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Auch bei zu erwarteten erheblichen Ertrags- oder Gewinneinbußen kein Absehen von Fahrverbot

Einen Ausnahmefall für ein Absehen von einem wegen eines groben Pflichtenverstoßes an sich verwirkten Regelfahrverbot können

 

Allerdings ist unter Berufung auf das rechtsstaatliche Übermaßverbot ein solches Absehen nicht schon dann gerechtfertigt,

  • wenn von einem betroffenen Unternehmer die besondere Härte lediglich mit erwarteten erheblichen Ertrags- oder Gewinneinbußen begründet wird,
  • sofern nicht zugleich konkret aufgezeigt ist, dass diese mit einer drohenden Existenzgefährdung einhergehen.
     

Nur dann ist das Tatgericht gehalten, entsprechenden Behauptungen eines Betroffenen im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht weiter nachzugehen, weil, wenn allein erhebliche Ertrags- oder Gewinneinbußen eintreten, es sich um normale Belastungen handelt, die der Betroffene wegen seines Fehlverhaltens selbst zu vertreten und damit hinzunehmen hat.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Bamberg mit Beschluss vom 28.12.2015 – 3 Ss OWi 1450/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Kleinunternehmer,

  • der fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft (§§ 3 Abs. 3 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) i.V.m. 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO) überschritten hatte,
  • mit der Begründung, dass er Kundenbesuche im gesamten Bundesland zu erledigen habe, einen Fahrer deshalb nicht einstellen könne, da er seit seiner Kindheit als Beifahrer unter massiver Übelkeit, auch in Form von Erbrechen, leide und er aufgrund dessen, falls ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats vollzogen würde, mit erheblichen Ertragseinbußen von ca. 40.000 bis 60.000 € zu rechnen habe,

 

(letztlich vergeblich) erreichen wollte, dass von der Verhängung des wegen der groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß §§ 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV) i.V.m. lfd. Nr. 11.3.6 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV verwirktem einmonatigen Fahrverbot abgesehen wird.

 

Verurteilung allein aufgrund der Zeugenaussage des Tatopfers?

Wird eine Tat vom Tatopfer selbst in einer Zeugenaussage geschildert, so kann der Angeklagte aufgrund dieser Aussage auch dann verurteilt werden, wenn keine weiteren belastenden Indizien vorliegen.
Ist der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Tatopfers überzeugt, steht der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ einer Verurteilung in einem solchen Fall nicht entgegen.
Die Beweiswürdigung und damit auch die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist nämlich allein Sache des Tatrichters.
Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und Zeugenaussagen zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend sein, es genügt, dass sie möglich sind.

Wird ein Angeklagter verurteilt und legt er gegen das Urteil Revision ein, können die Revisionsrichter, was die Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung betrifft, nur überprüfen, ob dem Tatrichter dabei Fehler unterlaufen sind und rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung des Tatrichters nur, wenn sie

 

Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.

Allerdings werden, wenn die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft eines Angeklagten allein auf der Aussage des einzigen Opferzeugen beruht, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen gestellt.
In solchen Fallkonstellationen müssen die schriftlichen Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst hat der Tatrichter einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen.

Macht der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter mit diesem Umstand auseinandersetzen und regelmäßig darlegen, dass und aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen haben.
Darüber hinaus ist es in Fällen,

  • in denen die Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung in wesentlichen Teilen von seinen früheren Angaben abweichen, geboten,
  • jedenfalls die entscheidenden Teile seiner Aussagen in den schriftlichen Urteilsgründen wiederzugeben, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2011 – 1 StR 114/11 – und Beschluss vom 24.04.2014 – 5 StR 113/14 –).

 

Fehlt es an einer aus sich heraus verständlichen, zusammenhängenden Darstellung der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung, die eine Überprüfung

  • der Aussagequalität und
  • der Aussagekonstanz sowie
  • eine Auseinandersetzung mit den festgestellten, auch das Kerngeschehen betreffenden Abweichungen durch das Revisionsgericht ermöglicht,

 

sind die Beweiserwägungen zur Glaubhaftigkeit der Angaben eines Zeugen lücken- und damit rechtsfehlerhaft.

Ebenfalls lückenhaft sind

  • bei kindlichen Zeugen die Feststellungen und Erwägungen zur Aussageentstehung,
  • wenn der Tatrichter nicht erkennbar erwogen hat, ob Anhaltspunkte für eine suggestive Beeinflussung des Kindes durch Dritte bestehen, die den Inhalt ihrer Zeugenaussage beeinflusst haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2014 – 5 StR 113/14 –).

 

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 02.09.2015 – 2 StR 101/15 – hingewiesen.

 

Nottestament vor drei Zeugen bei naher Todesgefahr

Gemäß § 2250 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Erblasser,

  • der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass er seinen letzten Willen voraussichtlich nicht mehr vor einem Notar (vgl. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) oder dem Bürgermeister (vgl. § 2249 BGB) beurkunden lassen kann,
  • sein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.

 

Dabei gehört zu den zwingenden Erfordernissen für den Errichtungsakt auch

  • die Aufnahme einer Niederschrift (§ 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB),
  • die von den Zeugen unterschrieben werden muss (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Beurkundungsgesetz (BeurkG) und § 2249 Abs. 1 S. 5 BGB).

 

Das Mitwirken von drei und nicht nur von zwei Zeugen ist unerlässlich für die Formwirksamkeit eines Testamentes gemäß § 2250 Abs. 2 BGB. Denn bei einem solchen Nottestament, bei dem wegen naher Todesgefahr weder ein Notar (§ 2232 BGB) noch ein Bürgermeister (§ 2249 BGB) hinzugezogen werden kann, übernehmen drei Zeugen die Beurkundungsfunktion.
Die Zeugen werden

  • hier nicht von einer Beurkundungsperson als zusätzliche Überwachungs-, Schreib- oder Genehmigungszeugen zugezogen,
  • sondern das Testament wird vor ihnen selbst errichtet.

 

Damit treten sie gewissermaßen an die Stelle der Amtsperson und übernehmen die Beurkundungsfunktion. Das bedeutet, dass alle drei Zeugen für die richtige Auffassung der Erklärung des Erblassers verantwortlich sind.
Zu diesem Zweck müssen Sie

  • gemeinsam bei der Erklärung zugegen sein und
  • diese anhören.
  • Darüber hinaus obliegt Ihnen die Verantwortung dafür, dass der erklärte letzte Wille zutreffend im Sinne des Erblassers schriftlich niedergelegt wird.

 

Um das zu gewährleisten, ist die Verlesung der über die letztwillige Erklärung aufzusetzenden Niederschrift angeordnet (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 BeurkG), damit der Erblasser alsdann zum Ausdruck bringen kann, ob er bei der Abgabe seine Erklärungen richtig verstanden worden ist und ob die angefertigte Niederschrift seinem letzten Willen entspricht.
Ist das der Fall, dann muss der Erblasser die Niederschrift durch ausdrückliche Erklärung oder auf sonstige Weise genehmigen.
Dabei kann sich die Notwendigkeit ergeben, ein Zeichen oder eine Gebärde des Erblassers entweder im Sinne einer Zustimmung oder als Ablehnung zu deuten.
Hierzu sind wiederum anstelle einer Urkundsperson die drei Zeugen berufen, denen damit eine weitere, besondere Kontrollfunktion übertragen ist.

Erst wenn der Erblasser die Niederschrift nach der übereinstimmenden Beurteilung der drei Zeugen genehmigt hat, steht mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit fest, dass ihr Inhalt der Erklärung über den letzten Willen entspricht.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das Verlesen und die Genehmigung der Niederschrift durch den Erblasser ein ebenso wesentlicher Bestandteil der Testamentserrichtung wie die Abgabe der letztwilligen Erklärung selbst, und der Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 2250 Absatz 2 BGB erfordert demgemäß zur Gültigkeit des Nottestaments in gleicher Weise wie bei der Erklärung des Erblassers auch bei dem Verlesen und der Genehmigung der Niederschrift die Anwesenheit sämtlicher drei Zeugen.
Für diese Mitwirkung der Zeugen

  • genügt es nicht, dass sie die Erklärungen des Erblassers nur hören und richtig wiedergeben können,
  • sondern sie müssen auch die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung bei der Testamentserrichtung gehabt haben.

 

Als mitwirkende Zeugen können deshalb nur Personen gelten,

  • die zur Mitwirkung herangezogen worden sind oder
  • von sich aus ihrer Bereitwilligkeit zur Mitwirkung und die Übernahme der damit verbundenen Verantwortung erklärt haben.

 

Es genügt deshalb nicht, wenn neben zwei mitwirkenden Zeugen eine weitere Person bei der Errichtung des Testamentes zugegen war und die Erklärungen des Erblassers mit angehört hat, wenn sie nicht zugleich das Bewusstsein und den Willen hatte, für den Vorgang als dritter Zeuge mit verantwortlich zu sein.

Haben von den drei mitwirkenden Zeugen nur ein Zeuge oder zwei Zeugen die aufgenommene Niederschrift unterschrieben, dann ist dieser Mangel gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament die Erklärung des Erblassers zuverlässig wiedergibt.
Denn bei der fehlenden Unterschrift eines Zeugen handelt es sich um einen Formfehler, der „bei Abfassung der Niederschrift“ über die Errichtung des Testamentes unterlaufen ist, und der unter den Voraussetzungen des § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich ist.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin mit Beschluss vom 29.12.2015 – 6 W 93/15 – hingewiesen.

 

Auch bei nachbarschaftlichen Gefälligkeiten ist Haftung nicht ausgeschlossen

Wer absprachegemäß in der urlaubsbedingten Abwesenheit seines Nachbarn die Bewässerung von dessen Hausgarten übernimmt und

  • dabei durch leicht fahrlässiges Verhalten, beispielsweise weil er vergisst den Wasserhahn abzudrehen, einen Wasserschaden verursacht, für den die Gebäude- und Hausratsversicherung des Nachbarn eintritt,
  • kann von der Versicherung in Regress genommen werden.

 

Aus dem Nachbarschaftsverhältnis ergibt sich in diesen Fällen keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 17.11.2015 – 9 U 26/15 – hingewiesen und in einem Fall wie dem obigen, in dem die Klägerin den bei ihr versicherten Nachbarn aus der Gebäude- und Hausratversicherung für den vom Beklagten verursachten Wasserschaden ca. 7.300 Euro erstattet hatte, entschieden, dass die Klägerin den Erstattungsbetrag von dem haftpflichtversicherten Beklagten ersetz verlangen kann.

Seine Entscheidung hat der Senat damit begründet,

  • dass der Klägerin zwar vertragliche Ansprüche ihres Versicherungsnehmers aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht nicht zustehen, weil die Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn während dessen längeren Abwesenheit zu den alltäglichen unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten im Rahmen einer intakten nachbarschaftlichen Gemeinschaft gehört,
  • der Beklagte allerdings deliktsrechtlich nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 86 VVG für den verursachten Schaden haftet, weil er es versäumt hat, den Wasserhahn zu schließen und
  • ein Haftungsverzicht für leicht fahrlässiges Verhalten nicht angenommen werden kann, da daran weder der Beklagte noch sein Nachbar gedacht hatten.

 

Eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz lasse sich, wie der Senat weiter ausgeführt hat,

  • weder allein aus dem guten Nachbarschaftsverhältnis ableiten,
  • noch kann die von dem Bundesgerichtshof (BGH) entwickelte Rechtsprechung zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei leicht fahrlässig verursachten Schäden am Gebäude durch den Mieter auf Fälle der vorliegende Art übertragen werden (BGH, Urteile vom 13.09.2006 – IV ZR 26/04 und IV ZR 116/05 –).

 

Wann haftet Gebäudeversicherer für Frostschäden im unbewohnten Ferienhaus?

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 23.12.2015 – 5 U 190/14 – in einem Fall,

  • in dem ein Eigentümer eines Ferienhauses, nachdem Anfang Februar, als Minustemperaturen im zweistelligen Bereich herrschten, in seinem zu dieser Zeit nicht bewohntem Ferienhaus nach dem Ausfall der Heizungsanlage (Baujahr 2009) mehrere Leitungen und Heizkörper geplatzt waren, es dadurch zu einem erheblichen Wasserschaden gekommen war und
  • der Eigentümer des Ferienhauses deswegen von seinem Gebäudeversicherer Zahlung einer Entschädigung in Höhe von rd. 11.000,-€ verlangt hatte,

 

seiner Klage im wesentlichen stattgegeben.

Der Gebäudeversicherer haftete für den in dem Ferienhaus entstandenen Frostschaden, da aufgrund der Beweisaufnahme feststand,

  • dass die Ventile der Heizkörper zumindest auf der sog. Sternstufe gestanden waren sowie
  • von einem von dem Kläger beauftragten Ehepaar zwei Mal die Woche in dem Ferienhaus alles überprüft, insbesondere auch die Heizungsanlage kotrolliert worden war und

 

der Kläger deshalb nach Auffassung des 5. Zivilsenats des OLG Oldenburg keine vertraglichen Obliegenheiten verletzt hatte.

Der Senat begründete dies damit, dass das Ferienhaus aufgrund der Heizkörperventileinstellung ausreichend beheizt und gegen Frost gesichert und die Heizungsanlage auch ausreichend kontrolliert worden war.
Bei einer Heizungsanlage aus dem Jahr 2009 reicht danach eine zwei Mal wöchentlich erfolgende Kontrolle aus.
Denn eine Heizungsanlage sei nur so häufig zu kontrollieren, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein reibungsloses Funktionieren gewährleistet werden könne und eine Heizung so häufig zu kontrollieren, dass es auch bei einem plötzlichen Ausfall der Anlage nicht zu einem Frostschaden kommen könne, obliege einem Versicherungsnehmer nicht.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgericht Oldenburg am 18.01.2016 mitgeteilt.

 

Absehen von an sich verwirktem Regelfahrverbot nach qualifiziertem Rotlichtverstoß?

Überquert ein Autofahrer unter Missachtung des schon länger als eine Sekunde andauernden Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ohne anzuhalten eine Kreuzung deshalb,

  • weil die für den parallelen Fußgängerverkehr geltende Lichtzeichenanlage bei seiner Annäherung an die Kreuzung auf Grün umgeschaltet und er diese Lichtzeichenanlage mit der für ihn und seine Fahrtrichtung geltende Lichtzeichenanlage verwechselt hat,

 

kann er nicht damit rechnen, dass das deswegen mit Bußgeldbescheid wegen fahrlässig begangener Nichtbeachtung einer schon länger als eine Sekunde andauernden Rotphase einer Lichtzeichenanlage (so genannter qualifizierter Rotlichtverstoß) gemäß § 24 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7; 49 Abs. 3 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), neben einer Geldbuße, festgesetzte einmonatige Regelfahrverbot im gerichtlichen Verfahren wegfällt.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg im Beschluss vom 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15 – hingewiesen.

Für den Wegfall des verwirkten Regelfahrverbots aufgrund eines sogenannten „Augenblicksversagens“ ist danach in einem solchen Fall kein Raum.
Denn ein sog. Augenblicksversagen, welches ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, scheidet in Fällen grober Pflichtverletzung von vornherein aus und im Falle einer Verwechslung einer Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage kann schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden. Bei der Verpflichtung zur Unterscheidung einer Fußgängerampel und der für den Kraftfahrer maßgeblichen Ampel handelt es sich nämlich um eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer in jeder Lage ohne weiteres bewältigen muss. Eine derartige Verwechslung lässt – wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten – nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betroffenen zu, bei der ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht gerechtfertigt ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2015 – 3 Ss OWi 900/15 –).

 

Für mit dem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte von Internetseiten Dritter

Die Haftung desjenigen, der auf seiner Internetseite einen Hyperlink auf eine Website mit rechtswidrigen Inhalten setzt, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.10.2007 – I ZR 102/05 –)
Stellt das Setzen des Links, weil dadurch die fremde Internetseite für den eigenen werblichen Auftritt genutzt wird, eine geschäftliche Handlung dar, begründet dies allein eine Haftung für die Inhalte der über den Link erreichbaren Internetseite noch nicht.

  • Macht sich derjenige, der den Hyperlink setzt, die Inhalte, auf die er verweist, allerdings zu eigen, haftet er dafür wie für eigene Informationen.

 

Maßgeblich für die Frage, ob man sich mit seinem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte zu Eigen macht, ist die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2009 – I ZR 166/07 –).

  • Darüber hinaus kann derjenige, der seinen Internetauftritt durch einen elektronischen Verweis mit wettbewerbswidrigen Inhalten auf den Internetseiten eines Dritten verknüpft,
    • im Fall der Verletzung absoluter Rechte als Störer (vgl. zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11 –; zum Persönlichkeitsrecht Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 –) und
    • im Fall der Verletzung sonstiger wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen aufgrund der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04 –) in Anspruch genommen werden,
    • wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat, die sich aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass Hyperlinks die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte erhöhen, die sich auf den Internetseiten Dritter befinden.

 

Ist ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte, sofern er sich diese nicht zu eigen gemacht hat, grundsätzlich erst, wenn

  • er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte
  • selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt.

 

Wer einen Hyperlink setzt, ist bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine klare Rechtsverletzung handelt.

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 18.06.2015 – I ZR 74/14 – hingewiesen.

 

Berufung auf ein, das Absehen von einem Regelfahrverbot rechtfertigendes Augenblicksversagen nach Geschwindigkeitsüberschreitung?

Von einem ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigenden sog. Augenblicksversagen kann nur für den Fall

 

Für den Begriff des Augenblicksversagens ist deshalb kennzeichnend,

  • dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handeln muss.
  • Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn das fragliche Fehlverhalten des Betroffenen jener Fehlreaktion bereits vorgelagert war.

 

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 04.01.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • ein Betroffener, der als Führer eines Pkw’s mit Anhänger die nach § 3 Abs. 3 Nr. 2a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von lediglich 80 km/h um 40 km/h überschritten und
  • sich im gerichtlichen Verfahren gegen das mit Bußgeldbescheid gegen ihn, neben einer Geldbuße, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV) i.V.m. lfd. Nr. 11.1.7 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV sowie § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV wegen grober und beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verhängte einmonatige Regelfahrverbot damit verteidigt hatte, geglaubt zu haben, mit dem von ihm ausgeliehenen Anhänger 100 km/h fahren zu dürfen, weil an diesem ein entsprechendes Schild angebracht gewesen sei,

 

entschieden, dass dieser Irrtum des Betroffenen über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei der Übernahme des Anhängers deshalb kein so genanntes Augenblicksversagen darstellte, welches ein Absehen von dem Regelfahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes rechtfertigen kann, weil

  • in der Zulassungsbescheinigung eine Eintragung der 100-km/h-Zulassung nicht erfolgt war, der Betroffene die insoweit gebotene Überprüfung der Fahrzeugpapiere unterlassen hatte und
  • das Fehlverhalten des Betroffenen somit bereits bei Übernahme des Anhängers gegeben war.

 

Einladungs-E-Mail „Freunde finden“ des Internet-Dienstes „Facebook“ ist unzulässige Werbung

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 65/14 – entschieden,

  • dass die mithilfe der Funktion „Freunde finden“ des Internet-Dienstes „Facebook“ versendeten Einladungs-E-Mails an Personen, die nicht als „Facebook“-Mitglieder registriert sind, eine wettbewerbsrechtlich unzulässige belästigende Werbung darstellt und
  • dass „Facebook“ im Rahmen des im November 2010 zur Verfügung gestellten Registrierungsvorgangs für die Funktion „Freunde finden“ den Nutzer über Art und Umfang der Nutzung von ihm importierter Kontaktdaten irregeführt hat.

 

Dass Einladungs-E-Mails von „Facebook“ an Empfänger, die in den Erhalt der E-Mails nicht ausdrücklich eingewilligt haben, eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen hat der Senat damit begründet, dass

  • es sich dabei um Werbung des Betreibers der Internet-Plattform „Facebook“ handelt, auch wenn ihre Versendung durch den sich bei „Facebook“ registrierenden Nutzer ausgelöst wird, weil es sich um eine von dem Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ zur Verfügung gestellte Funktion handelt, mit der Dritte auf das Angebot von „Facebook“ aufmerksam gemacht werden sollen und
  • die Einladungs-E-Mails vom Empfänger auch nicht als private Mitteilung des „Facebook“-Nutzers, sondern als Werbung des Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ verstanden wird.

 

Durch die Angaben, die der Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ im November 2010 bei der Registrierung für die Facebook-Funktion „Freunde finden“ gemacht hat, hat er sich registrierende Nutzer entgegen § 5 UWG über Art und Umfang der Nutzung der E-Mail-Kontaktdaten deshalb getäuscht, weil

  • der im ersten Schritt des Registrierungsvorgangs eingeblendete Hinweis „Sind deine Freunde schon bei Facebook?“ nicht darüber aufklärt, dass die vom Nutzer importierten E-Mail-Kontaktdaten ausgewertet werden und eine Versendung der Einladungs-E-Mails auch an Personen erfolgt, die noch nicht bei „Facebook“ registriert sind und
  • die hinterlegten Informationen unter dem elektronischen Verweis „Dein Passwort wird von Facebook nicht gespeichert“ die Irreführung nicht ausräumen können, nachdem ihre Kenntnisnahme durch den Nutzer nicht sichergestellt ist.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 14.01.2016 – Nr. 7/2016 – mitgeteilt.

 

Filesharing – Haftung für aus der Familie heraus begangene Urheberrechtsverletzungen?

Behauptet ein Rechteinhaber, beispielsweise von Musiktiteln, dass die Musiktitel über den Internetanschluss eines Ehepaars mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Internettauschbörse unberechtigt zum Herunterladen angeboten worden sind und verlangt er von dem Ehepaar deshalb Schadensersatz sowie Ersatz der Abmahnkosten, muss der Rechteinhaber als Anspruchstellers, nachzuweisen, dass das von ihm auf Schadensersatz in Anspruch genommene Ehepaar für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) verantwortlich ist.

Allerdings spricht dann, wenn feststeht, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung, die einen sogenannten Anscheinsbeweis begründet, zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt,

  • für eine Täterschaft des Anschlussinhabers und
  • wenn mehrere Personen, wie beispielsweise ein Ehepaar den Internetanschluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam halten, für die Täterschaft aller Anschlussmitinhaber,

 

wenn – im Fall der hinreichenden Sicherung des Anschlusses – der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden war,

  • was der Anspruchsteller, der sich auf die tatsächliche Vermutung stützen will, grundsätzlich darzulegen und nötigenfalls zu beweisen hat.

 

Beweisen muss der Rechteinhaber seine Darlegung, dass der Anschluss von den in Anspruch genommenen Eheleuten nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden ist, jedoch erst dann,

  • wenn die Eheleute dieser Darlegung mit konkreten Angaben entgegentreten und sie nicht nur pauschal bestreiten, wobei
  • der Anschlussinhaber dieser sogenannten sekundären Darlegungslast nur dann genügt, wenn er vorträgt,
    • ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen.
      In diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat.

 

Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast,

  • ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

 

Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht,

  • so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen und
  • der Anschlussinhaber muss in diesem Fall zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 14.02.2016 – 29 U 2593/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem sich ein von einem Rechteinhaber wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten in Anspruch genommenes Ehepaar gegen diese Forderungen damit verteidigt hatte, dass, was von dem Rechteinhaber bestritten worden war, Zugang zu ihrem Internetanschluss auch ihre drei volljährigen Kinder gehabt haben, die Verletzungshandlung von einem der Kinder vorgenommen worden sein soll, sie auch wüssten von welchem, den Namen jedoch nicht benennen wollen,

 

entschieden,

  • dass das Ehepaar als Täter der begangenen Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) anzusehen ist und auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten haftet.

 

Begründet hat das OLG seine Entscheidung damit, dass die Eheleute ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hätten,  

  • da es ihnen oblag mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände der Verletzungshandlung gewonnen haben,
  • sie sich trotz ihrer Kenntnis jedoch geweigert hätten den Namen des Kindes zu nennen, das die Verletzungshandlung begangen haben soll und
  • die Eheleute sich damit lediglich pauschal, ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung zu machen, auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer drei Kinder auf den Internetanschluss berufen hätten.

 

Nachdem die Eheleute ihrer sekundären Darlegungslast nicht entsprochen haben, ist das OLG von der tatsächlichen Vermutung ausgegangen, dass sie als Inhaber des Anschlusses auch die Täter der Rechtsverletzung waren.
Diese tatsachliche Vermutung war von den Eheleuten nämlich nicht widerlegt worden.
Denn die Eheleute waren diesbezüglich, da sich ihre als Zeugen benannten Kinder auf ihr ihnen jeweils gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben, beweisfällig geblieben.  

Nach Auffassung des OLG steht Art. 6 Abs.1 Grundgesetz (GG) der sekundären Darlegungslast mit der obigen Verpflichtung nicht entgegen, weil auch die gegenläufigen Belange der Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen würden, zu berücksichtigen seien und diese ihre Ansprüche bei Rechtsverletzungen vermittels von Familien genutzter Internetanschlüsse regelmäßig nicht durchsetzen könnten, wenn sich Eltern als Internetanschlussinhaber nicht im Einzelnen dazu erklären muss, wie es über ihren Internetanschluss erfolgten Rechtsverletzungen aus der Familie heraus gekommen ist.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts München am 14.02.2016 – 2/16 – mitgeteilt.