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Wer haftet wenn ein angemietetes Bankschließfach aufgebrochen und ausgeraubt wird?

Wird von einem unbekannten Dritten, der unter Vorlage eines gefälschten Passes ein Schließfach bei einer Bank angemietet und deshalb Zugang zum Schließfachraum hatte, dort das angemietete Schließfach eines Bankkunden aufgebrochen und daraus Geld entwendet, ist die Bank,

  • wegen Verletzung der ihr gegenüber dem geschädigten Kunden obliegenden Obhuts- und Aufklärungspflichten verpflichtet, diesem den erlittenen Schaden zu ersetzen, wenn die Bank
    • weder besondere Sicherheitsvorkehrungen zur Minimierung der Risiken eines Schließfachaufbruchs getroffen,
    • noch den Kunden, entgegen der stillschweigenden Erwartungshaltung, dass Bankschließfächer in besonderem Maße gesichert sind, hierauf hingewiesen hatte.

 

Das hat der 26. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) in Berlin mit Urteil vom 03.02.2016 – 26 U 18/15 – entschieden.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit, dass ein Kunde, der ein Schließfach anmietet und dort in der Regel wertvolle Dinge aufbewahrt, erwarten kann, dass

  • die Bank gewisse Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Tresore trifft,
  • sie es daher Tätern zumindest in gewissem Umfang erschweren muss, sich unter Täuschung über ihre Identität und über ihre Absichten Zugang zum Schließfachraum zu verschaffen und dort ungehindert Schließfächer auszurauben, indem sie beispielsweise
    • die Echtheit der Ausweispapiere mithilfe des in der betroffenen Filiale vorhandenen Datensystems überprüft,
    • mitgeführte große Tasche vorher oder nachher kontrolliert,
    • im eigentlichen Schließfachraum eine Videokamera zu installiert und den Kunden aus Diskretionsgründen einen nicht überwachten Nebenraum zur Verfügung stellt und/oder
    • eine Alarmanlage, die auf Erschütterungen reagiert, welche durch den Einsatz von Brechwerkzeug hervorgerufen werden, in dem Tresorraum installiert.

 

Zu solchen mit überschaubarem Aufwand zu realisierende Obhutsmaßnahmen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Aufbruch verhindern, ist eine Bank nach Auffassung des Senats gemäß §§ 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, da

  • Einwirkungsmöglichkeiten des Schließfachkunden dahingehend, den Einbruch zu verhindern, nicht bestehen,
  • Schließfachkunden in einem Bankschließfach üblicherweise Gegenstände lagern, die für sie von besonderem Wert sind und die sie als besonders schützenswert erachten und
  • Bankschließfachkunden typischerweise auch die unausgesprochenen Erwartungen haben, dass Bankschließfächer in besonderem Maße gesichert sind (Quelle: Pressemitteilung des Kammergerichts vom 04.03.2016 – 16/2016 –).

 

Folge des Konsums einer Kräutermischung kann Untersagung des Führens von Fahrzeugen sein

Wer eine Kräutermischung konsumiert, in der dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende psychoaktiv wirkende Stoffe enthalten sind, muss damit rechnen, dass die Fahrerlaubnisbehörde

  • die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnet und
  • ihm, wenn er das Gutachten nicht fristgerecht vorlegt, das Führen von Fahrzeugen (z. B. Mofas und Fahrräder) untersagt wird.

 

Darauf hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt/Wstr. mit Beschluss vom 21.01.2016 – 3 L 1112/15.NW – hingewiesen.

Wie das VG ausgeführt hat, ist Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von Fahrzeugen in einem solchen Fall § 6 Abs. 1 Nr.1y des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).
Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen,

  • wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist.

 

§ 3 Abs. 2 FeV verweist für den Fall des Bestehens von Eignungszweifeln auf die entsprechende Anordnung der Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV.
Dass diese Vorschriften nur entsprechend anwendbar sind beruht darauf,

  • dass die Regelungen der §§ 11 bis 14 FeV dem Wortlaut nach nur auf die (Erst-)Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis Anwendung finden und
  • bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen eine Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis nicht erforderlich ist (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 20.06.2013 – 3 B 102/12 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 28.12.2010 – 11 CS 10.2095 –).

 

Ist zu klären, ob Jemand, bei dem der Konsum von Betäubungsmitteln im Sinn des Betäubungsmittelgesetzes oder die missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen nachgewiesen worden ist, diese weiterhin einnimmt, ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.

Die Fahrerlaubnisbehörde legt dabei

  • nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls sowie unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV in der Anordnung fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen eines (Kraft-)Fahrzeugs zu klären sind und
  • teilt dem Betroffenen mit
    • unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist (die ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen ist, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird) auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat,
    • er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie
    • dass, wenn das geforderte Gutachten nicht beigebracht wird, auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen geschlossen werden kann (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

 

Die Regelung, dass, falls sich ein Betroffener weigert, sich untersuchen zu lassen, oder er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV – auch bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen – auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, hat ihren wesentlichen Grund in der Mitwirkungspflicht desjenigen, der durch sein Verhalten Anlass zu Bedenken an seiner Fahreignung gegeben hat. Er muss den notwendigen Teil zur Klärung von berechtigten Eignungszweifeln beitragen.

  • Kommt er dieser Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nach, so darf der Eignungsmangel, der Gegenstand der Ermittlungsmaßnahme war, als erwiesen angesehen werden.

 

Diese Schlussfolgerung ist Ausfluss eines auch im Prozessrecht geläufigen allgemeinen Rechtsgedankens (vgl. § 444 Zivilprozessordnung (ZPO)), wonach im Rahmen der freien Beweiswürdigung der zu beweisende Umstand als erwiesen angesehen werden kann, wenn die Beweisführung vereitelt wird.

Allerdings darf die Schlussfolgerung aus der Nichtbeibringung oder nicht fristgerechten Vorlage eines geforderten Gutachtens auf die fehlende Fahreignung des Betroffenen zum Führen von Fahrzeugen nur dann gezogen werden, wenn die formellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung erfüllt sind und die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet wurde.

Stellt sich die Untersagung des Führens von Fahrzeugen danach als rechtmäßig dar, ist für die Wiedererlangung der Fahreignung der Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz erforderlich (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV).

 

Dialyse bei blinden Patienten

Da im seltenen Fall einer Dislokation (Lageveränderung) der Dialysenadel während einer Dialysebehandlung,

  • wenn Patienten nicht rechtzeitig Alarm auslösen, es zu einem tödlichen Blutverlust kommen kann und
  • man bei blinden Patienten, da diese aufgrund ihrer Erblindung eine Dislokation voraussichtlich nicht bemerken, sich nicht darauf verlassen kann, dass sie rechtzeitig Alarm auslösen,

 

müssen blinde Patienten vor Beginn einer Dialysehandlung über dieses Risiko sowie darüber aufgeklärt werden, dass diese Gefahr durch eine Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms nahezu ausgeschlossen werden kann (Sicherheitsaufklärung),

  • damit sie im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts entscheiden können, ob sie in die gebotene Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms einwilligen.

 

Darauf hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 16.02.2016 – 26 U 18/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein aufgrund einer Diabeteserkrankung erblindeter Dialysepatient verstorben war,
  • weil sich bei einer durchgeführten Dialysebehandlung eine der im linken Oberarm befestigte Dialysenadel gelöst hatte und es zu einer Blutung des Patienten gekommen war,

 

die die Dialysepraxis betreibenden Ärzte zur Zahlung von 5.000 Euro Schmerzensgeld und ca. 2.700 Euro Beerdigungskosten an die Erben des Patienten verurteilt.

Die Entscheidung hat der Senat damit begründet, dass die Dialysebehandlung der Ärzte fehlerhaft gewesen sei, weil

  • Bewegungen eines Patienten auch eine ordnungsgemäß befestigte Dialysenadel abrutschen lassen können,
  • eine derartige Dislokation der Nadel zwar eine seltene Komplikation sei, aber in kürzester Zeit zum Tod eines Patienten führen könne und
  • da man sich aufgrund der Erblindung des Patienten nicht habe darauf verlassen können, dass er bei einem Blutverlust rechtzeitig Alarm auslöst, es zur Verhinderung einer Dislokation der Dialysenadel bei dem Patienten geboten gewesen wäre, seinen linken Arm während der Dialysebehandlung zu fixieren.

 

Dadurch, dass eine Fixierung gegen den Willen des Patienten nicht hätte erfolgen können, war die Schadensersatzpflicht im vorliegenden Fall deshalb nicht ausgeschlossen, da, wie der Senat weiter ausgeführt hat,

  • es versäumt worden sei, dem Patienten vor Behandlungsbeginn, die bei eingeschränkten, insbesondere blinden Patienten, zwingend erforderliche Sicherheitsaufklärung darüber zu erteilen, dass es im seltenen Fall einer Dislokation der Dialysenadel zu einem tödlichen Blutverlust kommen und dieses Risiko durch eine Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms von vorneherein verhindert werden könne,
  • so dass der Patient im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts nicht über seine Einwilligung in die Fixierung habe entscheiden können.

 

Festgestellt hat der Senat aber auch, dass

  • von einer Dialysepraxis eine dauerhafte Überwachung eingeschränkter Patienten aufgrund des damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwandes nicht gefordert werden könne,
  • auch bei Patienten, die nicht selbst Alarm auslösen können, in der Regel eine stündliche Kontrolle genüge und
  • nur bei kreislaufinstabilen Patienten eine häufigere Kontrolle stattfinden müsse.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 02.03.2016 mitgeteilt.

 

In einem Internetbewertungsportal negativ bewertete Betroffene sind nicht wehrlos

Derjenige, der unter einer Internetadresse ein Portal zur Suche und Bewertung von Ärzten betreibt, in dem u.a. registrierten Nutzern die Möglichkeit geboten wird, ohne Angabe ihres Klarnamens die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten, haftet für von Nutzern seines Portals abgegebene negative Bewertungen, wenn betroffene Ärzte wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts die Entfernung der Bewertungen verlangen,

  • da es sich um keine eigenen Behauptungen handelt,
  • nur dann, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat, wobei
    • sich deren Umfang nach den Umständen des Einzelfalles richtet,
    • dabei maßgebliche Bedeutung dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zukommt und
    • hierbei einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden darf, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

 

Nachdem

  • der Betrieb eines Bewertungsportals im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich trägt,
  • diese Gefahr durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt wird und
  • derart verdeckt abgegebene Bewertungen es einem betroffenen Arzt zudem erschweren, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen,

 

muss der Betreiber eines solchen Portals, wenn von betroffenen Ärzten eine für sie nachteilige Behandlungsbewertung beanstandet wird,

  • die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden,
  • ihn dazu anhalten, ihm den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und
  • ihn auffordern, ihm den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen.

 

Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung der Portalbetreiber ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG) in der Lage gewesen ist, muss er anschließend an den Arzt weiterleiten.

Ansonsten liegt eine Verletzung der dem Portalbetreiber obliegenden Prüfpflichten vor.

Darauf hat der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Zahnarzt, der in einem Ärztebewertungsportal von einem anonymen Nutzer u. a. in den Kategorien „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ jeweils mit der Note „6“ bewertetet worden war,

  • von dem Portalbetreiber, mit der Begründung den Bewertenden nicht behandelt zu haben, verlangt hatte, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und
  • der Portalbetreiber die Beanstandung zwar dem Nutzer zu-, dessen Antwort aber unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht an den Zahnarzt weitergeleitet und die Bewertung im Portal belassen hatte (Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2016 – Nr. 49/2016 –).

 

Wenn Werkleistungen mangelhaft sind

Ist das vom Werkunternehmer erstellte Gewerk mangelhaft,

  • steht dem Werkunternehmer grundsätzlich gemäß § 635 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB („… kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen …“) ein Recht zur Selbstvornahme der Nacherfüllung zu,
  • woraus eine entsprechende Obliegenheit des Auftraggebers folgt, dem Werkunternehmer die Ausübung dieses Rechts auch rechtzeitig und hinreichend zu ermöglichen.

 

Dem Auftraggeber obliegt es deshalb, sofern kein Fall des § 636 BGB vorliegt, vom Werkunternehmer mit Fristsetzung hinsichtlich der vorhandenen Mängel bzw. Mängelerscheinungen (bzw. -ursachen) Nacherfüllung zu verlangen, wobei der Auftraggeber sich bei dem Nacherfüllungsverlangen grundsätzlich darauf beschränken darf, (lediglich) die Mangelsymptome zu benennen und keine Mangelursachen benennen muss.

Erhebt der Auftraggeber gegen den Werkunternehmer eine Kostenerstattungsklage nachdem Mängel – ohne die notwendige wirksame Fristsetzung, d.h. unter Missachtung des o.a. Rechts des Werkunternehmers zur eigenen Nacherfüllung (§ 635 BGB) – beseitigt worden sind,

  • trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass das Nacherfüllungsverlangen entbehrlich gewesen wäre.

 

Dafür muss der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass der Unternehmer im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung durch ein Drittunternehmen – auch bei einem unterstellten vorherigen Nacherfüllungsverlangen – endgültig nicht mehr bereit gewesen wäre, den Mangel zu beseitigen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20.01.2009 – X ZR 45/07 –).

Das spätere Prozessverhalten des Unternehmers (insbesondere ein Bestreiten des Mangels oder seiner Verantwortlichkeit dafür) entfaltet in solchen Fällen regelmäßig keine Indizwirkung, wenn zuvor gemeinsam Mängelbeseitigungsversuche unternommen worden sind bzw. der Mangel – ohne hinreichendes Nacherfüllungsverlangen des Auftraggebers gegenüber dem Unternehmer – im Wege einer unberechtigten Ersatzvornahme beseitigt worden ist, da sich das spätere Bestreiten des Unternehmers dann als (bloßes) prozesstaktisches Bestreiten darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005 – VIII ZR 49/05 –).
Dann lassen die Umstände keine (im Sinne eines Beweisindizes tauglichen) Rückschlüsse auf ein hypothetisches früheres Verhalten des Unternehmers zu.

  • Folge der Obliegenheitsverletzung des Auftraggebers durch Missachtung des Nacherfüllungsrechts des Werkunternehmers ist der vollständige Ausschluss jeglicher Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Kosten der unberechtigten Ersatzvornahme.

 

Darauf hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Urteil vom 18.12.2015 – 22 U 84/15 – hingewiesen.

 

Rechtsstaatswidrige polizeiliche Tatprovokation

Eine das Recht eines Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)) verletzende polizeiliche Tatprovokation, die zu einer Strafmilderung, aber auch zu einer Verfahrenseinstellung aufgrund eines Verfahrenshindernisses führen kann (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 23.10.2014 – Individualbeschwerde Nr. 54648/09 – und Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –), liegt vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat.

Dies ist der Fall, wenn eine

  • unverdächtige und
  • zunächst nicht tatgeneigte

 

Person, d.h. eine Person, bei der es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht nicht gab, dass sie an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt ist,

  • durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet worden ist und
  • dies zu einem Strafverfahren geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –; Beschluss vom 19.05.2015 –1StR128/15 –; Urteil vom 30.05.2001 – 1 StR 42/01 –; Urteil vom 18.11.1999 – 1 StR 221/99 –).

 

Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn

  • eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder
  • eine Intensivierung der Tatplanung

 

mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt.

Auch

  • bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen,

 

soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht (beispielsweise bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz) „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –; Beschluss vom 19.05.2015 – 1 StR 128/15 –; Urteil vom 11.12.2013 – 5 StR 240/13 –).

  • Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person dagegen lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation.
  • Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19.05.2015 – 1 StR 128/15 –; Urteil vom 30.05.2001 – 1 StR 42/01 –; Urteil vom 18.11.1999 – 1 StR 221/99 –).

 

Darauf hat der 4. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 19.01.2016 – 4 StR 252/15 – hingewiesen. 

 

Wann liegt eine Meinungsäußerung und wann eine Tatsachenbehauptung vor?

Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage und insbesondere bedeutsam, wenn darüber gestritten wird, ob einem Betroffenen Unterlassungsansprüche aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zustehen.

  • Während die Zulässigkeit einer Tatsachenbehauptung von deren Wahrheit abhängt,
  • sind Meinungsäußerungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt und deshalb nicht schon dann unzulässig,
    • wenn sie das Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzten,
    • sondern nur dann, wenn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des anderen rechtswidrig ist, was davon abhängt, ob die in einem solchen Fall vorzunehmende Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesses des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht auf Meinungsfreiheit ergibt, dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 –; vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 – und vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 –).

 

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert.
Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt.

  • Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist.
  • Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 – und vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 –).

 

Sofern eine Äußerung,

  • in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen,
  • durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist,

 

wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.
Das gilt insbesondere dann, wenn

  • eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. BGH, Urteile vom 29.01.2002 – VI ZR 20/01 –; vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –; vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 – und vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03 –).

 

Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

  • Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (vgl. BGH, Urteile vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –; vom 22.09.2009 – VI ZR 19/08 – und vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

 

Bei der Sinndeutung ist von dem Verständnis auszugehen, das ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum dem Begriff unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs zumisst (BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –).
Dabei ist die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteile vom 30.01.1996 – VI ZR 386/94 –; vom 27.05.2014 – VI ZR 153/13 – und vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 19.01.2016 – VI ZR 302/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Verein, der sich für Belange des Tierschutzes einsetzt, auf seiner Internetseite, verbunden mit der Darstellung der Haltungsbedingungen von Tieren, eine Bank aufgefordert hatte, das Konto eines Interessenverbandes der Tierzüchter zu kündigen,

 

entschieden,

  • dass diese Aufforderung ein mit einer Meinungsäußerung verbundener zulässiger Boykottaufruf sein kann.

 

Wenn Alkohol während der Schwangerschaft das ungeborene Kind schädigt

Hat Alkoholkonsum einer Mutter während der Schwangerschaft zu Schädigungen des ungeborenen Kindes, den Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) geführt, hat das Kind keinen Anspruch auf eine Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Das hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Urteil vom 08.12.2015 – S 1 VG 83/14 – entschieden und die Klage eines 58-Jährigen abgewiesen,

  • bei dem eine fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) festgestellt worden war und
  • der wegen des Alkoholkonsums seiner Mutter während der Schwangerschaft vom Landschaftsverband Rheinland eine Versorgung nach dem OEG wollte.

 

Begründet hat das SG seine – noch nicht rechtskräftige – Entscheidung damit, dass ein Anspruch auf Versorgung nach § 1 Abs. 1 OEG eine infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs erlittene gesundheitliche Schädigung voraussetzt und diese Voraussetzung, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist hier nicht vorgelegen habe, da

  • Alkoholkonsum einer Mutter während der Schwangerschaft keine Straftat sei,
  • die Leibesfrucht nicht Opfer einer Körperverletzung sein könne,
  • nur das ungeborene Leben selbst strafrechtlich geschützt sei und
  • der Versuch eines illegalen Schwangerschaftsabbruchs durch die Mutter des Klägers hier nicht festzustellen gewesen sei.

 

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Düsseldorf mitgeteilt.

 

Im Ausland erworbenes Handy muss im deutschen Mobilfunknetz nicht funktionieren

Wer im Ausland ein Handy kauft und in Deutschland bei einem Mobilfunkdienst einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat, der die Überlassung einer codierten Telekarte nebst einer Rufnummer beinhaltet, kann nicht erwarten, dass das im Ausland erworbene Handy mit der ihm vom Mobilfunkdienst überlassenen Sim-Karte funktioniert.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 06.10.2015 – 261 C 15987/15 – hingewiesen.

Danach besteht für einen Mobilfunkbetreiber in Deutschland, so das AG,

  • keine Verpflichtung, die technischen Konfigurationen so zu gestalten, dass auch ein im Ausland erworbenes Handy verwendet werden kann,
  • sondern nur die Verpflichtung, dass der in Deutschland angebotene Mobilfunkdienst mit jedem in Deutschland handelsüblichen Funktelefon genutzt werden kann.

 

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 26.02.2016 – 17/16 – mitgeteilt.

 

Wenn ein Betroffener mehrere mit einem Fahrverbot zu ahndende Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen hat

Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können,

  • in einer gemeinsamen Verhandlung gleichzeitig entschieden,
  • so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.

 

Darauf hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 16.12.2015 – 4 StR 227/15 – hingewiesen und damit die ihm vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm zur Beantwortung vorgelegte Rechtsfrage,

  • ob bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen, die jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets lediglich ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden kann oder
  • ob es möglich ist, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot – mithin zwei Fahrverbote nebeneinander – zu verhängen,

 

dahingehend entschieden, dass in solchen Fällen nur ein Fahrverbot zu verhängen ist.