erleiden, gehört.

Darauf hat der Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 02.07.2013 – VI ZR 554/12 – hingewiesen.

 

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