All posts by Roesch

Wenn von einem Versicherungsmakler Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung verlangt wird.

Darauf, welche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt eines durch die fehlerhafte Beratung eines Versicherungsmaklers verursachten Schadens zu stellen sind, hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in dem Urteil vom 23.10.2014 – III ZR 82/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der 2008 an den Folgen eines unverschuldeten Verkehrsunfalls verstorbene Ehemann der Klägerin, der dabei von dem Beklagten, einem Versicherungsmakler, beraten worden war, 2007 bei der Lebensversicherungs-AG eine Risikolebensversicherung abgeschlossen und in dem von der Lebensversicherungs-AG nachfolgend angenommenen Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrags sämtliche Fragen nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen für den zurückliegenden Zeitraum von fünf Jahren verneint, obwohl er im Jahr 2006 unter einem behandlungsbedürftigen Hörsturz, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Lärmempfindlichkeit und allergischem Bronchialasthma gelitten hatte und unter anderem wegen eines hirnorganischen Psychosyndroms in ärztlicher Behandlung war.
Die Lebensversicherungs-AG hatte deshalb, als ihr nach Eintritt des Versicherungsfalles die verschwiegenen Vorerkrankungen bekannt geworden waren, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und die Leistung verweigert. Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage gegen die Versicherungs-AG auf Auszahlung der Versicherungssumme hatte keinen Erfolg und wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Klägerin verlangte deshalb von dem Beklagten Schadensersatz

  • in Höhe der nicht ausgezahlten Versicherungssumme

wegen fehlerhafter Beratung mit der Begründung, dass nach Auskunft des Beklagten, die Vorerkrankungen, die ihm mitgeteilt worden waren, nicht anzugeben gewesen seien.

Wie der III. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, ist in einem solchen Fall die Klägerin, als Geschädigte, darlegungs- und beweispflichtig

Ist unstreitig oder bewiesen, dass der Makler pflichtwidrig den unzutreffenden Rat erteilt hat, dass die – ihm mitgeteilten – Vorerkrankungen des Ehemanns der Klägerin nicht anzugeben sind, kann sich die Klägerin

  • bei der Beurteilung, ob ein schuldhafter Verstoß des Versicherungsmaklers gegen Hinweis- oder Beratungspflichten einen wirtschaftlichen Nachteil verursacht hat,
  • allerdings auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen.

Danach trifft den Makler die Darlegungs- und Beweislast dafür,

  • dass der Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden Verhaltensempfehlungen hinweggesetzt hätte und
  • deshalb der Schaden auch bei vertragsgerechter und pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre.

Ansonsten ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin bei zutreffender Beratung durch den Makler bei Antragstellung die vorliegenden Erkrankungen auch wahrheitsgemäß angegeben hätte.
Allerdings erstreckt sich die Vermutungswirkung nicht darauf,

  • dass bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen Versicherungsschutz zu erlangen gewesen und
  • ein Lebensversicherungsvertrag gegebenenfalls auch mit bestimmten Risikoausschlüssen oder mit entsprechenden Prämienzuschlägen zustande gekommen wäre.

Vielmehr verbleibt es insoweit bei der Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten (so auch Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Urteil vom 19.03.2014 – 11 U 212/12 –).
Demzufolge hat, wenn dies vom Makler bestritten wird, der Geschädigte zu beweisen,

  • dass er auch bei aufklärungsgemäßem Verhalten Versicherungsleistungen erhalten hätte,
  • also auch bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen ein Lebensversicherungsvertrag gegebenenfalls mit bestimmten Risikoausschlüssen oder mit entsprechenden Prämienzuschlägen zustande gekommen wäre.

Einem diesbezüglichen Beweisantritt des Geschädigten, der durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens auch dazu erfolgen kann, dass (jedenfalls) ein anderer Versicherer den Antrag ihres Ehemanns in Kenntnis der vorhandenen Erkrankungen angenommen hätte, hat das Gericht nachzugehen.
Angesichts der seitens des Maklers erbrachten Beratungsleistungen und seiner (scheinbar) erfolgreichen Vermittlungsbemühungen bestand für den Ehemann der Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt nämlich kein Anlass, an andere potentielle Versicherer heranzutreten beziehungsweise Überlegungen darüber anzustellen, zu welchen Bedingungen andere Versicherer zu einem Vertragsschluss bereit wären.

Sollte durch das Sachverständigengutachten bewiesen werden, dass die fraglichen Erkrankungen aus medizinischer Sicht der Versicherbarkeit nicht entgegengestanden hätten, kann im Übrigen nicht ohne weiteres angenommen werden, die Lebensversicherungs-AG den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags in jedem Falle abgelehnt hätte.
Die von der Lebensversicherungs-AG erfolgte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung besagt nämlich noch nicht, dass die Lebensversicherungs-AG den Vertrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen unter keinen Umständen geschlossen hätte. Denn die Anfechtung der eigenen Willenserklärung des getäuschten Versicherers ist nicht nur dann zulässig, wenn er diese bei Vertragsschluss überhaupt nicht abgegeben hätte. Vielmehr ist die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung im Rahmen der Anfechtung nach § 22 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre.

In seiner Entscheidung wies der III. Zivilsenat des BGH abschließend noch darauf hin, dass,

  • wenn die behauptete Pflichtverletzung des Maklers vorliegt, dadurch jedenfalls ein Schaden entstanden ist, dass bis zum Eintritt des Versicherungsfalles Versicherungsbeiträge gezahlt worden sind,
  • der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens („negativen Interesses“) allerdings (hilfsweise) geltend gemacht werden muss.

Hinweis:
In Fällen wie dem obigen sollte deshalb stets hilfsweise, d. h. für den Fall, dass der Antrag auf Ersatz der Versicherungsleistung („positives Interesse“) nicht bestehen sollte, Schadensersatz in Höhe der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles gezahlten Versicherungsbeiträge („negativen Interesses“) verlangt werden.

 

Video-Telefonie mit Skype

Sie haben keine Zeit oder keine Möglichkeit in die Kanzlei zu kommen? Nutzen Sie die Chance uns per Skype-Videotelefonie zu kontaktieren.

Wenn Sie schon einen Skype-Account haben, dann rufen Sie uns bitte an, damit wir einen Termin zur Video-Telefonie vereinbaren.

Haben Sie noch keinen Skype-Account, so melden Sie sich bitte unter http://www.skype.de an und melden Sie sich danach bei uns telefonisch. Wir teilen Ihnen dann mit, unter welchem Benutzernamen Sie Ihren Rechtsanwalt per Video-Telefonie erreichen können. 

Wenn eine zahnprothetische Brücke wegen erheblicher Mängel zwingend neuangefertigt werden muss.

Weist eine zahnprothetische Brücke so erhebliche Mängel auf, dass sie zwingend erneuert werden muss, muss der Zahnarzt dem Patienten eine Neuanfertigung anbieten. Unterlässt er dies,

  • kann der Patient den Behandlungsvertrag nach § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fristlos kündigen,
  • schuldet der Patient kein Zahnarzthonorar und
  • kann seinerseits Schmerzensgeld beanspruchen.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 05.09.2014 – 26 U 21/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Zahnarzt bei einem Patienten eine zahnprothetische Behandlung durchgeführt, ihm Brücken eingegliedert und hierfür Behandlungskosten in Höhe von ca. 8.600 Euro berechnete, die von dem Patienten nicht beglichen worden waren, weil die Brücken seiner Ansicht nach erhebliche Mängel aufwiesen. Zu weiteren zahnärztlichen Leistungen ohne Vergütung war der Zahnarzt aber nicht bereit. Weitere Behandlungen durch den Zahnarzt wurden von dem Patienten darauf hin abgelehnt.

Da die dem Patienten eingegliederte Brückenkonstruktion, wie sich nach Anhörung eines Sachverständigen herausgestellt hatte, mit zahlreichen, dem Zahnarzt vorzuwerfenden so erheblichen Mängeln behaftet war, dass sie zwingend neu hergestellt werden musste,

  • war der Patient nach der Entscheidung des 26. Zivilsenat des OLG Hamm wegen der mangelhaften Leistung zur fristlosen Kündigung des Behandlungsvertrages, der insgesamt als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 133/10 –), nach § 627 BGB berechtigt und
  • weil die Kündigung durch das vertragswidrige Verhalten des Zahnarztes veranlasst sowie dessen geleistete Arbeit für den Patienten nicht wieder verwendungsfähig war, war nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB auch der Anspruch des Zahnarztes auf anteilige Vergütung seiner Leistung entfallen.

Nachdem eine Neuanfertigung des Zahnersatzes zwingend geboten war, hatte sich der Patient mit weiteren Nachbesserungen nicht zufrieden geben und dem Zahnarzt folglich auch nicht die Möglichkeit der Nachbesserung seiner Arbeit einzuräumen müssen und eine Neuanfertigung des Zahnersatzes war dem Patienten von dem Zahnarzt nicht angeboten worden.

Wegen der Gesundheitsbeeinträchtigungen die der Patient aufgrund der Behandlungsfehler erlitten hat, sprach ihm der Senat nach § 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro zu.

 

Der unberechtigte Abbruch einer eBay-Auktion kann für den Anbieter teuer werden.

Der durch den nicht berechtigten Abbruch einer Internetauktion zwischen dem Anbieter und dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zustande gekommene Kaufvertrag ist grundsätzlich auch dann nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Kaufsache besteht.

Das hat der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.11.2014 – VIII ZR 42/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte

  • der Beklagte seinen Gebrauchtwagen unter Festsetzung eines Mindestgebots von 1 € zum Kauf angeboten,
  • kurz nach Beginn der eBay-Auktion der Kläger für den Pkw ein Gebot von 1 €, unter Setzung einer Preisobergrenze von 555,55 €, abgegeben und
  • einige Stunden später der Beklagte die eBay-Aktion abgebrochen, weil er, wie er dem Kläger, der mit seinem Anfangsgebot Höchstbietender war, mitteilte, außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden hatte, der bereit war 4.200 € zu zahlen.

Der Kläger hatte darauf hin vom Beklagten wegen der Nichterfüllung des nach seiner Auffassung wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrages mit der Begründung, dass der Pkw 5.250 € wert sei, Schadensersatz in Höhe von 5.249 € verlangt.

Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) gaben der Klage statt.

Die Revision des Klägers war erfolglos.

Nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH war der zwischen den Parteien zustande gekommene Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) nichtig, da bei einer Internetauktion ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB rechtfertigt.
Es mache nämlich gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnehme, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen.
Auch könne der Beklagte dem Kläger nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten.
Dass das Fahrzeug letztlich zu einem Preis von 1 € verkauft worden sei, beruhe auf den freien Entscheidungen des Beklagten, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises ohne Festsetzung eines Mindestgebots eingegangen sei und durch den nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt habe, dass sich das Risiko verwirkliche.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 12.11.2014 – Nr. 164/2014 – mitgeteilt.

 

Wenn der Besteller einen Pauschalpreisvertrag nach teilweiser Erstellung des Werkes kündigt.

Der Werklohnanspruch des Unternehmers kann im Fall eines vom Besteller teilweise gekündigten Pauschalpreisvertrags,

  • sofern lediglich ganz geringfügige Leistungen ausstehen und
  • keine kalkulatorischen Verschiebungen zu Lasten des Bestellers verdeckt werden können,

auch auf die Weise berechnet werden, dass die nicht erbrachte Leistung bewertet und von der Gesamtvergütung abgezogen wird.

Darauf hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 176/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin von dem Beklagten restlichen Werklohn für die Anlegung eines japanischen Gartens gefordert, nachdem die Klägerin damit vom Beklagte zu einem zwischen den Parteien vereinbarten Pauschalpreis von 110.000 € beauftragt worden und das Werk bis auf Teilleistungen im Wert von insgesamt 5.015 €, die auf Wunsch des Bestellers nicht mehr erbracht werden sollten, erstellt war.

In seiner Entscheidung hat der VII. Zivilsenat ausgeführt, dass, wenn ein gekündigter Pauschalvertrag vorliegt, weil der Unternehmer einen Teil des Werkes, das vom Besteller zu einem zwischen den Parteien vereinbarten Pauschalpreis in Auftrag gegeben worden war, nicht gefertigt (bzw. geliefert) hat, die Vergütungsforderung zwar grundsätzlich entsprechend den an die Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags zu stellenden Anforderungen zu ermitteln ist.
Danach hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen ist nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. BGH, Urteil vom 25.07.2002 – VII ZR 263/01 –; Urteil vom 04.05.2000 – VII ZR 53/99 –; Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 91/98 –).

Allerdings kann für den Fall, dass lediglich noch ganz geringfügige Leistungen ausstehen, der Werklohnanspruch, sofern keine kalkulatorischen Verschiebungen zu Lasten des Auftraggebers verdeckt werden können, auch auf die Weise berechnet werden, dass die nicht erbrachte Leistung bewertet und von der Gesamtvergütung abgezogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2000 – VII ZR 53/99 –).
Diese Voraussetzungen sah der VII. Zivilsenat vorliegend als erfüllt an, weil der Wert der ausstehenden restlichen Leistungen lediglich mit insgesamt 5.015 € zu beziffern und damit im Hinblick auf die von der Klägerin geschuldete Gesamtleistung geringfügig war. 

 

Wann haftet der Arzt wegen nicht ausreichender Aufklärung des Patienten.

Ein Arzt haftet, auch wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen,

  • wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist,
  • außer der Patient hätte sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu dem vorgenommenen Eingriff entschlossen.

Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Patienten ist dessen ordnungsgemäße Aufklärung (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.04,1992 – VI ZR 192/91 – und vom 07.11.2006 – VI ZR 206/05 –).
Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Patient über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen.

  • Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2000 – VI ZR 48/99 –). Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik.
  • Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet.

Dass der Patient vor einer Behandlung ordnungsgemäß über das Risiko der Maßnahme aufgeklärt worden ist, hat der Arzt zu beweisen.
Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH dürfen an diesen dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung allerdings keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Der Tatrichter hat

  • die besondere Situation, in der sich der Arzt während der Behandlung des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen
  • wie die Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zu haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann.

Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist; dies auch mit Rücksicht darauf, dass aus vielerlei verständlichen Gründen Patienten sich im Nachhinein an den genauen Inhalt solcher Gespräche, die für sie etwa vor allem von therapeutischer Bedeutung waren, nicht mehr erinnern.
In jedem Fall bedarf es einer verständnisvollen und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände, für die der Tatrichter einen erheblichen Freiraum hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 –).

Hat der Arzt den Beweis, dass der Patient über das Risiko einer Operation ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist, nicht erbracht, beispielsweise weil ausreichende Indizien hierfür fehlen und wendet der Arzt ein, der Patient hätte sich dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken unterzogen, ist dieser Einwand grundsätzlich beachtlich.
Den Nachweis hierfür hat der auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch genommene Arzt zu führen. Grundsätzlich sind an diesen Nachweis auch strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen wird.
Allerdings ist der Arzt mit dem Beweis für seine Behauptung, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt haben würde, nur zu belasten, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er, wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei an die Substantiierungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen.
Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte, und ob er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, darf der Tatrichter grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen; ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn schon die unstreitigen äußeren Umstände eine sichere Beurteilung der hypothetischen Entscheidungssituation erlauben (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2005 – VI ZR 174/03 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13 – hingewiesen.

 

Wer haftet, wenn es „kracht“, weil ein Autofahrer eine Kolonne überholen und ein anderer nach links abbiegen will?

Nach einem Unfall hängt gemäß §§ 17 Abs. 1 u. 2, 18 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Haftungsverteilung von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wobei bei der hiernach gebotenen Abwägung ausschließlich unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05 –).

Wer nach links in eine andere Straße abbiegen will, für den gelten die Maßstäbe des § 9 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).
Danach hat derjenige, der abbiegen will, dies durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers rechtzeitig anzukündigen, d. h. das Blinken muss so rechtzeitig erfolgen, dass sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann, wobei weniger die Entfernung zum Abbiegepunkt maßgeblich st als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit. Ferner hat sich der Abbiegende durch zwei Rückschauen darüber zu vergewissern, ob der Vorrang genießende gleichgerichtete Verkehr durch den beabsichtigten Abbiegevorgang gefährdet wird. Er hat sich durch eine erste Rückschau vor dem Einordnen nach links zu vergewissern, ob eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs besteht, und er hat dies durch eine zweite Rückschau unmittelbar vor dem Abbiegen zu wiederholen.

Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Linksabbieger mit einem ihn ordnungsgemäß Überholenden spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Linksabbieger die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Urteil vom 06.12.2004 – 12 U 21/04 –).
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Überholer dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine Kolonne, auch wenn diese klein ist und beispielsweise nur aus vier Fahrzeugen besteht, in einem Zuge überholt und dann mit dem nach links abbiegenden Spitzenfahrzeug zusammenstößt. In diesem Fall fehlt es an einem für ein (alleiniges) Verschulden des Linksabbiegers sprechenden typischen Geschehensablauf, auf Grund dessen auf ein Verschulden des Linksabbiegers zu schließen wäre (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Urteil vom 08.04.2011 – 13 U 2/11 –; OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2013 – 9 U 191/12 –).
Demzufolge muss in einem solchen Fall, wenn streitig ist, ob der Linksabbieger eine seiner Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 1 StVO verletzt hat, der Überholer dies beweisen.

Kann der Linksabbieger dem Überholer nachweisen, dass eine unklare Verkehrslage vorgelegen hat und dieser gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO das Überholmanöver gar nicht hätte unternehmen dürfen, ist der Unfall von dem Überholer (mit)verursacht worden.
Eine unklare Verkehrslage ist – gleichgültig aus welchen Gründen – gegeben, wenn nach den objektiven Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden darf (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.01.2004 – 12 U 1439/02 –). Unklar ist die Verkehrslage insbesondere, wenn eine Kolonne vorausfährt und mit dem Ausscheren und Linksabbiegen eines Fahrzeugs aus der Kolonne zu rechnen ist.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen OLG Saarbrücken mit Urteil vom 16.10.2014 – 4 U 145/13 – hingewiesen.

 

Optiker darf nicht mit kostenloser Zweitbrille werben.

Die Werbung für eine Brille

  • mit dem hervorgehobenen Hinweis auf die kostenlose Abgabe einer Zweitbrille

verstößt gegen das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerberecht – HWG).

Das hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 06.11.2014 – I ZR 26/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte, die ein Optikerunternehmen mit zahlreichen Filialen betreibt, einen Werbeflyer verteilt, in dem

  • von ihr eine Brille mit Premium-Einstärkengläsern zum Preis von 239 € und mit Premium-Gleitsichtgläsern zum Preis von 499 € angeboten worden war und

blickfangmäßig hervorgehoben,

  • zudem angekündigt wurde, dass der Kunde zusätzlich eine kostenlose Zweitbrille im Wert von 89 € erhält.

Nach Auffassung des I. Zivilsenats des BGH verstößt diese Werbung gegen das Verbot von Zuwendungen in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG.
Der Verbraucher fasse die Werbung als Angebot einer Brille zum angegebenen Preis zuzüglich eines Geschenks in Form einer Zweitbrille auf, weil der Umstand, dass die Zweitbrille kostenlos dazugegeben wird, blickfangmäßig hervorgehoben in der Werbung dargestellt wird. Es bestehe die Gefahr, dass sich Verbraucher zum Kauf der angebotenen Sehhilfe allein wegen des Geschenks einer Zweitbrille entschließen und ihre Entscheidung für den Erwerb der von der Beklagten angebotenen Sehhilfe nicht ausschließlich an ihren gesundheitlichen Belangen ausrichten.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.11.2014 – Nr. 160/2014 – mitgeteilt.

 

Schadensersatz für unberechtigt abgebrochene eBay-Auktion.

Bricht ein Verkäufer seine eBay-Auktion unberechtigt ab, schuldet er demjenigen Schadensersatz, der mit seinem Höchstgebot nicht zum Zuge kommt.
Das kann auch dann gelten, wenn sich der Höchstbietende als so genannter „Abbruchjäger“ an der eBay-Auktion beteiligt haben sollte.

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 30.10.2014 – 28 U 199/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte

  • die Beklagte, eine Gewerbetreibende, einen gebrauchten Gabelstapler mit einem Startpreis von 1 Euro in der Internetauktion des Anbieters eBay zum Verkauf eingestellt,
  • der Kläger sich mit einem Maximalbetrag von 345 Euro an der Auktion beteiligt und
  • die Beklagte, nachdem der Gabelstapler während der noch laufenden eBay-Auktion von ihr für 5.355 Euro anderweitig veräußert worden war, die Auktion abgebrochen.

Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt mit einem Betrag von 301 Euro Höchstbietender war, hatte darauf hin wegen der Nichterfüllung des nach seiner Auffassung mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages von der Beklagten Schadensersatz verlangt.

Der 28. Zivilsenat des OLG Hamm sprach dem Kläger 5.054 Euro als Schadensersatz zu.

Nach dieser Entscheidung ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen, der die Beklagte verpflichte, dem Kläger den von ihr angebotenen Gabelstapler gegen Zahlung von 301 Euro zu liefern.

  • Ein verbindliches Verkaufsangebot habe die Beklagte abgegeben, indem sie den Gabelstapler auf der Webseite von eBay zur Versteigerung inserierte und die Internetauktion startete.
  • Ihr Vertragspartner sei der Kläger geworden, weil er innerhalb der Laufzeit der Option das höchste Angebot abgegeben habe.

Am Rechtsbindungswillen des Klägers sei nicht zu zweifeln. Dass er den Gabelstapler zum Preis von bis zu 345 Euro abgenommen hätte, habe der Kläger plausibel dargelegt. Es sei nicht anzunehmen, dass er sein Kaufangebot nur zum Schein oder zum Scherz abgegeben habe. Jeder Teilnehmer einer eBay-Auktion werde vor der Abgabe eines Gebots darauf hingewiesen, dass dieses Gebot verbindlich sei und zum Abschluss eines Kaufvertrages führen könne. Das spreche für die Verbindlichkeit der mit einem Angebot abgegebenen Erklärung.
Selbst wenn man dem Kläger unterstellen wolle, dass er sich als so genannter „Abbruchjäger“ systematisch an eBay-Auktionen beteilige, um gegebenenfalls Schadensersatzansprüche zu realisieren, setze auch ein solches Vorhaben gerade voraus, dass das jeweilige Höchstgebot bindend abgegeben werden solle.

  • Ein Kaufvertrag wäre nur dann nicht zustande gekommen, wenn die Beklagte die von ihr begonnene eBay-Auktion hätte vorzeitig beenden dürfen.

Die Beklagte, die ihr Verkaufsangebot im Rahmen der eBay-Auktion nicht als unverbindlich gekennzeichnet habe, habe nach den eBay-internen Bestimmungen jedoch kein Recht zum Widerruf ihres Angebots gehabt.
Nach diesen Bestimmungen berechtige allein der Wunsch eines Verkäufers, den angebotenen Gegenstand während der laufenden Auktion losgelöst von eBay anderweitig zu veräußern, nicht zur Rücknahme des eBay-Angebots, wenn für dieses bereits Gebote abgegeben seien.

  • Die Gebote dürften nur aus berechtigten, in den eBay-Bestimmungen geregelten Gründen gestrichen werden.

Derartige Gründe hatte die Beklagte im zu entscheidenden Fall nicht.

  • Der damit zwischen den Parteien verbindlich abgeschlossene Kaufvertrag war auch kein nichtiges Wuchergeschäft.

Der Kläger habe keine Schwächesituation der Beklagten ausgenutzt. Vielmehr sei es die Beklagte gewesen, die den Gabelstapler zum Mindestverkaufspreis von nur 1 Euro bei eBay angeboten habe.

Nachdem die Beklagte den Kaufvertrag schuldhaft nicht erfüllt habe, schulde sie dem Kläger Schadensersatz in Höhe des Wertes des Gabelstaplers. Dieser könne im vorliegenden Fall nach dem von der Beklagten anderweitig erzielten Kaufpreis bemessen werden, von dem dann bei der Schadensberechnung der vom Kläger zu zahlende Betrag von 301 Euro in Abzug zu bringen sei.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 06.11.2014 mitgeteilt.

 

Wenn Wartepflichtiger in vorfahrtsberechtigte Straße einbiegt weil Vorfahrtsberechtigter rechts blinkt.

Der Wartepflichtige darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass der rechts blinkende Vorfahrtsberechtigte sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben wird und auch tatsächlich nach rechts abbiegt, so dass der Wartepflichtige gefahrlos in die Vorfahrtstraße einfahren kann.

Vielmehr bedarf es,

  • was der Wartepflichtige über das „Blinken nach rechts“ hinaus, durch einen dem Beweis zugänglichen substantiierten Sachvortrag darlegen und beweisen muss,

zumindest eines weiteren Anzeichens, das aus Sicht des Wartepflichtigen diesen Schluss zulässt,

  • sei es dass der Vorfahrtberechtigte sich bereits deutlich nach rechts eingeordnet hat oder
  • er seine Geschwindigkeit (ohne sonstigen erkennbaren Anlass) deutlich reduziert.

Aber auch wenn das Fahrverhalten des Vorfahrtberechtigten in diesem Sinn nachweisbar missverständlich war, also ein unfallmitursächlicher Verstoßes des Vorfahrtsberechtigten gegen § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vorgelegen hat, ist gemäß § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG)

  • bei einem Aufeinandertreffen von Vorfahrtverstoß (§ 8 StVO) einerseits und
  • missverständlichem Verhalten (§ 1 Abs. 2 StVO) andererseits

gleichwohl demjenigen Unfallbeteiligten die Hauptverantwortung zuzuordnen, dem der Vorfahrtverstoß zur Last fällt.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Urteil vom 20.08.2014 – 7 U 1876/13 – hingewiesen und in dem entschiedenen Fall,

  • in dem der Vorfahrtberechtigte über das bloße Blinken nach rechts hinaus auch seine Geschwindigkeit in Annäherung an den wartenden Wartepflichtigen so maßgeblich reduziert hatte, dass bei diesem nachvollziehbar der Eindruck entstanden war, der Vorfahrtberechtigte wolle vor ihm nach rechts in den dort befindlichen Lebensmittelmarkt einbiegen,

eine Haftungsverteilung von 70:30 zulasten des Wartepflichtigen für angemessen und sachgerecht erachtet.