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Wie weit reicht die Verantwortlichkeit des (nur) aufklärenden Arztes?

Auch ein Arzt, der einen Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt, kann dem Patienten im Falle einer fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung aus unerlaubter Handlung haften.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.10.2014 – VI ZR 14/14 – hingewiesen.

Denn, wie der VI. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, kann auch ein Arzt, der nur die Aufklärung des Patienten über eine ihm angeratene Operation übernommen hat, eine unerlaubte Handlung begehen (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2009 – VI ZR 251/08 –).
Mit der Aufklärung übernimmt der Arzt nämlich einen Teil der ärztlichen Behandlung, was – wie auch sonst die tatsächliche Übernahme einer ärztlichen Behandlung – seine Garantenstellung gegenüber dem sich ihm anvertrauenden Patienten begründet. Ist die Aufklärung unvollständig und die Einwilligung des Patienten in die Operation unwirksam, kann der aufklärende Arzt deshalb gemäß § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Ersatz des durch die Operation entstandenen Körperschadens verpflichtet sein.
Dies gilt nicht nur dann, wenn der aufklärende Arzt dem Patienten als zunächst behandelnder Arzt auch zur Operation geraten hat (so allerdings OLG Bamberg, Urteil vom 15.09.2003 – 4 U 11/03 –)

Ob ein Arzt, der nur die Aufklärung eines Patienten über eine ihm angeratene Operation übernommen hat, diesen

  • lediglich über die allgemeinen Risiken der beabsichtigten Operation aufzuklären hat oder
  • auch über die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen (wenn das Misserfolgsrisiko hoch und die Indikation zweifelhaft ist),

hängt von der Reichweite seiner Garantenstellung ab.
Die Annahme einer Garantenpflicht bei tatsächlicher Übernahme einer ärztlichen Behandlung hat ihren Grund

  • in der Übernahme eines Auftrags, etwa gegenüber den behandelnden Ärzten, den Patienten über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Operationen aufzuklären  (vgl. BGH, Urteile vom 31.01.2002 – 4 StR 289/01 – und vom 08.02.2000 – VI ZR 325/98 –) oder
  • in dem Vertrauen, das der betreffende Arzt beim Patienten durch sein Tätigwerden hervorruft und diesen davon abhält, anderweitig Hilfe in Anspruch zu nehmen.

In der vorgenannten zweiten Fallgruppe ist für die Reichweite der Garantenstellung des Arztes der Umfang des Vertrauens entscheidend, das sich der Patient aufgrund des konkreten Auftretens des Arztes berechtigterweise bilden darf.
Dies lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei kommt es darauf an, wie ein objektiver Dritter in der Lage des Patienten das Verhalten des Arztes in der konkreten Behandlungssituation verstehen durfte. 

 

Wenn ein Autofahrer das Mobiltelefon während der Fahrt an den Beifahrer weitergibt und der den Anruf entgegennimmt.

Ein Autofahrer, der während des Fahrens sein Handy lediglich aufnimmt und es, ohne vorher das Display abzulesen, seinem Beifahrer reicht, benutzt es nicht und handelt deshalb auch nicht ordnungswidrig nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 22, 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).

Das hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln mit Beschluss vom 07.11.2014 – III-1 RBs 284/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war eine Autofahrerin, die ihr Mobiltelefon, als es während der Fahrt klingelte, ohne vorher auf das Display zu schauen, an ihrem Beifahrer, der das Gespräch entgegennahm, weitergereicht hatte, vom Amtsgericht wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons nach § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 40 Euro verurteilt worden.

Das OLG Köln sah in diesem Verhalten der Autofahrerin keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO und hob das amtsgerichtliche Urteil auf.

Zwar schließe, wie das OLG Köln ausgeführt hat, eine Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO „Vor- und Nachbereitungshandlungen“ ein. Dem unterfalle etwa

  • das Aufnehmen des Mobiltelefons, Ablesen der Nummer und anschließendes Ausschalten des Geräts,
  • das „Wegdrücken“ eines eingehenden Anrufs,
  • das Aufnehmen des Mobiltelefons, um ein eingehendes Gespräch entgegenzunehmen, auch wenn die Verbindung letztlich nicht zustande kommt und
  • das Abhören eines Signaltons, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist.

Nicht mehr vom gesetzlichen Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO gedeckt sei aber

  • die bloße Ortsveränderung des Mobiltelefons,

weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweise. Daher erfüllt den Tatbestand nicht, wer das Mobiltelefon lediglich aufnehme, um es andernorts wieder abzulegen.

Der Argumentation, dass im Aufnehmen des Geräts nach Erklingen des Signaltons regelmäßig der erste Schritt zur Kommunikation zu erblicken sei, folgt das OLG nicht.

Die Fahrerin habe hier durch die Weitergabe des Mobiltelefons

  • ohne vorheriges Ablesen des Displays

nämlich keinen eigenen Kommunikationsvorgang vorbereitet. Der Fall sei deshalb letztlich nicht anders zu beurteilen als die Ortsveränderung eines beliebigen Gegenstands im Fahrzeug, wie etwa wenn der Fahrer das Mobiltelefon wegen von diesem ausgehender störender Geräusche verlege.
Von den Fällen des „Wegdrückens“ eines eingehenden Anrufs oder des Ausschaltens des Geräts unterscheide sich der vorliegende Fall dadurch, dass dort gerade eine der Funktionsmöglichkeiten des Mobiltelefons genutzt werde.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Köln am 01.12.2014 mitgeteilt.

 

Die Teilnahme an einer etwaigen sittenwidrigen Schädigung nach § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 826 BGB.

Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen.

  • Danach verlangt die Teilnahme
    • neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen
    • den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern;
  • objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist.

Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden,

  • das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und
  • das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war

(Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 13.07.2004 – VI ZR 136/03 – und vom 03.12.2013 – XI ZR 295/12 –).

Nach der Rechtsprechung des BGH zur Beihilfe

  • durch sogenannte neutrale bzw. berufstypische Handlungen

kann nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden.
Vielmehr bedarf es insbesondere in Fällen, die so genannte „neutrale“ Handlungen betreffen, einer wertenden Betrachtung im Einzelfall.

  • Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten.

Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten.

  • Falls der Handelnde nicht weiß, wie sein Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, sondern es lediglich für möglich hält, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.

Dies bedeutet, dass auch neutrale Handlungen eine objektive Hilfeleistung darstellen können und die Qualifizierung neutraler Handlungen als Beihilfehandlungen ein Problem des subjektiven Tatbestandes ist (BGH, Urteil vom 12.10.2010 – XI ZR 394/08 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 30.09.2014 – VI ZR 567/13 – hingewiesen.

 

Vereinbarung im Wohnraummietvertrag, dass der Vermieter den Umlageschlüssel für die Betriebskosten nach billigem Ermessen festlegen soll, ist zulässig und wirksam.

Es steht den Mietvertragsparteien im Wohnraummietrecht frei,

  • anstelle eines konkreten Umlageschlüssels
  • ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen des Vermieters

zu vereinbaren, da die Regelung in § 556a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abdingbar ist.

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 05.11.2014 – VIII ZR 257/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war von den Parteien in dem von ihnen geschlossenen Wohnraumietvertrag vereinbart worden, dass

  • von dem Mieter, neben der Miete, gemäß § 6 des Mietvertrags monatlich eine Betriebskostenvorauszahlung zu leisten,
  • über die Betriebskosten seitens der Vermieterin jährlich abzurechnen ist und
  • der Vermieter mit der Abrechnung über die Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode gemäß § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags den „Umlageschlüssel nach billigem Ermessen“ festlegen soll.

Der Vermieter hatte daraufhin in der Betriebskostenabrechnung hinsichtlich der Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt abgerechnet.

Dies ist nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH nicht zu beanstanden, weil die Parteien mit der Regelung in § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags wirksam eine andere Regelung des Umlagemaßstabs im Sinne von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben, indem sie dem Vermieter ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt haben.
Danach stehen weder der Wortlaut noch der Gesetzeszweck von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB einer solchen Vereinbarung entgegen.
Dem Wortlaut von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrecht durch die Parteien unzulässig ist. Auch § 556a Abs. 3 BGB begrenzt die Vertragsfreiheit der Mietvertragsparteien nur in Bezug auf die in § 556a Abs. 2 BGB formulierten Voraussetzungen der gesetzlich zugelassenen einseitigen Änderung des Abrechnungsmaßstabs durch den Vermieter.

  • Im Umkehrschluss ist § 556a Abs. 1 BGB in vollem Umfang abdingbar.
  • Daher steht es den Mietparteien auch frei, anstelle eines konkreten Umlageschlüssels ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren.

Dem steht auch nicht das Anliegen des Gesetzgebers entgegen, Streitigkeiten in den Fällen zu verhindern, in denen die Parteien keinen Verteilungsmaßstab vereinbart haben. § 556a Abs. 1 BGB soll für diese Fälle anstatt des nach der vor dem 01.09.2001 geltenden Rechtslage lückenfüllend herangezogenen einseitigen Bestimmungsrechts des Vermieters einen konkreten Abrechnungsmaßstab bereitstellen.
Sofern die Parteien jedoch dem Vermieter durch eine entsprechende Vereinbarung das Recht vorbehalten, den Abrechnungsmaßstab einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen, nehmen sie das Risiko von Streitigkeiten über dessen Ausübung „sehenden Auges“ in Kauf. Dass der Gesetzgeber die Parteien vor solchen, auch in anderen Fällen mit einem vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht notwendig verbundenen Risiko bewahren wollte und hierzu die Vertragsfreiheit weiter einschränken wollte, als in § 566a Abs. 3 BGB zum Ausdruck gebracht worden ist, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

Auch ist, worauf der VIII. Zivilsenat des BGH hingewiesen hat, die Formularklausel in dem obigen Fall nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, denn eine unangemessene Benachteiligung des Mieters ist angesichts des Umstandes, dass die einseitige Festlegung entsprechend §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen hat, nicht gegeben. 

 

Warum ungenehmigte Auslandsfahrten mit einem Mietwagen teuer werden können.

Wer unberechtigt mit einem Mietfahrzeug ins Ausland fährt muss damit rechnen,

  • dass das Fahrzeug vom Vermieter wegen Diebstahlsverdachts stillgelegt wird und
  • er diesem die dadurch veranlassten Kosten erstatten muss.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 15.4.14 – 182 C 21134/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger mit einem in München  gemieteten Porsche nach Italien gefahren, obwohl in dem Mietvertrag lediglich eine Auslandseinreise nach Österreich erlaubt war.
Als die beklagte Autovermieterin über die GPS-Überwachung bemerkte, dass sich das Fahrzeug in Mailand befindet und der Kläger telefonisch nicht erreichbar war, ging sie von einem Diebstahl aus, legte den PKW still und beauftragte einen Abschleppdienst damit, den Porsche mit einen Abschlepp-LKW zurück nach München zu transportieren.
Der Fahrer des Abschlepp-LKWs war schon fast in Mailand, als die Autovermieterin über das GPS nachfolgend feststellte, dass sich der Porsche bewegt, worauf sich ihr Ehemann, weil sie davon ausging, dass das Fahrzeug abtransportiert wird, auf den Weg nach Mailand machte. Als er bereits an der deutsch-österreichischen Grenze war, meldete sich der Kläger fernmündlich.

Nach der Rückgabe des Fahrzeugs durch den Kläger stritten die Parteien darüber, ob der Kläger seine Kaution in Höhe von 3363,80 Euro zurück verlangen oder die Autovermieterin mit den Kosten aufrechnen kann, die ihr durch die Beauftragung des Abschleppunternehmens sowie die Fahrt ihres Ehemann entstanden sind.

Das AG München gab der Autovermieterin im wesentlichen Recht und sprach dem Kläger von seiner Kaution lediglich noch 54,55 Euro zu.

Die Gründe hierfür waren, dass

  • der Kläger seine vertraglichen Pflichten verletzt hatte, indem er ohne Genehmigung mit dem Porsche nach Italien gefahren war,
  • die Autovermietung aufgrund der GPS Daten, der Unerreichbarkeit des Klägers sowie ihrer Erfahrung, dass in Italien, insbesondere in Mailand, viele Autos gestohlen würden und Autoschieber tätig seien, von einem Diebstahl ausgehen und das Auto stilllegen sowie ein Abschleppunternehmen mit einem Abschlepp-LKW nach Italien schicken durfte,
  • ein Abschlepp-LKW erforderlich war, da man auf diesen einen PKW auch ohne Schlüssel verladen konnte, bei einem kleineren Abschlepp-LKW die Räder des abgeschleppten Fahrzeugs nämlich noch rollen können müssen und die Autovermieterin nicht wusste, in welchem Zustand der Porsche angetroffen werden wird und
  • es nach Auffassung des AG München auch vertretbar war, den Ehemann der Autovermieterin zusätzlich auf den Weg nach Italien zu schicken, um vor Ort mit Hilfe des GPS das Fahrzeug aufzuspüren und anzuhalten, zumal im Hinblick auf den Wert des Mietfahrzeugs der betriebene Aufwand nicht unverhältnismäßig erschien, sich der Vorfall an einem Sonntag ereignet und die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hatte, dass weder über die deutschen noch über die italienischen Behörden eine schnelle und effektive Hilfe zu erwarten war.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 28.11.2014 – 52/14 – mitgeteilt.

 

§ 940a Abs. 2 ZPO ist weder direkt noch analog auf Gewerberäume anwendbar, sondern ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung von vermietetem Gewerberaum durch einen Dritten, der im Besitz der Mietsache ist, kann nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 940a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt werden.

Das hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Beschluss vom 24.11.2014 – 2 W 237/14 – entschieden.

Die Vorschrift des § 940 a Abs. 2 ZPO, nach der eine Räumung auch gegen einen Dritten angeordnet werden kann, der im Besitz der Mietsache ist, wenn

  • gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und
  • der Vermieter von dem Besitzerwerb des Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat,

ist angesichts der klaren Gesetzeslage ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar ist (a.A. Landgericht (LG) Hamburg, Urteil vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 –).

Wegen der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung ist auch eine analoge Anwendung des § 940 a Abs. 2 ZPO außerhalb von Wohnraummietverhältnissen nicht möglich. Es fehlt nämlich bereits an der für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Gegen eine Erstreckung des Anwendungsbereichs von § 940 a Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Mieträume spricht bereits der klare Wortlaut der Norm, der ausdrücklich von der „Räumung von Wohnraum“ spricht. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen die Anwendbarkeit der Norm auf sonstige Mieträume, da der Gesetzgeber die Vorschrift im Zuge des Mietrechtsänderungsgesetzes unter der amtlichen Überschrift „Räumung von Wohnraum“ angesiedelt hat.
Schließlich ergibt sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Mietrechtsänderungsgesetz 2013, dass der Gesetzgeber im Zuge der Reform auf die von ihm als abänderungbedürftig gewerteten Missstände allein bei der Wohnraummiete reagieren und eine vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln gegen dem Vermieter bis dahin unbekannte mitbesitzende Untermieter, Familienmitglieder, Lebenspartner oder sonstige Personen schaffen wollte.
Obwohl im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Regelungen auch für das Gewerberaummietrecht angeregt wurden und der Deutsche Mietgerichtstag e.V. in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes ausdrücklich gefordert hatte, in einem  § 940 b ZPO die Anwendbarkeit zumindest des § 940 a Abs. 2 BGB auch für Gewerberaummietverträge anzuordnen, hat der Gesetzgeber diese ihm bekannten Anregungen nicht aufgegriffen und sich damit bewusst für eine Beschränkung der Vollstreckungserleichterungen auf das Wohnraummietrecht entschieden.
Daraus folgt aber zwingend, dass die Vorschrift mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog oder im Sinne eines „Erst-Recht-Schlusses“ auf die Gewerberaummiete angewandt werden kann. Es liegt vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers eine eng auszulegende, auf den Wohnraum zugeschnittene Ausnahmevorschrift vor (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 05.09.2013 – 8 W 64/13 –; LG Köln, Beschluss vom 12.06.2013 – 1 T 147/13 –).
Gegen eine analoge Anwendung des § 940 a Abs. 2 ZPO auf die Gewerberaummiete spricht außerdem, dass der Gesetzgeber auch für den Fall, dass einer Sicherungsanordnung gemäß § 283a ZPO keine Folge geleistet wird, nur die Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung gemäß § 940 a Abs. 3 ZPO zugelassen hat, obgleich eine Sicherungsanordnung auch gegen einen Gewerberaummieter ergehen kann.

 

Haftung des Mieters für Schäden bei Überschreitung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs.

Verursacht der Mieter unter Überschreitung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs (§ 538 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) Schäden an der Mietsache, steht dem Vermieter – neben dem auch möglichen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB – ein vertraglicher Anspruch auf Ersatz des Schadens nach § 280 Abs. 1 BGB zu.
Nimmt ein Vermieter den Mieter nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen Substanzschäden in Anspruch, trägt er nach allgemeinen Grundsätzen trägt er die Darlegungs- und Beweislast, dass der Schaden während der Mietzeit entstanden ist.
Daraus folgt, dass der Vermieter die anfängliche Mängelfreiheit zu Beginn des Mietverhältnisses darlegen und beweisen muss.
Gelingt der Nachweis, ist es nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB Sache des Mieters, sein fehlendes Vertretenmüssen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Das hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 21.11.2014 – 10 S 60/14 – entschieden.

 

Mittelbereitstellung für mögliche Beschlussanfechtungsklagen im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen?

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann, auf Grund ihrer sich aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) ergebenden Kompetenz,

  • jedenfalls dann mehrheitlich die Aufbringung von Vorschüssen beschließen, um den Verwalter in die Lage zu versetzen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen Beschlussanfechtungsklagen zu beauftragen,
  • wenn solche Klagen allgemein zu erwarten sind.

Obwohl die Kosten einer Beschlussanfechtungsklage, wie sich aus § 16 Abs. 8 WEG im Umkehrschluss ergibt, von dem dort angesprochenen Sonderfall der Mehrkosten auf Grund einer Gebührenvereinbarung abgesehen, nicht zu den umlagefähigen Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 16 Abs. 2 WEG gehören und auch nicht dadurch zu einer (geborenen) Gemeinschaftsangelegenheit wird, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt ist, die Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer zu organisieren und mit der Vertretung der verklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen,

  • können in diesem Fall Mittel nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen aller Wohnungseigentümer angesetzt werden.

Ein solcher Mittelansatz dient der Erfüllung einer Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich erfüllt werden kann.
Der entsprechende Mittelansatz soll den Verwalter nämlich in die Lage versetzen, die ihm als Vertreter der Wohnungseigentümer auf Grund von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG kraft Gesetzes obliegende Aufgabe zu erfüllen, einen Rechtsanwalt mit der Verteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen eine Beschlussanfechtungsklage zu beauftragen.
Der Rechtsanwalt ist nämlich nach Erteilung des Auftrags gemäß § 9 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechtigt, einen Vorschuss auf seine Gebühren und Auslagen zu verlangen. Diesen soll der Verwalter zahlen können. Die Bereitstellung solcher Mittel steht nicht im Belieben der verklagten Wohnungseigentümer. Vielmehr sind sie hierzu auf Grund des mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründeten gesetzlichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses nach § 675 Abs. 1, § 669 BGB auf Anforderung des Verwalters verpflichtet.
Diese Vorschusspflicht kann jedenfalls dann gemeinschaftlich erfüllt werden, wenn noch kein konkretes Beschlussanfechtungsklageverfahren anhängig ist.

  • Dann nämlich kann jeder Wohnungseigentümer Beklagter einer Beschlussanfechtungsklage und damit vorschusspflichtig werden.
  • Den Verwalter für diesen Fall mit den erforderlichen Mitteln auszustatten,
    • sei es durch Bereitstellung spezieller Mittel,
    • sei es durch die Ermächtigung, zur Erfüllung seiner Aufgaben als Vertreter der Wohnungseigentümer

unter dem Vorbehalt einer Abrechnung unter Belastung nur der tatsächlich verklagten Wohnungseigentümer, ist jedenfalls dann eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich erfüllt werden kann.

Sind Beschlussanfechtungsklagen nicht abzusehen, können die Wohnungseigentümer demzufolge

  • den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss ermächtigen, für Beschlussanfechtungsklagen Gemeinschaftsmittel einzusetzen.

Dass sich ein Beschlussanfechtungskläger bei der Inanspruchnahme der bereitgestellten Mittel durch den Verwalter jedenfalls vorübergehend an der Finanzierung seiner Prozessgegner beteiligt, steht einer solchen Mittelbereitstellung nicht entgegen, weil entnommene Vorschüsse, unabhängig davon, ob die Entnahme berechtigt war oder nicht, in die nächste Jahresrechnung einzustellen sind (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 –). Sie dürfen in den Einzelabrechnungen dieser Jahresrechnung nur denjenigen Wohnungseigentümern angelastet werden, die tatsächlich vorschusspflichtig waren (Kammergericht (KG), Beschluss vom 09.11.2005 – 24 W 60/05 –; Landgericht (LG) Leipzig, Beschluss vom 15.01.2007 – 1 T 420/06 –; Amtsgericht (AG) Dortmund, Beschluss vom 28.01.2008 – 511 C 3/07 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 26/14 – hingewiesen.

 

Wenn eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer erfolgt ist.

Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist anerkannt, dass sie als Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann ausreichen kann, wenn der Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs ungeeicht und nicht justiert war.
Da es sich hierbei allerdings nicht für ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung handelt, muss sich der Tatrichter in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen.
Für die beweissichere Feststellung einer durch Nachfahren ermittelten Geschwindigkeitsüberschreitung hat die Rechtsprechung entwickelt.
Danach müssen

  • die Messstrecke ausreichend lang und
  • der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugs gleich bleibend und
  • möglichst kurz sein;
  • zugleich muss die Geschwindigkeitsüberschreitung wesentlich sein.
  • Bei in Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen durchgeführter Messung sind zusätzlich Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten erforderlich (BayObLG DAR 2000, 320; OLG Hamm DAR 2002, 176).

So soll

  • bei Geschwindigkeiten von 100 km/h und mehr die Messstrecke nicht kürzer als 500 Meter sein und
  • bei Geschwindigkeiten über 90 km/h soll der Verfolgungsabstand nicht mehr als 100 Meter betragen,
  • wobei allerdings eine längere Messstrecke die Fehlerquelle beim (zu großen Abstand) ausgleichen kann.

Letztlich muss dem Umstand, dass die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho ungenau ist,

  • durch einen Toleranzabzug von 20% vom Ablesewert

Rechnung getragen werden.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts (KG) in Berlin mit Beschluss vom 27.10.2014 – 3 Ws (B) 467/14 – hingewiesen.

 

Wenn dem Mieter im Mietvertrag eine Verlängerungsoption eingeräumt ist.

Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter führt nicht gemäß oder entsprechend § 536 b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist.

Das hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 05.11.2014 – XII ZR 15/12 – entschieden.

Danach findet § 536 b BGB, wonach dem Mieter die Rechte aus den §§ 536 und 536 a BGB nicht zustehen,

  • wenn er den Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss kennt oder
  • – ohne dass der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hätte – infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt oder
  • wenn er die mangelhafte Sache trotz Mangelkenntnis annimmt, ohne sich seine Rechte bei der Annahme vorzubehalten,

deshalb keine unmittelbare Anwendung auf die Ausübung einer Verlängerungsoption, weil es sich dabei nicht um einen Vertragsschluss im Sinne dieser Vorschrift handelt.
Eine Option, die einer oder beiden Parteien das Recht einräumt, das bestehende Mietverhältnis durch einseitige Erklärung um eine bestimmte Zeit zu verlängern, ist nämlich, wie der XII. Zivilsenat ausgeführt hat, ein schon im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht. Durch ihre Ausübung kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt. Im Übrigen wird der Mietvertrag aber – ebenso wie bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses aufgrund eines Verlängerungsmechanismus (BGH, Urteil vom 29.04.2002 – II ZR 330/00 –) – mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibt erhalten. Mithin bewirkt die Ausübung einer Verlängerungsoption keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Mietvertrags darstellt (vgl. auch BGH, Urteil vom 05.02.2014 – XII ZR 65/13 –).

§ 536 b BGB entsprechend bei vorbehaltloser Ausübung einer Verlängerungsoption anzuwenden, lehnt der XII. Zivilsenat ab. Er erachtet dies in Ansehung des Gesetzeszwecks nicht für geboten, zumal die vorbehaltlose Optionsausübung des Mieters während des laufenden Mietverhältnisses von der Situation des Vertragsschlusses bzw. Vertragsbeginns verschieden ist.

Ebenfalls nicht in Betracht kommt eine analoge Anwendung des § 536 b BGB nach der Entscheidung des XII. Zivilsenats bei nachträglichen Änderungen der Miethöhe oder einer nachträglichen einvernehmlichen Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung.
Allerdings soll die Anwendung der Grundsätze des § 242 BGB im Einzelfall nicht ausgeschlossen sein.