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Was, wer eine Radtour bucht, wissen sollte

Mit Urteil vom 28.10.2019 – 191 C 7612/19 – hat das Amtsgericht (AG) München die Klage von drei Mountainbiker abgewiesen, die eine geführte sechstägige,

  • als sportlich sowie abseits der Pisten für Fortgeschrittene mit sehr guter Kondition und guter Bikebeherrschung mit insgesamt ca. 400 km und ca. 10.700 Höhenmetern ausgeschriebene

Radtour von Grainau bei Garmisch zum Gardasee gebucht hatten und die, u.a. deswegen,

  • weil bis zum Zielort am Gardasee in den sechs Tagen nur 364 km bei 8.566 Höhenmeter, davon 100 km auf Asphalt zurückgelegt worden waren,

je 40% des gezahlten Reisepreises von dem Veranstalter zurückverlangt hatten.

Dass eine Minderung des Reisepreises nicht gerechtfertigt ist, hat das AG damit begründet, dass

  • in den den Teilnehmern vor Vertragsschluss zugänglichen Unterlagen keine bestimmten Wege bzw. Strecken dargestellt gewesen sowie
  • im Reisevertrag auch nur ungefähre Angaben zu Strecke und Höhenmetern gemacht worden seien,

somit

  • weder eine bestimmte Streckenführung und Gesamtlänge,
  • noch eine bestimmte Anzahl von zu absolvierenden Höhenmetern

zugesichert gewesen seien, zudem

  • eine Radtour stets eine gewisse Ungewissheit über die Route beinhalte, da
    • die vom Veranstalter geplante Routenführung am Reisetag auch konkret nach den Weg- und Witterungsverhältnissen machbar sein müsse,
    • es somit naheliege, dass auch kurzfristige Anpassungen erfolgen

und die Radtour demzufolge nicht mit Fehlern behaftet war,

Was Stiefeltern, in deren Haushalt minderjährige Stiefkinder leben, wissen sollten

Stiefeltern obliegt gegenüber den in ihrem Haushalt lebenden minderjährigen Stiefkindern zwar keine gesetzliche Aufsichtspflicht.

Allerdings übernehmen Stiefeltern,

  • die minderjährige Stiefkinder in den eigenen Haushalt aufnehmen,

in der Regel – neben dem anderen Elternteil -,

  • ohne dass dies mit diesem ausdrücklich vereinbart werden muss,

die Aufsicht der Stiefkinder und sind dann in der Regel auch

  • den Stiefkindern gegenüber

befugt, Weisungen und Gebote auszusprechen und ggf. auch durchzusetzen.

Da sich der Ehepartner bei der Aufnahme eines Kindes in die Familie, für das nur einer der Ehepartner das Sorgerecht hat, darauf verlassen können will und muss, dass auch in seiner Abwesenheit das Kind beaufsichtigt wird, gilt die Übernahme der Aufsichtspflicht durch den anderen Ehepartner als stillschweigend ausbedungen.

Anders kann dies im Einzelfall dann sein,

  • wenn gegen eine solche konkludente Übernahme sprechende Indizien vorliegen,

wie z.B.,

  • wenn zwischen dem anderen Elternteil und dem Stiefvater – und ggf. dem Kind – klar ist (wenn auch möglicherweise unausgesprochen), dass allein die leiblichen Eltern endgültige Entscheidungen treffen und Gebote und Verbote aussprechen können.

Darauf hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt mit Urteil vom 11.04.2019 – 2-03 S 2/18 – hingewiesen.

Übrigens:
Die Frage,

  • ob ein Stiefelternteil gegenüber einem minderjährigen in seinem Haushalt wohnenden Stiefkind eine Aufsichtspflicht hat oder nicht,

kann beispielsweise von Bedeutung sein, wenn

  • das Stiefkind via Filesharing illegal ein Computerspiel auf den Computer des Stiefelternteils herunter lädt und
  • der Stiefelternteil wegen Aufsichtspflichtverletzung für eine solche Rechtsverletzung des Stiefkindes auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

Wer eine Versicherung abschließt, sollte nicht nur die Versicherungsbedingungen genau lesen, sondern auch

…. wissen, wie Versicherungsbedingungen auszulegen, d.h. zu verstehen sind.

Auszulegen sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei

  • verständiger Würdigung,
  • aufmerksamer Durchsicht und
  • unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs

versteht.

Dabei kommt es

  • auf die Verständnismöglichkeiten und
  • auch auf die Interessen

eines Versicherungsnehmers

  • ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse

an, wobei Klauseln, die den Versicherungsschutz ausschließen (Ausschlussklauseln), da

  • das Versicherteninteresse in der Regel dahin geht, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet und
  • der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht,

eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.

Auszugehen bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen ist

  • in erster Linie stets vom Bedingungswortlaut.

Zusätzlich sind,

  • soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind,

zu berücksichtigen,

  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck sowie
  • der Sinnzusammenhang der Klauseln.

Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz nur dann, wenn

  • die Rechtssprache

mit dem verwendeten Ausdruck eindeutig

  • einen fest umrissenen Begriff begrifflich festgelegten Inhalt

verbindet.

In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen, außer

Nachdem es über die Auslegung der Versicherungsbedingungen zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern häufig zum Streit kommt, ist es empfehlenswert sich frühzeitig von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Versicherungsrecht“ hat, beraten zu lassen.

Wichtig zu wissen nicht nur für Handballspieler(innen) sowie Schiedsrichter(innen) von Handballspielen, sondern

…. für alle einen Mannschaftssport, wie Fußball oder Basketball usw. Betreibende.

Mit Urteil vom 14.11.2019 – 22 U 50/17 – hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem eine Handballspielerin von der Torfrau der Gegnerinnen Schadensersatz sowie Schmerzensgeld forderte, weil sie während eines Handballspiels

  • bei einem Tempo-Gegenstoß einen Sprungwurf gemacht hatte,

dabei im 6-m Torraum mit der gegnerischen Torfrau,

  • bei dem Versuch von dieser, den Ball abzuwehren,

zusammen getroffen war

  • und sich dabei einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen hatte,

die Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage der Spielerin mit der Begründung abgewiesen, dass

  • der Schiedsrichter der Torfrau lediglich eine rote Karte ohne den bei schwerwiegenden Regelverstößen vorgesehenen Bericht erteilt habe und
  • mangels anderweitiger getroffener Feststellungen somit

davon auszugehen sei,

  • dass die Regelwidrigkeit der Torfrau sich im Rahmen des körperbetonten Spielbetriebes gehalten habe und
  • eine dadurch bedingte Verletzung deshalb von der Einwilligung der Verletzten umfasst gewesen sei.

Ein Foulspiel beim Handball, das vom Schiedsrichter,

  • zwar mit einer roten Karte, mit der Folge eines Ausschlusses für den Rest des Spiels,
  • aber ohne Bericht und damit auch ohne Auswirkungen auf kommende Spiele,

geahndet wird, stellt danach allein keine rechtswidrige unerlaubte Handlung dar und

  • begründet damit auch noch keinen deliktischen Schadensersatzanspruch der gefoulten Spielerin bzw. des gefoulten Spielers.

Denn, so der Senat,

  • bei Sportarten, wie Basketball, Fußball oder Hallenhandball, die hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz der Mitspieler stellen, seien gewisse Kampfhandlungen, auch solche, die nach den Kampfregeln bereits als Foulspiel gewertet werden, selbst von einem sorgfältigen Spieler nicht zu vermeiden,

dementsprechend

  • könne auch nicht jede geringfügige Verletzung einer dem Schutz der Spieler dienenden Regel fahrlässig und damit haftungsbegründend sein,

sondern

  • liege ein eine deliktische Haftung begründendes Verhalten erst vor, wenn, was hier aufgrund des fehlenden Schiedsrichterberichtes nicht feststellbar gewesen sei,
    • die Verletzung eines Spielers auf einem Regelverstoß eines Gegenspielers beruht, der über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß deutlich hinausgeht und
    • auch einen Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet, wie etwa eine grobe Verletzung einer zum Schutz von Spielern bestimmten Wettkampfregel

und zudem habe in einem Fall wie dem vorliegenden auch berücksichtigt werden müssen, dass,

  • wenn beim Handball ein Spieler oder eine Spielerin in den 6m-Bereich des Torhüters bzw. der Torhüterin springe,

ein Zusammenstoß mit dem Torhüter bzw. der Torhüterin das Risiko des Spielers bzw. der Spielerin sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Wichtig zu wissen für Kunden eines Autovermieters, die an dem angemieteten Auto einen Schaden verursacht haben

Mit Urteil vom 15.01.2019 – 159 C 15364/18 – hat das Amtsgericht (AG) München in einem Fall, in dem

  • von Kunden eines Autovermieters nach Abschluss entsprechender Rahmenverträge auf öffentlichen Parkplätzen stehende Fahrzeuge bargeldlos angemietet werden konnten und

ein Kunde, mit einem,

  • unter vertraglicher Haftungsfreistellung, die nach den AVB allerdings
    • bei vorsätzlich herbeigeführtem Schaden entfallen und
    • bei grob fahrlässig herbeigeführtem Schaden den Vermieter berechtigen sollte, die Haftungsfreistellung in einem dem Verschuldensgrad entsprechenden Verhältnis zu kürzen,

gemieteten BMW 218 beim Wenden aus Unachtsamkeit,

  • da er seine Aufmerksamkeit – wenn auch nur kurzzeitig – einem verkehrsfremden Vorgang, gewidmet hatte,
  • nämlich seiner vom Armaturenbrett herabfallenden Mütze,

gegen einen auf der anderen Straßenseite geparkten Pkw gestoßen war und dabei an dem Mietwagen einen Schaden

  • in Höhe von 7.028,15 Euro

verursacht hatte, entschieden, dass

  • der Vermieter von dem Kunden (lediglich) 25 % des an dem Mietwagen entstandenen Schadens ersetzt verlangen kann.

Begründet hat das AG dies damit, dass

  • das zu dem Schaden an dem Mietwagen führende Verhalten zwar grob fahrlässig gewesen sei,

es sich allerdings bei diesem Versagen,

  • da nicht feststehe, dass der Kunde sich (auch) nach der herabgefallenen Mütze gebückt habe,

wegen der sehr kurzen Dauer, um eine

  • nur leichte grobe Fahrlässigkeit

gehandelt habe (Quelle: Pressemitteilung des AG München).

Gesetzlich Unfallversicherte sollten wissen, wann ein Unfall als ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung

…. stehender Arbeits- bzw. Wegeunfall anzuerkennen ist.

Gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Regelfall der Nachweis erforderlich,

  • dass bei einem, zu diesem Zeitpunkt in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten,
    • ein zeitlich begrenztes, von außen seinen Körper einwirkendes Ereignis (= Unfallereignis)
    • einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität),
  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses
    • der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
      • der Versicherte also zum Zeitpunkt des Unfallereignisses einer versicherten Tätigkeit nachgegangen ist,
      • wozu gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch der Vorgang des Sichfortbewegens auf dem unmittelbaren Weg zählt, der erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit – oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung – zu erreichen
    • und dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität).

Bei einem Unfallereignis

  • auf dem Weg vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder
  • von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit

handelt es sich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII um einen unter dem Schutz der Unfallversicherung stehenden Wegeunfall, solange

  • der Versicherte den unmittelbaren Weg nach Hause oder zum Ort der versicherten Tätigkeit zurücklegt und
  • eine konkrete Verrichtung auf dem unmittelbaren Weg, unter Beachtung der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, noch der Fortbewegung vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit dient.

Nicht mehr den

  • unmittelbaren Weg

vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit, sondern einen

  • Abweg

legt ein Versicherter zurück, wenn

  • er von dem direkten Weg mehr als geringfügig abweicht.

Besteht in einem solchen Fall nicht ausnahmsweise auch Versicherungsschutz auf dem Abweg,

  • weil dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, wie etwa, wenn
    • sich Versicherte aus betriebsbedingten Gründen fortbewegen, etwa um einen Gegenstand zu holen, den sie für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit benötigen oder
    • der unmittelbare Weg verlassen wird, um eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben,

endet der Versicherungsschutz

  • mit dem Verlassen des direkten Weges und dem Beginn des Abweges

und besteht Versicherungsschutz erneut erst,

Dieselgate: OLG Koblenz entscheidet, dass Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung den Wert des Fahrzeugs mindert

…. und schätzt die Höhe dieser Wertminderung auf etwa 10% des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises.

Mit Urteil vom 16.09.2019 – 12 U 61/19 – hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem ein Käufer

  • zum Preis von 25.700 Euro

einen gebrauchten VW Golf erworben hatte und nach Bekanntwerden, dass das Fahrzeug

  • von der VW AG mit einem von ihr hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen

Dieselmotor aus der Baureihe EA 189 ausgestattet worden war, die VW AG

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

u.a. auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen hatte, entschieden, dass

  • der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung den Wert des Fahrzeugs mindert

und deswegen dem Käufer nicht nur

  • der – um den Nutzungsvorteil gekürzten – Kaufpreis zu erstatten ist,

sondern der Käufer auch Anspruch hat, auf

  • Verzinsung des Wertminderungsbetrags – den der Senat auf etwa 10% des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises schätzt – ab Zahlung des Kaufpreises.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • die VW AG den Fahrzeugkäufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe,
  • der Schaden des Fahrzeugkäufers im Kauf eines nicht ordnungsgemäß ausgerüsteten Pkws liege, dem, wegen des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung das Risiko der Stilllegung anhaftete,
  • deswegen der Fahrzeugkäufer von der VW AG die faktische Rückabwicklung des Vertrages verlangen könne

und dies neben

nach § 849 BGB auch

  • die Verzinsung des gezahlten Kaufpreises in Höhe des manipulationsbedingten Minderwerts des Fahrzeugs ab Datum der Kaufpreiszahlung umfasse (Quelle: Pressemitteilung des OLG Koblenz).

Autofahrer sollten wissen, welche Folgen das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes im Falle eines Verkehrsunfalles für sie

…. auch dann haben kann, wenn der Unfall von ihnen nicht verursacht worden ist.

Auch dann, wenn nach einem Verkehrsunfall

  • aufgrund des Unfallhergangs

einer der Unfallbeteiligten zu 100% für die unfallbedingt, einem anderen unfallbeteiligten Autofahrer, entstandene Schäden haften würde, kann diesem,

  • im Fall von bei dem Unfall erlittener Verletzungen,

ein zu einer anspruchsmindernden Mithaftung führendes Mitverschulden

  • wegen der Nichtanlegung des Sicherheitsgurts (Verstoß gegen § 21a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO))

vorzuwerfen sein, wenn aufgrund medizinischer Beurteilung die erlittenen Verletzungen,

  • wäre der verletzte Autofahrer zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen,

nach der Art des Unfalls – wegen Fehlens einer wesentlichen Komponente des Rückhaltekonzepts im Fahrzeug –

  • tatsächlich verhindert worden oder
  • zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären.

Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes kann sich auf einzelne Verletzungen nämlich verschieden ausgewirkt haben.

So kann beispielsweise bei bestimmten Verletzungen

  • – wegen eines anderen Verletzungsmechanismus – eine Ursächlichkeit des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes von vornherein auszuschließen sein

oder

  • – weil es keinen Unterschied macht, ob der Körper des Insassen durch den Airbag oder den Sicherheitsgurt zurückgehalten wird – nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verletzungen im angegurteten Zustand nicht oder wesentlich geringfügiger ausgefallen wären,

während bei anderen Verletzungen es wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit sein kann, dass diese

  • – bei angelegtem Dreipunkt-Sicherheitsgurt –

nicht eingetreten oder deutlich geringer ausgefallen wären, wobei diesbezüglich dann,

  • wenn der Unfall einer der hierfür typischen Gruppen von Unfallabläufen zuzuordnen ist,

dem Geschädigten die Regeln des Anscheinsbeweises zugutekommen,

  • wie etwa im Fall einer frontalen Kollision zwischen zwei Fahrzeugen, bei der das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden bei einem angegurteten Fahrer deutlich geringer ist als bei einem nicht angegurteten Fahrer.

Hat der Geschädigte verschiedene Verletzungen erlitten, von denen nur ein Teil auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zurückzuführen ist, führt dies nicht dazu, dass der Geschädigte Schadensersatz nur für die Verletzungen verlangen kann, die er auch erlitten hätte, wäre er angegurtet gewesen.

Vielmehr wird dann, unter Abwägung aller Umstände,

  • insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann,

eine einheitliche Mitschuldquote gebildet.

Übrigens:
Eine solche Mitverschuldensquote wirkt sich auch aus auf einen erlittenen Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden (vgl. dazu Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 25.10.2019 – 10 U 3171/18 –).

OLG Düsseldorf entscheidet: Kfz-Werkstatt kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ihre Kunden nicht auf

…. weiteren Reparaturbedarf hinweist.

Mit Urteil vom 17.10.2019 – I-21 U 43/18 – hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem eine Werkstatt

  • im Rahmen der Reparatur des SUVs eines Kunden

umfangreiche Arbeiten an dem Fahrzeugmotor durchgeführt,

  • dabei u.a. alle hydraulischen Ventilspielausgleichselemente und einen Kettenspanner erneuert,

aber den Zustand der

  • zu diesem Zeitpunkt bereits stark gelängten und austauschbedürftigen

Steuerketten nicht untersucht und deswegen der Motor

  • nach einigen hundert Kilometern

einen Totalschaden erlitten hatte, entschieden, dass,

  • weil es unterlassen worden war,
    • den Zustand der Steuerketten zu überprüfen und
    • dem Kunden einen Austausch zu empfehlen,

der Kunde von dem Betreiber bzw. Inhaber der Werkstatt,

  • wegen Verletzung der Prüfpflicht und unterlassener Aufklärung über den weiteren Reparaturbedarf bei seinem SUV,

ersetzt verlangen kann,

  • die entstandenen Kosten
    • für den Erwerb und Einbau eines Austauschmotors, abzüglich der Kosten, die ohnehin durch den Austausch der Steuerketten entstanden wären und
    • für das zur Aufklärung privat eingeholte Sachverständigengutachten

sowie

  • den Nutzungsausfall.

Danach muss eine Werkstatt auch auf Unzulänglichkeiten an den Teilen des Fahrzeugs achten,

  • mit denen sie sich im Zuge der durchgeführten Reparatur befasst und
  • deren Mängel danach nicht mehr ohne weiteres entdeckt und behoben werden können (Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf).

OLG Oldenburg entscheidet: 500.000 Euro Schmerzensgeld für Kind, das als Folge einer Sauerstoffunterversorgung

…. vor der Geburt einen schweren Hirnschaden erlitten hat.

Mit Urteil vom 13.11.2019 – 4 U 108/18 – hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem

  • es anlässlich der Geburt eines Kindes in einer Klinik,

bei dem Kind

  • zu einem schweren Hirnschaden infolge einer Sauerstoffunterversorgung vor der Geburt

gekommen war, weil,

  • nachdem ca. 45 min vor der Entbindung die Herzfrequenz des Kindes sehr stark abgefallen war (sog. Bradykardie) und
  • in diesem Zeitraum für ca. 10 min das CTG (sog. Wehenschreiber) weder von dem Kind, noch von der Mutter, einen Herzschlag aufgezeichnet hatte,

bei Wiedererfassung eines Herzschlages mit normgerechter Frequenz im CTG, die Ärzte diesen Herzschlag,

  • bei dem es sich tatsächlich um den der Mutter handelte,

irrtümlicherweise für den des Kindes gehalten hatten, in der Annahme, es habe sich wieder erholt und

  • nachdem später der Irrtum bemerkt worden war,

das Kind durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt war, das Klinikum und die behandelnden Ärzte verurteilt dem Kind

  • 500.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen und
  • sämtlichen Vermögensschaden zu ersetzen, der dem Kind aus den Kunstfehlern anlässlich seiner Geburt entstanden ist oder zukünftig entstehen wird.

Der Senat erachtete es als groben Behandlungsfehler, dass angesichts

  • des Verdachts auf einen kindlichen Herzfrequenzabfall und
  • der bedrohlichen Situation,

die behandelnden Ärzte

  • sich über einen Zeitraum von 10 min mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden gegeben und

es unterlassen hatten, sich auf andere Weise,

  • beispielsweise durch eine sog. Kopfschwartenelektrode,

davon zu überzeugen, dass es dem Kind gut geht.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte der Senat insbesondere, dass das Kind

Hinweis:
Wer von einem anderen

  • wegen der Verletzung seines Körpers, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seiner sexuellen Selbstbestimmung

Schadensersatz verlangen kann, kann nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist,

eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) fordern.

Dieses einem Geschädigten in einem solchen Fall neben dem Anspruch auf Schadensersatz zustehende Schmerzensgeld hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 –) rechtlich eine doppelte Funktion.

  • Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion).
  • Zugleich soll es aber dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion).

Der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke steht dabei im Vordergrund.

Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf

  • Größe,
  • Heftigkeit und
  • Dauer der Schmerzen,
  • Leiden und
  • Entstellungen

die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung.

  • Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden, insbesondere wenn diese Folge eines vorsätzlichen Handeln sind, hat aber auch die Genugtuungsfunktion, eine besondere Bedeutung.

Ganz im Vordergrund stehen der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld,

  • die Höhe und
  • das Maß der Lebensbeeinträchtigung.

Daneben können aber auch alle anderen Umstände (mit) berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall

  • sein besonderes Gepräge geben,

wie etwa

  • der Grad des Verschuldens des Schädigers,
  • im Einzelfall auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und diejenigen des Schädigers,
    • sofern ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Täter und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt,
    • wie bei der Verletzung einer „armen“ Partei durch einen vermögenden Schädiger (BGH, Beschluss vom 11.05.2017 – 2 StR 550/15 –).