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Gesetzlich Krankenversicherte sollten wissen, wann nach begonnener Zahnersatzbehandlung die Zustimmung der Krankenkasse

…. zu einem Behandlerwechsel bzw. die Kostenübernahme für eine erneute zahnprothetische Behandlung durch einen anderen Zahnarzt als den bisherigen Behandler verlangt werden kann und wann nicht.

Grundsätzlich ist das Recht der freien Arztwahl gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nach

  • begonnener

Zahnersatzbehandlung (vgl. dazu § 55 Abs. 1 SGB V) zwar eingeschränkt,

  • bis zum Abschluss der Behandlung und
  • darüber hinaus bis zum Ablauf des Zeitraums, in dem bei fehlerhaftem Zahnersatz aufgrund der zweijährigen Gewährleistung ein Anspruch auf kostenfreie Mängelbeseitigung oder Neuanfertigung durch den bisherigen (dazu bereiten) Behandler besteht (§ 136a Abs. 4 Satz 3 – 5 SGB V).

Allerdings besteht eine solche Bindung an den bisherigen Behandler ausnahmsweise dann nicht, wenn

  • die dortige Weiterbehandlung für den Versicherten unzumutbar ist,

weil der Zahnersatz unbrauchbar ist und

  • entweder eine Neuanfertigung notwendig
  • oder für die Mängelbeseitigung eine Nachbesserung erforderlich ist und der Patient darlegen kann, dass es für ihn unzumutbar ist, diese Mängelbeseitigung durch den bisherigen Behandler durchführen zu lassen.

Beispielsweise kann,

  • wie das Sozialgericht (SG) Frankfurt mit Beschluss vom 07.03.2019 – S 18 KR 2756/18 ER – in einem Eilverfahren entschieden hat,

ein Patient von seiner Krankenkasse nicht weiterhin auf den bisher behandelnden Zahnarzt verwiesen werden, wenn

  • das Vertrauensverhältnis aufgrund eines erheblichen Konflikts zwischen Patient und seinem Zahnarzt durch wiederholt wechselseitige Vorwürfe zerstört ist, wie
    • die angeblichen Schmerzen des Patienten seien nicht nachvollziehbar einerseits und
    • der Zahnarzt sei rat- und hilflos und es mangele ihm an Reflexionsfähigkeit andererseits

sowie

  • Streit über die Frage besteht, ob Nachbesserungsversuche des Arztes erfolgreich waren.

Dagegen ist,

  • worauf das SG Frankfurt mit Beschluss vom 18.06.2019 – S 35 KR 602/19 ER – hingewiesen hat,

eine Krankenkasse dann (noch) nicht verpflichtet, einem Zahnarztwechsel zuzustimmen, wenn etwa im Fall einer geplanten prothetischen Versorgung

  • durch Einsetzen von sechs Kronen im ersten Schritt und
  • durch Einsetzen herausnehmbarer Ober- und Unterkieferprothesen zum Ersatz der fehlenden restlichen Zähne im zweiten Schritt,

von dem Patienten

  • bereits nach dem Einsetzen der Kronen

deren erhebliche Mangelhaftigkeit und hierdurch bedingte Schmerzen geltend gemacht werden, aber

  • ein schwerwiegender Behandlungsfehler nicht festgestellt werden kann
  • aufgrund des Umfangs der Gebiss-Sanierung bis zum Erreichen einer vollständigen Beschwerdefreiheit weitere Nachbesserungen (noch) erforderlich (sein) werden,
  • eine aussagekräftige Beurteilung der Versorgungsqualität erst nach einem Abschluss der Behandlung möglich und
  • auch ein zerstörtes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt nicht belegt ist (Quelle: Pressemitteilung des SG Frankfurt).

AG Coburg entscheidet: Entpuppt sich eine gekaufte Zwergseidenhenne als Hahn, kann der Käufer

…. vom Kaufvertrag zurücktreten.

Dass dies selbstverständlich ist sollte man meinen. Dennoch musste es ausdrücklich vom Amtsgericht (AG) Coburg mit Urteil vom 03.06.2019 – 11 C 265/19 – entschieden werden, nachdem in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Verkäufer,

  • von dem über eine Internetplattform junge Zwergseidenhennen zum Verkauf für 45 Euro das Stück angeboten worden waren,

drei Tiere erworben hatte und als sich etwa zwei Wochen später herausstellte, dass

  • es sich bei einem dieser Hühner tatsächlich um einen Hahn handelte

der Verkäufer vorgerichtlich

  • weder bereit war dem Käufer statt des Hahns eine Henne liefern,
  • noch den Kaufpreis zurückzuzahlen.

Die vom AG dafür mitgelieferte juristische Begründung lautete, dass die Parteien sich

  • über die Beschreibung der zum Verkauf angebotenen Tiere im Internet als „junge Zwergseidenhennen“ sowie
  • dem anschließenden Kaufvertrag

verbindlich über die Beschaffenheit der Tiere geeinigt hatten und der verkaufte Zwergseidenhahn,

  • weil es sich um keine Henne handelte,

dieser vereinbarten Beschaffenheit nicht entsprochen hat,

Bei einem mobilen Pflegedienst beschäftigte Arbeitnehmer(innen) sollten wissen, dass sie, wenn sie einen Betriebsweg unterbrechen

…. beispielsweise um sich einen „Coffee-to-go“ zu besorgen, sie während dieser Besorgung nicht gesetzlich unfallversichert sind.

Mit Urteil vom 21.03.2019 – L 1 U 1312/18 – hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) in einem Fall, in dem eine bei einem mobilen Pflegedienst beschäftigte Arbeitnehmerin

  • als sie auf dem Weg zu einer Klientin eine Bäckerei in einer Nebenstraße aufsuchte, um dort einen „Coffee-to-go“ zu erwerben,
  • den sie nach Verrichtung der Pflegemaßnahme auf einem Parkplatz trinken wollte,

vor dem Betreten der Bäckerei gestolpert war und sich dabei am Knie verletzt hatte, entschieden, dass

  • es sich hierbei um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Begründet hat das LSG dies damit, dass

  • gesetzlich unfallversichert nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstelle oder während eines Betriebsweges seien,
  • sondern nur Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses und

der als höchstpersönliche Verrichtung,

  • wie die Nahrungsaufnahme an sich oder sonstige eigenwirtschaftliche Handlungen,

beabsichtigte Erwerb des „Coffee-to-go“,

  • nicht im sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit als Pflegekraft gestanden sowie
  • zu einer mehr als nur geringfügigen Unterbrechung des versicherten Betriebsweges von einem Klienten zu einem anderen Klienten geführt habe

und der Unfall auch nicht durch eine spezifische Gefahr der versicherten Tätigkeit hervorgerufen worden sei (Quelle: juris Das Rechtsportal)

Autofahrer sollten wissen, dass sich ein Blitzer auch in einem an der Straße abgestellten Anhänger befinden und

…. aus diesem heraus eine Geschwindigkeitsmessung erfolgen kann.

Mit Beschluss vom 12.03.2019 – 2 Ss OWi 67/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden, dass die Nutzung eines Messgeräts in einem abgestellten Anhänger,

  • dem sogenannten „Enforcement Trailer“,

zulässig ist.

Danach kann die Geschwindigkeitsmessung somit auch mit Hilfe eines als „Enforcement Trailer“ bezeichneten,

  • gegen äußere Einflüsse gesicherten

mobilen, d. h. umsetzbaren Spezialanhängers,

  • in den ein anerkanntes Messgerät eingebaut ist,

erfolgen.

Nach der Entscheidung des OLG gilt dies auch dann, wenn

  • die Gebrauchsanweisung des Messgeräts noch nicht entsprechend angepasst bzw. ergänzt wurde, also

in der Gebrauchsanweisung noch nicht steht, dass der Betrieb des Messgeräts

  • neben dem Einsatz „aus einem Kfz, auf einem Stativ oder in einer Messkabine“

auch aus einem – damals noch nicht existierenden – Enforcement Trailer heraus erfolgen darf.

Denn, so das OLG,

  • entscheidend sei allein, ob der Einsatz des Messgeräts aus einem Enforcement Trailer heraus zu Verfälschungen der Messergebnisse führen könne

und

  • hierfür gebe es jedenfalls bei Messgeräten, deren Bauartzulassung die Verwendung aus einem Fahrzeug heraus vorsehen, keine Anhaltspunkte.

Was Fluggäste wissen sollten, wenn es bei einem Flug von einem Flughafen in der EU mit Umsteigen zu einer Verspätung erst

…. bei einem Anschlussflug mit Abflug- und Zielort in einem Drittstaat gekommen ist.

Mit Urteil vom 11.07.2019 hat die Neunte Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-502/18 entschieden, dass ein Fluggast, der

  • bei einem Luftfahrtunternehmen

einen einheitlichen Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen sowie Abflug von einem Flughafen in der EU gebucht hat, der,

  • nach dem von dem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchgeführten ersten Teilflug ein Umsteigen auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats und
  • die anschließende weitere Durchführung im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung von einem (anderen) Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft zu einem Flughafen in einem Drittstaat

vorsieht, gegen das Luftfahrtunternehmen,

  • von dem der erste Teilflug durchgeführt worden ist,

auch dann Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) hat, wenn

  • es erst bei der Ankunft des zweiten, von dem (anderen) außerhalb der Gemeinschaft durchgeführten Flugunternehmen, zu einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gekommen ist.

Danach stellt ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen,

  • der Gegenstand einer einzigen Buchung ist,

für die Zwecke des in der FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichs eine Gesamtheit dar, so dass ein Flug mit Umsteigen,

  • dessen erster Teilflug im Gebiet eines Mitgliedstaats startet,

in den Anwendungsbereich der FluggastrechteVO fällt und ist, wenn

  • sein zweiter Teilflug mit Abflug- und Zielort in einem Drittstaat außerhalb der Europäischen Union
  • von einem Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wird,

als ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO

  • das Luftfahrtunternehmen einzustufen,

das den ersten Teilflug des Fluges mit Umsteigen durchgeführt hat.

Was Arbeitnehmer beachten sollten, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet wird

Mit Urteil vom 15.05.2019 – S 16 AL 238/18 – hat das Sozialgericht (SG) Landshut darauf hingewiesen, dass

  • nicht nur die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses von Seiten des Arbeitnehmers, sondern

auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages nach § 159 Abs. 1 N. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eine Sperrzeit zur Folge haben kann, für deren Dauer der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

So kann die Arbeitsagentur beispielsweise eine Sperrzeit verhängen und erst nach deren Ablauf entsprechende Leistungen gewähren, wenn ein Arbeitnehmer,

  • der keine konkreten Aussichten auf einen nahtlosen Anschlussarbeitsplatz hat,

einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zustimmt, ohne glaubhaft nachweisen zu können, dass ihm,

  • im Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages,

zum selben Zeitpunkt die Kündigung des Arbeitgebers gedroht hätte.

Denn der Arbeitnehmer hat die Arbeitslosigkeit dann grob fahrlässig herbeigeführt.

Nach Auffassung des SG ist deswegen auch gegen einen Arbeitnehmer, von dem der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit seinem Arbeitgeber, einer Zeitarbeitsfirma,

  • bereits einen Tag nach der Arbeitsaufnahme mit sofortiger Wirkung gegenüber der Agentur für Arbeit,

damit begründet worden war,

  • dass der Entleihbetrieb einen Mitarbeiter benötigt habe, der bundesweit einsetzbar sei,
  • er dies wegen fehlender bzw. eingeschränkter Mobilität nicht leisten könne und
  • das Zeitarbeitsunternehmen zu dem Zeitpunkt auch keine andere Einsatzmöglichkeit für ihn gehabt habe,

zu Recht eine 12-wöchige Sperrzeit verhängt worden,

  • da das Zeitarbeitsunternehmen – wie von diesem angegeben wurde – dem Arbeitnehmer von sich aus nicht gekündigt hätte (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Autofahrer sollten wissen, dass, wenn sie mit einem Gerät des Typs TraffiStar S 350 geblitzt worden sind, die

…. Geschwindigkeitsmessung unverwertbar ist vor saarländischen Gerichten bzw. sein kann vor Gerichten anderer Bundesländer, mit der Folge,

  • dass eine Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gestützt werden kann lediglich
    • auf das dokumentierte Messergebnis und
    • das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs sowie seines Fahrers.

Mit Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17 – hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Saarlandes in einem Fall, in dem ein Betroffener, nachdem ihm aufgrund einer  Geschwindigkeitsmessung,

  • durchgeführt mit einem durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassenem Gerät des Typs TraffiStar S 350 der Firma Jenoptik, das
    • die Geschwindigkeit auf der Grundlage von Laserimpuls-Laufzeitmessungen misst, indem der Laserscanner für die sich im Erfassungsbereich der Laserimpulse befindenden Objekte genaue Entfernungs- und Winkelinformationen liefert, die die Berechnung der Entfernungsänderung des Objekts über die Zeit erlauben allerdings
  • die sog. Rohmessdaten – obwohl dies ohne größeren Aufwand technisch möglich wäre – nicht aufzeichnet,

eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden war, das Messergebnis nachträglich durch ein Sachverständigengutachten überprüfen lassen wollte, dies jedoch,

  • wegen der fehlenden Aufzeichnung der Rohmessdaten,

nicht möglich war, entschieden, dass, sofern

  • ein Betroffener, auch ohne einen auf der Hand liegenden Einwand – etwa sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen zu können, beantragt, ein Messergebnis zu überprüfen und
  • Rohmessdaten – mangels Speicherung – für eine solche zuverlässige nachträgliche Kontrolle des konkreten Messergebnisses aber nicht zur Verfügung stehen,
    • wie bei dem Gerät TraffiStar S 350,

eine mit einem solchen Gerät erfolgte Geschwindigkeitsmessung, auch dann, wenn es sich dabei um ein standartisiertes Messverfahren handelt,

  • wegen Verletzung des grundrechtlich geschützten Rechts auf effektive Verteidigung,
    • zu der auch gehört, eigenverantwortlich nachforschen zu können,
    • ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit eines Vorwurfes gibt,

unverwertbar ist.

Was beachtet werden muss:
Gebunden an diese Entscheidung des VerfGH Saarbrücken sind nur die Gerichte des Saarlandes im konkreten Fall, vorbehaltlich einer abweichenden späteren Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts.
Hingewiesen hat der VerfGH Saarbrücken allerdings, dass er in gleich gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen saarländischer Gerichte korrigieren wird.

Staat ist, wenn er das Eigentum von Bürgern verwahrt, verpflichtet, dieses zu schützen gegen Zerstörung, Beschädigung

…. sowie Verlust und bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht schadensersatzpflichtig.

Mit Urteil vom 29.05.2019 – 11 U1/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Fall, in dem

  • von einer ehemaligen Sportschützin bei ihrem Austritt aus dem Schießsportverein ihre Sportpistole ordnungsgemäß bei der Stadt abgegeben worden war, um sie später zu verkaufen und
  • sich aufgrund unsachgemäßer Lagerung der Waffe an dieser Rostanhaftungen gebildet hatten,

entschieden, dass,

  • als Ersatz des dadurch der ehemaligen Sportschützin entstandenen Schadens,

ihr die Stadt 800 Euro zahlen muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass durch die Übernahme der Waffe,

  • mit der die Stadt ihre Pflicht, die „übergroße Mehrheit der waffenlosen Bürger hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit“ zu schützen, ausgeübt habe,

ein sogenanntes öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen der Sportschützin und der Stadt zustande gekommen sei, die Stadt ihre sich aus einem solchen öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis ergebende Verpflichtung, das ihr in Obhut Gegebene gegen Zerstörung, Beschädigung und Verlust zu schützen,

  • durch die unsachgemäße Lagerung der Waffe

verletzt habe und dies der Stadt,

  • da vom Inhaber einer Waffenkammer erwartet werden könne, dass er weiß, wie eine Waffe zu lagern ist,

auch vorzuwerfen sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

BGH entscheidet: Kaufen Verbraucher im Internet eine Matratze, steht ihnen auch nach Entfernung der Schutzfolie

…. noch das Recht zu, den Kaufvertrag nach §§ 312g Abs. 1, 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu widerrufen.

Mit Urteil vom 03.07.2019 – VIII ZR 194/16 – hat der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Verbraucher (§ 13 BGB) bei einer u.a. Matratzen vertreibenden Online-Händlerin, über deren Website eine Matratze zu einem Kaufpreis von 1.094,52 € bestellt hatte,

  • die ihm mit einer versiegelten Schutzfolie geliefert und
  • von ihm nach Erhalt worden war,

entschieden, dass

  • dem Verbraucher auch noch nach Entfernung der Schutzfolie das Recht zusteht, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass die Ausnahmeregelung des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB,

  • nach der das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen nicht besteht
    • bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind,
    • wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

nur dann eingreift, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene

  • endgültig

nicht mehr verkehrsfähig ist,

  • weil der Unternehmer Maßnahmen, die sie unter Wahrung des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene wieder verkehrsfähig machen, nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ergreifen könnte

und dass hiervon bei einer Matratze nicht ausgegangen werden kann, da diese,

  • wie auch ein Kleidungsstück, das ebenfalls mit dem menschlichen Körper direkt in Kontakt kommen kann,

nach Rücksendung von dem Unternehmer mittels einer Behandlung, wie einer Reinigung oder einer Desinfektion, für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet gemacht werden kann (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Beachten sollten Verbraucher allerdings, dass sie, wenn

  • sie die Matratze in einem größeren Maß nutzten, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig,

zwar das Widerrufsrecht nicht verlieren, aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware haften können (vgl. Amtsgericht (AG) Bremen, Urteil vom 15.04.2016 – 7 C 273/15 – zum Umfang des zulässigen Matratzentests).

Übrigens:
Die Entscheidung des BGH folgt im Ergebnis und in der Begründung dem, was die Sechste Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 27.03.2019 in der Rechtssache C-681/17 vorgegeben hat, da § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB auf die gleichlautende europarechtliche Vorschrift des Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie zurück geht, die der deutsche Gesetzgeber vollständig in deutsches Recht umsetzen wollte.

ArbG Gießen entscheidet: Arbeitgeber die zur Entfernung unliebsamer Betriebsratsmitglieder Kündigungsgründe fingieren

…. machen sich entschädigungspflichtig.

Mit Urteil vom 10.05.2019 – 3 Ca 433/17 – hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Gießen entschieden, dass Betriebsratsmitglieder,

  • wenn Arbeitgeber, um sie loszuwerden, Kündigungsgründe fingieren,

Anspruch auf Entschädigung haben und in einem Fall,

  • in dem ein Arbeitgeber gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter ein Strategiekonzept zur Entfernung eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds entwickelt hatte,
  • nach dem eingeschleuste Lockspitzel das Betriebsratsmitglied in Verruf bringen sowie Kündigungsgründe provozieren oder erfinden sollte,

den Arbeitgeber und seinen Rechtsvertreter

  • wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung(§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG))

gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 20.000 Euro an das Betriebsratsmitglied verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war dem Betriebsratsmitgliedzur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung

  • nicht nur ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot,
  • sondern auch ein Tätlichkeit unterschoben werden, indem
    • das Betriebsratsmitglied von zwei als Lockspitzel eingeschleusten Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte und
    • als das Betriebsratsmitglied nicht zuschlug, einer der Detektive den anderen verletzte und das Betriebsratsmitglied dieser Tat bezichtigte (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Gießen).