Ausfall des Internetzugangs – ersatzfähiger Vermögensschaden?

Ausfall des Internetzugangs – ersatzfähiger Vermögensschaden?

Mit Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Internetzugangs bestehen kann, wenn dieser wegen einer Unterbrechung für längere Zeit nicht genutzt werden kann.
In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof u. a. ausgeführt,

  • dass Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts nur in Betracht kommt für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgut vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache, denn der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt, da andernfalls die Gefahr bestünde, unter Verletzung des § 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen,
  • sich deshalb der Nutzungsausfallersatz auf Sachen beschränkt, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können und
  • dass bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust des Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstands als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann oder sich nur als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht vermögensrechtlicher Schaden darstellt, ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Gemessen an diesen Kriterien kann, wenn über den Internetzugang auch der Telefon- und Telefaxverkehr abgewickelt wird, für die entfallene Möglichkeit im privaten Bereich das Telefaxgerät zu nutzen, nach Auffassung des BGH kein Ersatz beansprucht werden, weil ein Telefaxgerät zumindest im privaten Bereich kein Wirtschaftsgut ist, dessen ständige Verfügbarkeit für den Einzelnen bei seiner eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und dessen Funktionsstörung sich als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.
Der BGH begründet dies damit, dass die Übermittlung per Telefax die Versendung von Ausdrucken oder Datenträgern auf dem herkömmlichen Post- oder Kurierweg nur ersetzt, die Vorteile des Telefaxverkehrs gegenüber der Inanspruchnahme der klassischen Transportwege somit lediglich Erleichterungen darstellen, die sich in einem höheren Komfort für die Versender und einer Beschleunigung der Übermittlung erschöpfen, so dass, wenn der Fernkopierer ausfällt, damit für den Nutzer lediglich ein vergleichsweise geringes Maß an Umständlichkeit verbunden ist, das sich nicht signifikant auf seine Lebensgestaltung auswirkt.

Im Gegensatz dazu sieht der BGH sowohl die Nutzungsmöglichkeiten eines Telefons, als auch die eines Internetzugangs für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr, als Wirtschaftsgüter an, deren ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung ist.
Denn, wie der BGH ausführt, wirkt sich auch beim Internet eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus.
Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung, deckt thematisch nahezu alle Bereiche ab und ersetzt wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt (von der unübersehbaren Vielfalt z.B. nur: Fernabsatzkäufe, Hotel-, Bahn- und Flugbuchungen, Erteilung von Überweisungsaufträgen, Abgabe von Steuererklärungen, An- und Abmeldung der Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie der Müllabfuhr, Verifikation von Bescheinigungen). Das Internet hat sich zwischenzeitlich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Die Unterbrechung des Internetzugangs hat typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu nutzen, ohne weiteres vergleichbar sind.
Eine Ersatzpflicht für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus diesen Wirtschaftsgütern zu ziehen, besteht damit zwar grundsätzlich.

Allerdings entfällt eine Ersatzpflicht dann, wenn dem Geschädigten ein im Wesentlichen gleichwertiger Ersatz für die Unterbrechung der Festnetztelefon- und Internetverbindung zur Verfügung steht. In Betracht kommen, wenn es nur um einen Ausfall für das Festnetztelefon geht, beispielsweise ein Mobilfunkgerät bzw. wenn es um den Ausfall von Festnetztelefon und Internet geht, ein internetfähiges so genanntes Smartphone, das den unterbrochenen Festnetzzugang ersetzen kann, weil mit ihm auch eine einigermaßen komfortable Internetnutzung möglich ist und wenn dem Geschädigten die jeweils gegebenenfalls entstehenden Kosten für die Anmietung ersetzt werden. Dann fehlt es nämlich an der notwendigen fühlbaren Beeinträchtigung während des maßgeblichen Unterbrechungszeitraums.

Besteht eine Ersatzpflicht, kann als ersatzfähiger Vermögensschaden für den Ausfall des Internetzugangs ein Betrag verlangt werden,

  • der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die für die Bereitstellung eines solchen Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität – ohne Fax- und Telefonnutzung, sofern ein Mobiltelefon als Ersatz für den Ausfall der Festnetztelefonverbindung zur Verfügung steht – für den betreffenden Zeitraum angefallen wären,
  • abzüglich aller auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.

Gegenzurechnen ist das Entgelt, das während des Ausfalls des Anschlusses gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht geleistet werden muss.
Bei der Berechnung der Differenz wird zu beachten sein, dass die Tarife für einen lediglich kurzzeitig bereit gestellten DSL-Anschluss pro Tag regelmäßig erheblich über denjenigen liegen, die bei einer langfristigen Vertragsbindung, wie sie die Parteien eingegangen sind, vereinbart werden.

 

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