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OLG Stuttgart entscheidet: Inhaber einer Kamelfarm muss einer vom Kamel gestürzten Reiterin Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen

Mit Urteil vom 07.06.2018 – 13 U 194/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Fall, in dem die Besucherin eines Kamelhofs bei einem Kamelausritt,

  • bei dem der Inhaber des Kamelhofs das Kamel an einer Kette geführt hatte,

aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden gestürzt war,

  • als das Kamel, erschreckt durch Hundegebell an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung vollführt hatte,

entschieden, dass der Inhaber des Kamelhofs der Besucherin,

  • wegen der bei dem Sturz erlittenen Kopfverletzungen sowie der Einschränkungen ihrer Erwerbstätigkeit,

70.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und ihr den Verdienstausfall ersetzen muss.

Begründet hat das OLG dies u.a. damit, dass es sich,

  • jedenfalls in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten sei,

bei Kamelen nicht um Haus- und Nutztiere i.S.v. § 833 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handle und der Inhaber des Kamelhofs als Tierhalter somit gemäß § 833 Satz 1 BGB,

  • ohne sich nach § 833 Satz 2 BGB auf das Privileg eines Haustierhalters berufen und
  • sich ggf. durch den Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung befreien zu können,

verschuldensunabhängig für den der Besucherin entstandenen Schaden hafte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 11.06.2018).

Wer hat Vorrang, wenn bei einer über die Straßenbahnschienen führenden Fahrspur die Ampel sowohl

…. für Kraftfahrzeuge als auch für die Straßenbahn Grünlicht zeigt?

Mit Urteil vom 13.04.2018 – 7 U 36/17 – hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm darauf hingewiesen, dass bei einer Ampelphasenschaltung

  • mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und
  • ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn

die Straßenbahn Vorrang hat und dass bei einer Kollision zwischen einem PKW und einer Straßenbahn in einem solchen Fall,

  • sollte dem Straßenbahnfahrer weder eine für den Unfall (mit)ursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung, noch eine verspätete Reaktion nachgewiesen werden können,

der PKW-Fahrer für die Unfallfolgen zu 100 % verantwortlich sein kann.

Autofahrer, die bei Grünlicht einer Ampel für sie, Straßenbahnschienen kreuzen möchten, sollten deshalb,

  • bevor sie auf die Schienen fahren, Straßenbahnen passieren lassen und
  • sich nicht darauf verlassen, dass die Ampel so geschaltet ist, dass ein gleichzeitiges Befahren der Straßenbahnschienen durch den Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 13.06.2018).

Was Veranstalter von Speedway- oder Sandbahnrennen über die für Zuschauer zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen wissen müssen

Mit Urteil vom 11.06.2018 – 2 U 105/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg darauf hingewiesen, dass es bei einem Speedway- oder Sandbahnrennen zur Sicherung des Zuschauerbereiches nicht genügt, dass

  • der Zuschauerbereich von dem Rundkurs, auf dem die Motorräder ihre Kreise drehen, durch eine 1,2 m hohe Betonmauer getrennt ist,
  • sich an deren Innenseite ein Luftkissenwall befindet und
  • 3 m von der Betonmauer entfernt ein Seil gespannt ist,

sondern dass

  • zusätzlich auch ein Fangzaun errichtet werden muss.

Fehlt ein solcher zusätzlicher Fangzaun und wird durch ein bei einem Unfall über die Betonwand katapultiertes Motorrad ein Zuschauer verletzt, ist der Veranstalter

  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

schadensersatzpflichtig.

Begründet hat das OLG dies damit, dass

  • zwar von einem Veranstalter eines Speedwayrennens keine vollkommene jede denkbare Gefahr und jeden Unfall ausschließende Verkehrssicherheit erwartet werden könne,
  • dieser aber, unabhängig von Auflagen des Verbandes, eigenverantwortlich auch alle erforderlichen weiteren Maßnahmen ergreifen müsse, die zumutbar seien und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Veranstalter für notwendig halten dürfe, um andere vor Schäden zu bewahren und

es bei einem Speedwayrennen nicht ganz ungewöhnlich sei, dass bei einem Zusammenstoß von Motorrädern eine Katapultwirkung entstehe und ein Motorrad,

  • wenn kein zusätzlicher Fangzaun vorhanden sei,

zu einem lebensgefährlichen Geschoss für die Zuschauer werde (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 11.06.2018).

Dieselgate: OLG Köln verurteilt Fahrzeughändler zur Rücknahme eines verkauften gebrauchten VW-Diesel und zur

…. Rückzahlung des Kaufpreises an den Käufer, abzüglich eines Nutzungswertersatzes in Höhe von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer.

Mit Beschluss vom 28.05.2018 – 27 U 13/17 – hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Autohaus einen gebrauchten VW Eos 2,0 TDI erworben hatte,

  • in den eine Software installiert war, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxid-Emissionen optimierten Betriebsmodus sowie
  • eine Erkennung des Prüf-Betriebes und eine Umschaltung in den optimierten Betriebsmodus vorsah,

entschieden, dass

  • ein Fahrzeug mit einer solchen installierten Software nicht die übliche Beschaffenheit aufweise,
  • somit mangelhaft sei und

der

  • wegen dieses nicht lediglich unerheblichen Mangels

vom Käufer

  • nach erfolgloser Setzung einer Frist zur Nachbesserung,

nach Ablauf von sieben Wochen, erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 11.06.2018).

Dieselgate: BGH entscheidet, dass Käufer vom Abgasskandal betroffener Fahrzeuge den Verkäufer und den Fahrzeughersteller

…. gemeinschaftlich verklagen können.

Mit Beschluss vom 06.06.2018 – X ARZ 303/18 – hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass der Käufer eines Kraftfahrzeugs, der Ansprüche geltend macht,

  • gegen den Verkäufer
    • wegen einer im Fahrzeug eingebauten und so programmierten Abgasreinigungseinrichtung, dass sie auf dem Prüfstand eingeschaltet, im normalen Fahrbetrieb aber außer Betrieb gesetzt ist und
  • gegen den Hersteller des Fahrzeugs
    • aus unerlaubter Handlung, gestützt auf die Vortäuschung eines mangelfreien Zustands,

den Verkäufer und den Hersteller als Streitgenossen nach § 60 Zivilprozessordnung (ZPO) gemeinschaftlich verklagen kann.

Was Reisende, die eine Fernbusreise buchen bzw. gebucht haben, wissen sollten

Mit Urteil vom 06.06.2018 – 262 C 2407/18 – hat das Amtsgericht (AG) München darauf hingewiesen, dass,

  • wenn von Reiseunternehmern, die Fernbusreisen anbieten,
  • kein hinreichend deutlicher Hinweis auf Fahrzeiten über Nacht gegeben wird,

Reisende zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt sein können.

Beispielsweise soll ein Reisender,

  • der eine Busreise an die Côte d’Azur gebucht hat,

den Reisevertrag kündigen und die Rückzahlung des gesamten Reisepreises verlangen können, wenn im Reiseprospekt angekündigt war,

  • dass man die Reisenden an „Zustiegsmöglichkeiten in der Nähe ihres Wohnortes“ abholen würde sowie
  • bei „1. Tag: Anreise“ am Ende, dass die ersten vier Nächte in einem schönen Küstenort nahe San Remo verbracht würden,

tatsächlich aber vorgesehen war,

  • ein Zustieg für den Reisenden um 23.45 Uhr an einer mehr als 20 km von seiner Wohnung entfernten Tankstelle sowie
  • die Verbringung der ersten Nacht im Bus.

Denn, so das AG u.a.,

  • eine Zustiegsstelle an einer Tankstelle in einer Entfernung von mehr als 20 Kilometern vom Wohnort könne nicht mehr als in der Nähe angesehen werden und
  • die erste Nacht im Bus verbringen zu müssen, sei, insbesondere älteren Herrschaften, ohne einen vorherigen deutlichen Hinweis hierauf nicht zuzumuten (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 08.06.2018).

Dieselgate: LG Augsburg erachtet Kaufverträge über vom Abgasskandal betroffene Neufahrzeuge wegen Verstoßes gegen EU-Recht für nichtig

Mit Urteil vom 07.05.2018 – 82 O 4497/16 – hat das Landgericht (LG) Augsburg entschieden, dass, wenn Händler Neufahrzeuge mit Dieselmotor verkaufen,

  • in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist,
    • die erkennt, ob sich ein Auto auf einem Prüfstand befindet,
    • nur dort den Stickoxidausstoß reguliert,
    • während die Abgaswerte im Fahrbetrieb auf der Straße sehr viel höher sind,

die mit den jeweiligen Käufern geschlossenen Kaufverträge nach § 134 Bürgerliches Gesetz (BGB)

  • wegen Verstoßes gegen das Verbot von § 27 Abs. 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV)

(von Anfang an) nichtig sind.

Nach dieser Ansicht

  • bedürfte es in diesen Fällen keines Rücktritts der Käufer gegenüber dem Verkäufer mehr (ggf. nach vorheriger erfolgloser Fristsetzung zur Nachbesserung) und
  • könnten sich die Verkäufer auch nicht mehr auf die zweijährige kaufrechtliche Verjährungsvorschrift berufen.

Vielmehr könnten betroffene Fahrzeugkäufer verlangen,

  • vom Fahrzeugverkäufer nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Herausgabe des gezahlten Kaufpreises, ggf. abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückübereignung des gekauften Fahrzeugs und/oder
  • vom Hersteller nach § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatz wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV.

Dass Kaufverträge über Dieselfahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig sind, hat das LG damit begründet, dass

  • nach § 27 Abs. 1 EG-FGV neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben ist, nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind,
  • eine Übereinstimmungsbescheinigung nur dann gültig ist, wenn das Fahrzeug, für das sie ausgestellt ist, tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht und
  • dies bei Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht der Fall sei (Quelle: beck-aktuell Nachrichten).

Wichtig zu wissen, wenn das angeschaffte selbstgenutzte Eigenheim innerhalb von 10 Jahren veräußert wird und das Finanzamt

…. weil in den Vorjahren Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer abgesetzt wurden, den auf das Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinn gemäß § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) besteuern will.

Mit Urteil vom 20.03.2018 – 8 K 1160/15 – hat das Finanzgericht (FG) Köln entschieden, dass, wenn selbstgenutztes Wohneigentum innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist verkauft wird,

  • der Umstand, dass in den Vorjahren erfolgreich der Abzug von Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht worden ist,

nicht dazu führt, dass der auf das Arbeitszimmer entfallende Veräußerungsgewinn der (Einkommens)Besteuerung unterworfen werden darf, sondern dass

  • der Gewinn aus dem Verkauf des Eigenheims in vollem Umfang steuerfrei bleibt.

Das FG vertritt somit bei der nicht einheitlich beantworteten Frage,

  • wie das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs.1 EStG zu behandeln ist,

die Ansicht, dass

  • jedenfalls dann, wenn eine weit überwiegende Eigennutzung der Wohnung im Übrigen vorliegt,

das häusliche Arbeitszimmer der eigenen Wohnnutzung i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht schadet (a.A. FG Münster, Urteil vom 28.08.2003 – 11 K 6243/01 –).

BVerwG entscheidet, wann aus einer nachträglich eingerichteten Halteverbotszone ein vorher dort geparktes

…. und bei Einrichtung der Halteverbotszone noch dort stehendes Fahrzeug frühestens kostenpflichtig abgeschleppt werden darf.

Mit Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 25.16 – hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass, wenn ein ursprünglich im öffentlichen Verkehrsraum erlaubt geparktes Kraftfahrzeug aus einer nachträglich,

  • mittels mobiler Halteverbotsschilder,

eingerichteten Halteverbotszone abgeschleppt worden ist, der Fahrzeughalter die Abschleppkosten nur dann tragen muss, wenn

  • das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt war,
  • das Abschleppen des Fahrzeug also frühestens am vierten Tag nach Aufstellung der Schilder erfolgt ist (Quelle: Pressemitteilung des BVerwG vom 24.05.2018).

Eltern sind grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu finanzieren, wenn

…. sie ihrem Kind

  • (bereits) eine angemessene, seinen Begabungen und Neigungen entsprechende Ausbildung finanziert haben und
  • das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle findet.

Mit Beschluss vom 27.04.2018 – 7 UF 18/18 – hat der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem Fall, in dem einer Tochter,

  • nachdem diese auf eigenen Wunsch, um den Beruf einer Bühnentänzerin zu erlernen, nach der mittleren Reife die Schule verlassen hatte,

von den Eltern in der Folgezeit an einer Hochschule die Erstausbildung zur diplomierten Bühnentänzerin finanziert worden war und die Tochter nachfolgend,

  • da es ihr aufgrund der zwischenzeitlich verschlechterten Arbeitsmarktsituation nicht gelang eine Anstellung als Tänzerin zu erhalten,
  • die Schulbildung wieder aufgenommen, die allgemeine Hochschulreife erworben sowie

ein Psychologiestudium begonnen hatte, entschieden,

  • dass die Eltern der Tochter für dieses Studium keinen Ausbildungsunterhalt mehr schulden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass Eltern,

  • die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ihrem Kind eine (erste) Berufsausbildung finanziert haben,
  • die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entsprochen hat,

nicht das Risiko der Nichtbeschäftigung ihres Kindes nach Abschluss dieser geschuldeten Erstausbildung tragen, sondern eine Verpflichtung, die Kosten für eine weitere Ausbildung zu tragen (fortdauernde Unterhaltspflicht) nur in – hier nicht vorliegenden – Ausnahmenfällen in Betracht kommt, etwa, wenn

  • der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann,
  • die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße im engen sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war oder
  • während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich worden ist (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 03.2017 – XII ZB 192/16 – sowie vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16 – und OLG Oldenburg, Urteil vom 02.01.2018 – 4 UF 135/17 –).