Auswechslung eines bestellten Pflichtverteidigers, wann geht das?

Auswechslung eines bestellten Pflichtverteidigers, wann geht das?

Ist für einen Beschuldigten, weil ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 oder Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vorliegt, er keinen Wahlverteidiger (vgl. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) hat und nachdem er gemäß § 142 StPO Gelegenheit hatte einen Verteidiger zu nennen, verfahrensfehlerfrei ein Pflichtverteidiger bestellt worden, wird diese Bestellung nach § 143 StPO in der Regel, von begründeten Ausnahmefällen abgesehen, dann wieder zurückgenommen,

  • wenn sich ein Wahlverteidiger für den Beschuldigte anzeigt.

 

Abgesehen davon ist über den Wortlaut des § 143 StPO hinaus der Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers

  • aus wichtigem Grund zulässig,
  • wobei als wichtiger Grund jeder Umstand in Frage kommt, der den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet.

 

Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn lediglich Auffassungsgegensätze zwischen Beschuldigten und Verteidiger über die Art der Führung der Verteidigung bestehen. Denn ein Beschuldigter hat keinen Anspruch auf Abberufung eines Verteidigers, zu dem er kein Vertrauen zu haben glaubt.

  • Wird vom Beschuldigten behauptet, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts sei zerstört, muss dies von ihm mit konkreten Tatsachen belegt werden.
  • Es ist dann vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen, ob das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger tatsächlich endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann.

 

Ist das Vertrauensverhältnis zwischen einem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger auch vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus gesehen, endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen, dass die sachgerechte Verteidigung durch den zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts nicht (mehr) gewährleistet ist, ist seine Bestellung zum Pflichtverteidiger zu widerrufen und soweit noch erforderlich, nach entsprechender Anhörung des Beschuldigten gemäß §142 StPO ein anderer Pflichtverteidiger zu bestellen.   

Aber auch wenn kein wichtiger Grund für eine Abberufung des bestellten Pflichtverteidigers vorliegt, kann eine Auswechslung des Pflichtverteidigers dann erfolgen, wenn

  • der Beschuldigte sowie beide Rechtsanwälte, der bestellte und der andere, der neu bestellt werden soll, damit einverstanden sind,
  • dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und
  • keine Mehrkosten entstehen, weil der neu als Pflichtverteidiger zu bestellende Rechtsanwalt, was in einem solchen Fall zulässig ist, auf seinen Gebührenanspruch in Höhe der Gebühren verzichtet, die bereits durch die Vertretung durch den Rechtsanwalt, der als Pflichtverteidiger entbunden werden soll, angefallen sind (vgl. Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 17.12.2015 – 2 Ws 582/15 –).

 


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