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BGH entscheidet: Fluggäste können auch dann Anspruch auf Ausgleichszahlung haben, wenn ihr Flug wegen Bestreikung

…. der Passagierkontrollen am Startflughafen annulliert wurde.

Mit Urteil vom 04.09.2018 – X ZR 111/17 – hat der für Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Luftfahrtunternehmen,

  • weil am Startflughafen die Passagierkontrollen bestreikt wurden,

einen Flug annulliert und das Flugzeug ohne Passagiere zum Zielort überführt hatte, darauf hingewiesen, dass

  • ein Ausstand der Beschäftigten der Passagierkontrollstellen zwar grundsätzlich geeignet sein kann, außergewöhnliche Umstände nach Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung (FluggastrechteVO) zu begründen, die ein Luftverkehrsunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO an die von der Annullierung betroffenen Fluggäste befreit,
  • dies jedoch, was das Flugunternehmen darzulegen sowie im Streitfall zu beweisen habe,
    • nicht nur voraussetzt, dass sich die Folgen des Ausstands nicht mit zumutbaren Maßnahmen haben abwenden lassen,
    • sondern auch, dass diese Folgen die Absage des Flugs notwendig gemacht haben und

ein Flugunternehmen demzufolge die Annullierung eines Fluges wegen eines Streiks bei den Passagierkontrollen nur dann rechtfertigen könne, wenn aufgrund des Streiks

  • kein einziger Fluggast die Sicherheitskontrollen rechtzeitig habe passieren sowie den Flug zum vorgesehenen Zeitpunkt habe wahrnehmen können

oder

  • tatsächliche Anhaltspunkte für ein konkretes Sicherheitsrisiko bestanden haben
    • und nicht nur die abstrakte Gefahr, die Überprüfung der Fluggäste könnten wegen des starken Andrangs auf nur wenige Kontrollstellen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sein (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.09.2018).

LG Koblenz entscheidet: Mittiges Schlafen eines Alleinschläfers auf einem Doppel(Boxspring)bett stellt

…. eine nicht sach- und fachgerechte Nutzung dar und berechtigt deshalb, wenn sich aufgrund dessen eine Kuhle in der Mitte des Bettes bildet, nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit Beschluss vom 17.08.2018 – 6 S 92/18 – hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Koblenz darauf hingewiesen, dass bei einem,

  • aufgrund seiner Größe, seines Aufbaus und seiner Federungseigenschaften auf zwei Schläfer ausgelegtem,
    • beispielsweise aus einem gefederten Untergestell als Basis, zwei aufgelegten Matratzen in den Größen 0,8m x 2,00m in einem durchgehenden Bezug und
    • einem noch aufgelegten, durchgehenden sog. Topper bestehenden

Boxspringbett kein Sachmangel vorliegt, wenn sich nach nicht einmal zweijähriger Nutzung

  • eine den Schlafkomfort beeinträchtigende Kuhle in der Mitte des Bettes gebildet hat und
  • das Bett nur von einer, immer in der Mitte des Bettes schlafenden, Person allein genutzt worden ist.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass mittiges Schlafen von einem Alleinschläfer auf einem, auf zwei Schläfer ausgelegtem Bett,

  • da es nicht der üblichen Beschaffenheit eines Doppelbettes entspricht, dass der Übergangsbereich zwischen den beiden Liegeflächen zum Schlafen genutzt werden kann,

eine nicht sach- und fachgerechte Nutzung darstelle und

  • somit ein Nutzer auch nicht erwarten könne, allein dauerhaft in der Mitte schlafen zu können (Quelle: Pressemitteilung des LG Koblenz vom 24.08.2018).

Ein an Diabetis leidendes schulpflichtiges Kind hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung, wenn

…. nur durch eine andauernde Beobachtung und Unterstützung des Kindes ein gefahrloser Schulbesuch möglich ist.

Mit Beschluss vom 24.08.2018 – S 11 SO 221/18 – hat die 11. Kammer des Sozialgerichts (SG) Detmold im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in einem Fall, in dem eine Sechsjährige, die an einem Diabetes Mellitus Typ 1 litt,

  • mit einer Insulinpumpe versorgt werden und ein Gerät zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung tragen musste,
  • um (lebensgefährliche) Unterzuckerungen zu vermeiden,

entschieden, dass das Kind,

  • (zunächst) von der Einschulung bis zum Beginn der Herbstferien,

Anspruch auf eine Schulbegleitung hat, um die notwendige Behandlung des Diabetesleidens sicherzustellen.

Danach muss,

  • auch wenn der exakte Umfang der notwendigen Begleitung noch nicht feststeht und
  • langfristig kein Anspruch auf eine Begleitung während der gesamten Schulzeit bestehen sollte,

in Fällen, in denen nur durch eine andauernde Beobachtung und Unterstützung des Kindes ein gefahrloser Schulbesuch ermöglicht wird,

  • in einer Übergangsphase für den Schulbesuch incl. Pausen und für andere schulische Veranstaltungen

eine Eingliederungshilfe zur Verfügung gestellt werden.

Ein solcher Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Eingliederungshilfe besteht, so das SG,

  • da es sich um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung handelt,

unabhängig vom Einkommen und Vermögen des Kindes und der Eltern (Quelle: Pressemitteilung des SG Detmold vom 29.08.2018).

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, die vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber freigestellt

…. worden sind bzw. werden und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld bezogen haben bzw. beziehen.

Mit Urteil vom 30.08.2018 – B 11 AL 15/17 R – hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass

  • die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung,
  • auch im Falle einer unwiderruflichen Freistellung,

bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass maßgebend für die Arbeitslosengeld-Bemessung im Sinne des § 150 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn ist.

Danach muss also, wenn beispielsweise zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Aufhebungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisse zu einem bestimmten Termin vereinbart,

  • der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aber schon vor dem vereinbarten Beendigungstermin unter Weiterzahlung des Arbeitslohns unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt

wird, die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung

  • bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes

mit berücksichtigt werden (Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 30.08.2018).

Was Eltern wissen sollten, wenn die Schule ihres Kindes eine Schulfahrt durchführt bzw. ihr Kind an

…. einer Schulfahrt teilgenommen hat.

Mit Urteilen vom 28.08.2018 – 2 A 900/16, 2 A 265/17 – hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) darauf hingewiesen, dass, wenn öffentliche Schulen Schulfahrten durchführen,

  • wie etwa im Rahmen des fächerverbindenden Unterrichts bzw. von Exkursionen,

die Schulträger

  • von den Eltern der teilnehmenden Schüler,

die aus Anlass dieser Schulfahrten entstehenden Kosten,

  • wegen Fehlens einer gesetzlichen Rechtsgrundlage,

nur dann erstattet verlangen können, wenn

  • die Eltern sich vor Antritt der Schulfahrt vorbehaltlos zur Kostenübernahme bereit erklärt haben.

Ist das nicht der Fall und wird ein Schüler,

  • dessen Eltern keine solche vorbehaltlose Kostenübernahmeerklärung abgegeben haben,

dennoch auf die Schulfahrt mitgenommen, hat

  • der Schulträger die Kosten zu tragen.

Haben Eltern,

  • um ihrem Kind die Teilnahme an der Schulfahrt zu ermöglichen,

Kosten unter beispielsweise dem Vorbehalt, dass diese vom Schulträger übernommen werden, an die Schule gezahlt,

Berufskraftfahrer, die nach einer privaten Trunkenheitsfahrt ihren Arbeitsplatz verlieren, aufgrund dessen hilfsbedürftig werden und

…. „Hartz IV-Leistungen“ erhalten, sind nicht nach § 34 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB II) zur Rückzahlung der bezogenen Grundsicherungsleistungen verpflichtet.

Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 05.07.2018 – L 6 AS 80/17 – entschieden.

Danach kann das Jobcenter von Berufskraftfahrern,

  • denen wegen einer in ihrer Freizeit begangenen Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen sowie
  • deswegen von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden ist und

die danach hilfsbedürftig sind und Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) beziehen,

  • das Jobcenter diese Grundsicherungsleistungen nicht zurückfordern.

Denn, so das LSG, der Erstattungsanspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II,

  • wonach derjenige, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet ist,

setzt als ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal ein sozialwidriges Verhalten des Erstattungspflichtigen voraus und die Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit,

  • stellt zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat dar,

ist aber,

  • auch wenn durch diese besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten der Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren gegangen ist,

nicht als sozialwidrig einzustufen,

  • weil kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit besteht, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht kommt.

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer in deren Arbeitsvertrag bestimmt ist, dass sie Nebentätigkeiten nur mit

…. Genehmigung des Arbeitgebers ausüben dürfen.

Mit Urteil vom 24.08.2018 – 4 Ca 3038/18 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf darauf hingewiesen, dass Arbeitsvertragsklauseln,

  • die vorsehen, dass Arbeitnehmer nur mit Genehmigung des Arbeitgebers eine Nebentätigkeit ausüben dürfen,

wirksam sind,

  • da durch die Aufnahme der Nebentätigkeit Interessen des Arbeitgebers betroffen sein können.

Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag einen solchen Erlaubnisvorbehalt vorsieht, müssen deshalb, wenn sie eine Nebentätigkeit aufnehmen möchten,

  • sich vor der Aufnahme der Nebentätigkeit um die Einwilligung ihres Arbeitgebers bemühen und
  • falls dieser die Einwilligung verweigert, den Klageweg beschreiten, mit dem Ziel den Arbeitgeber zur Erteilung der Einwilligung zu verpflichten.

Sehen Arbeitnehmer hiervon ab und wird ihnen, wegen Aufnahme einer Nebentätigkeit,

  • ohne zuvor die Einwilligung ihres Arbeitgebers eingeholt zu haben,
  • obwohl der Arbeitsvertrag einen solchen Erlaubnisvorbehalt vorsieht,

eine Abmahnung erteilt, hat eine Klage

  • auf Entfernung der erteilten Abmahnung

keinen Erfolg

BGH entscheidet: Onlineanbieter von Eintrittskarten dürfen für die elektronische Übermittlung von Tickets

…. zum Selberausdrucken keine pauschale „Servicegebühr“ verlangen.

Mit Urteil vom 23.08.2018 – III ZR 192/17 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass Preisklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Onlineanbietern, die Eintrittskarten

  • für Konzerte, Sportevents oder andere Veranstaltungen als Veranstalter, Vermittler oder Kommissionäre (§ 383 Handelsgesetzbuch (HGB))

vertreiben, unwirksam sind, wenn in diesen vorgesehen ist, dass bei Wahl der angebotenen Versandmöglichkeit

  • per elektronischer Übermittlung zum Ausdrucken am heimischen Rechner (sogenannte print@home-Option)

eine (den Ticketpreis erhöhende) pauschale „Servicegebühr“ für den Besteller anfällt.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass nicht erkennbar ist, welche konkreten erstattungsfähigen Aufwendungen mit der „Servicegebühr“ für die „ticketdirect“-Option geltend gemacht werden, da der Kunde bei dieser Versandart die Eintrittskarte nach ihrer elektronischen Übermittlung selbst ausdruckt, so dass weder Porto- noch Verpackungskosten anfallen (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 24.08.2018).

Ärzte und Patienten sollten wissen, dass ein schwerer ärztlicher Behandlungsfehler auch dann vorliegen kann, wenn ein Arzt

…. Patienten, die er zur (Weiter)Behandlung an einen anderen Arzt oder ein Klinikum überwiesen hat, nicht über einen dort erhobenen bedrohlichen Befund informiert.

Mit Urteil vom 26.06.2018 – VI ZR 285/17 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass Ärzte, die Patienten an einen anderen (Fach)Arzt oder ein Klinikum überwiesen und von diesen über die erfolgte (Weiter)Behandlung der Patienten (allein) an sie gerichtete Arztbriefe erhalten haben,

  • aufgrund ihrer nachwirkenden Schutz- und Fürsorgepflicht (§§ 280 Abs. 1, 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

sicherstellen müssen,

  • dass die Patienten von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden – und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung – unverzüglich Kenntnis erlangen,
    • auch wenn durch die veranlasste Überweisung der Behandlungsvertrag geendet hat sowie der Arztbrief (erst) danach, also dem Ende des Behandlungsvertrags, bei ihnen eingegangen sein sollte

und

  • dass ein Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, den Informationsfluss mit dem Patienten aufrechterhalten muss, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass
    • der Patient oder
    • der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • ein Patient Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen hat,
  • dies in besonderem Maße gilt, wenn den Patienten erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung)

und

  • der behandelnde Arzt, der einen Arztbericht von einem Kollegen erhält, in dem für die Weiterberatung und Weiterbehandlung des Patienten neue bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthalten sind, die eine alsbaldige Vorstellung des Patienten bei dem Arzt unumgänglich machen, den Patienten (sogar dann) unter kurzer Mitteilung des neuen Sachverhaltes einzubestellen hat, wenn er ihm aus anderen Gründen die Wahrnehmung eines Arzttermins angeraten hatte.

BAG entscheidet: Erkenntnisse aus einer rechtmäßigen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers

…. zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, dürfen,

  • solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist,

im Kündigungsschutzprozess verwertet werden.

Darauf hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 23.08.2018 – 2 AZR 133/18 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Betreiber eines Tabak- und Zeitschriftenhandels

  • zum Schutz seines Eigentums vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern eine offene Videoüberwachung installiert und

einem seiner Arbeitnehmer fristlos gekündigt hatte, weil

  • die, wegen eines aufgetretenen Fehlbestands bei den Tabakwaren erfolgte Auswertung der Videoaufzeichnungen gezeigt hatten, dass

von dem Arbeitnehmer an zwei Tagen vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt worden waren.

Danach ist,

  • wenn es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung handelt,

die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen zu Beweiszwecken in gerichtlichen Verfahren zulässig und

  • muss das Bildmaterial auch nicht sofort ausgewertet werden,
  • sondern darf der Arbeitgeber damit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sieht (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 23.08.2018).