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Wann haften Kraftfahrzeughalter und -führer bei einem berührungslosen Unfall?

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden,

  • ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt,

haften für den daraus entstandenen Schaden dem Verletzten gegenüber

  • gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) der Kraftfahrzeughalter sowie
  • gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG aus vermutetem Verschulden der Fahrer.

Bei einem sogenannten „Unfall ohne Berührung“ ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu dem schädigenden Ereignis,

  • dass über die bloße Anwesenheit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an bzw. in der Nähe der Unfallstelle hinaus,
  • das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat,
    • mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.

So geht auf einer Bundesautobahn von einem verhältnismäßig sperrigen und langsam überholenden Fahrzeug oder auch nur einem Fahrverhalten, das als Beginn des Überholvorgangs oder seine Ankündigung aufgefasst werden kann, eine typische Gefahr für auf der Überholfahrbahn nachfolgende schnellere Verkehrsteilnehmer aus, die durch eine misslingende Abwehrreaktion zu Schaden kommen.

Eine typisch mit dem Betrieb eines Sattelschleppers verbundene Gefahr wirkt sich aus, wenn ein von diesem überholter Fahrer eines Motorfahrrades unsicher wird und deshalb stürzt.

In zurechenbarer Weise durch ein Kraftfahrzeug (mit-)veranlasst ist ein Unfall bei seinem Herannahen an entgegenkommenden Fahrradverkehr, wenn der Verkehrsraum zu eng zu werden droht und einer der Fahrradfahrer bei einem Ausweichmanöver stürzt.

Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- und Ausweichreaktion ist dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuzurechnen, das diese Reaktion – beispielsweise durch einen kleinen Schlenker aus seiner Fahrspur hinaus – ausgelöst hat.

  • Dagegen rechtfertigt die bloße Anwesenheit eines anderen im Betrieb befindlichen Fahrzeugs an der Unfallstelle für sich allein noch nicht die Annahme, dass ein in seinem Ablauf ungeklärter Unfall bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden ist.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15 – hingewiesen.

Wann kann einem zur Tatzeit alkoholisiertem Straftäter eine Strafmilderung gewährt werden und wann nicht?

Nach § 49 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) kann die Strafe bei einem Täter gemildert werden, wenn bei Begehung der Straftat seine Steuerungsfähigkeit aufgrund vorausgegangenen Alkoholgenusses erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert war.

  • Versagt werden kann dem Täter eine solche Strafmilderung allerdings dann, wenn die Verminderung des Schuldgehalts durch den in § 21 StGB beschriebenen Defektzustand durch andere schulderhöhende Umstände ausgeglichen wird.
  • Dies ist insbesondere bei selbstverschuldeter Trunkenheit der Fall, jedenfalls dann, wenn sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung für den Täter vorhersehbar erhöht hat.

Voraussetzung für die Versagung der Strafmilderung ist jedoch stets, dass dem Täter die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann.

  • Nicht zum Vorwurf gemacht werden kann die Alkoholaufnahme einem Täter in der Regel, wenn er alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht.
  • Lediglich dann, wenn der Täter vorwerfbar ihm angebotene Maßnahmen zur Bekämpfung seiner Sucht unterlässt oder sich der Täter in eine Situation begibt, in der sich das Risiko alkoholbedingter Straftaten vorhersehbar deutlich erhöht, kann auch bei bestehender Alkoholabhängigkeit die Strafmilderung versagt werden.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 27.12.2016 – 2 (10) Ss 656/16 – hingewiesen.

Was Handybesitzer wissen sollten, wenn in der Mobilfunkrechnung nicht bestellte Drittanbieterleistungen enthalten sind

Enthält die Mobilfunkrechnung eines Mobilfunkanbieters nicht nur die Abrechnung von Leistungen des Mobilfunkanbieters sondern auch Leistungen sogenannter Drittanbieter,

  • d.h. Leistungen von Dritten, wie beispielsweise für ein Abo, die über den Mobilfunkanbieter mit dessen Mobilfunkrechnung abgerechnet werden,

kann,

  • wenn der Mobilfunkkunde die Leistungen des Drittanbieters bei diesem nicht bestellt hat und die Abrechnung des Mobilfunkanbieters deshalb reklamiert,

der Mobilfunkanbieter

  • sich nicht darauf berufen als nur inkassierender Dienstleister für Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern nicht zuständig zu sein und
  • den Kunden nicht darauf verweisen, dass er sich mit Einwendungen gegen die Forderung des Drittanbieters direkt an diese wenden müsse, um eine Gutschrift wegen einer Forderung, die nicht entstanden sein soll, zu erhalten.

Darauf hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Potsdam mit Urteil vom 17.09.2015 – 2 O 340/14 – hingewiesen.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass

  • die Möglichkeit sich wegen Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern an das abrechnende Telekommunikationsunternehmen zu wenden aus § 404 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt, der bestimmt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abrechnung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, wozu auch der Einwand gehört, dass die Forderung nicht entstanden ist und
  • dieses Recht ferner in § 45h Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) Ausdruck gefunden hat, dessen Sinn und Zweck es sei, den Verbrauchern ein direktes Zugriffsrecht auf den Telekommunikationsanbieter zu ermöglichen (vgl. auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.11.2006 – III ZR 58/06 – wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen, die das Einwendungsrecht ausschließen unter Berücksichtigung der in § 15 Abs. 3 Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) enthaltenen Wertung gemäß § 207 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam wären).

Was, wer aus einer privaten Unfallversicherung Invaliditätsleistungen geltend macht, wissen sollte

Der Nachweis unfallbedingter Invalidität obliegt in der Unfallversicherung dem Versicherten. Dabei muss er

  • einen unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden und
  • die eine Invalidität begründende dauernde gesundheitliche Beeinträchtigung

im Wege des Strengbeweises nach § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) beweisen,

  • während für die kausale Verknüpfung dieser beiden Umstände die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gilt; d.h. die Unfallbedingtheit der dauernden Beeinträchtigung kann nach § 287 ZPO bewiesen werden, wenn diese Beeinträchtigung als solche und eine erste Unfallverletzung feststehen.

Allerdings genügt auch nach diesem erleichterten Beweismaßstab die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs von Unfallereignis einerseits und fortdauernder Krankheit oder Invalidität andererseits nicht, sondern es ist jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich.

Wenn Beeinträchtigungen erstmals nach einem Unfall auftreten, spricht eine Vermutung für eine (Mit-)Kausalität des Unfallereignisses.
Die Möglichkeit, dass nur bis dahin latente Schäden virulent wurden, schließt zumindest die Vermutung einer Mitkausalität nicht aus; auch insoweit greifen die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO.

  • Insbesondere genießt der Versicherungsnehmer im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden; anders als im Sozialversicherungsrecht reichen im privaten Unfallversicherungsrecht grundsätzlich auch sogenannte „Gelegenheitsursachen“ aus.
  • Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise festgestellt werden kann, dass der Versicherte ohne den Unfall an den gleichen Beschwerden leiden würde.

Degenerative oder anlagebedingte Schäden als solche beweisen nicht, dass Beschwerden schon früher bestanden oder dass sie auch ohne das Ereignis später sicher eingetreten wären.

  • Ob und inwieweit Vorschädigungen bei der Verursachung der Invalidität ebenfalls eine Rolle gespielt haben, ist eine Frage eventueller Abzüge von dem anzusetzenden Invaliditätsgrad.

Abzüge von dem Invaliditätsgrad kommen unter zwei Gesichtspunkten in Betracht, nämlich

  • einerseits wegen bestehender Vorinvalidität und
  • andererseits – soweit eine Vorinvalidität verneint wird – wegen mitwirkender Gebrechen.

Die Vorinvalidität betrifft Funktionsbeeinträchtigungen, die bereits vor dem Unfall bestanden und sich auch geäußert haben.
Sie ist nach denselben Grundsätzen wie die Invalidität zu bemessen; Vergleichsmaßstab ist wie dort die Leistungsfähigkeit eines Durchschnittsbürgers gleichen Alters und Geschlechts. „Latente“ Vorschäden, die sich noch nicht praktisch ausgewirkt und damit bislang objektiv nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen geführt haben, sind nicht als Vorinvalidität zu berücksichtigen, sondern können als mitwirkende Gebrechen zu einer Anspruchsminderung führen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass der Versicherte die – objektiv bestehende – Beeinträchtigung subjektiv bereits bemerkt oder als „Leiden“ empfunden hat.

Nur soweit sich nach dem Vorstehenden kein vorrangiger Abzug wegen Vorinvalidität ergibt, bleibt Raum für einen Abzug für mitwirkende Krankheiten oder Gebrechen; ein Doppelabzug findet nicht statt. Als mitwirkende Gebrechen kommen insbesondere latente Vorschädigungen zum Tragen, die sich also vor dem Unfall noch nicht in praktischen Funktionsbeeinträchtigungen geäußert haben.

  • Ein Gebrechen wird als dauernder abnormer Gesundheitszustand definiert, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt.
  • Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten.

Trägt eine früher erlittene Körperverletzung auch ohne zwischenzeitliche Beschwerden zur Verstärkung der gesundheitlichen Folgen eines späteren Unfalls bei, so ist darin ein Gebrechen im genannten Sinne zu sehen.
Dass vor dem Unfall tatsächliche Beeinträchtigungen bestanden, ist also für das mitwirkende Gebrechen nicht erforderlich; das unterscheidet das mitwirkende Gebrechen von der Vorinvalidität.

  • Nicht als Gebrechen anzusehen sind alterstypische Zustände wie Verschleißerscheinungen, auch wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten.
  • Erforderlich ist vielmehr eine Abweichung vom alterstypischen Normalzustand.

Ein Gebrechen liegt demnach vor, wenn bei der Gesundheitsbeschädigung oder der Ausprägung der Unfallfolgen ein vorbestehender Zustand mitgewirkt hat, der über einen normalen Verschleiß oder über das Maß einer unkritischen Normvariante hinausgeht, und dies auch unabhängig davon, ob deswegen vor dem Unfall eine akute Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat oder nicht.

  • Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Versicherer. Das gilt nach § 182 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nicht nur für mitwirkende Gebrechen, sondern auch für den Abzug wegen Vorinvalidität.
  • Der Versicherer muss dabei auch beweisen, dass unfallunabhängige Verschleißerscheinungen, die er anspruchskürzend berücksichtigen will, über das altersgerechte Maß hinausgehen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 30.12.2016 – 12 U 97/16 – hingewiesen.

Was Bausparer wissen sollten, wenn ihr Bausparvertrag die Zahlung einer Darlehensgebühr vorsieht

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 08.11.2016 – XI ZR 552/15 – entschieden, dass

  • eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Bausparvertrages enthaltene formularmäßige Klausel,
  • die vorsieht, dass mit Beginn der Darlehensauszahlung eine Darlehensgebühr in Höhe von 2 % des Bauspardarlehens … fällig und dem Bauspardarlehen zugeschlagen wird (Darlehensschuld),

nach § 307 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt und

  • im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

Aufgrund dieser Entscheidung können,

  • wenn von Bausparern eine Gebühr für den Darlehensvertrag erhoben worden ist,

die Bausparer diese Gebühr von der Bausparkasse gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1.Alt. BGB zurückverlangen,

  • sofern ihr Anspruch auf Rückzahlung, der der 3-jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterliegt, noch nicht verjährt ist.

Anders ist es bei der Abschlussgebühr, die Bausparkassen normalerweise verlangen,

  • die gewöhnlich 1% der Bausparsumme beträgt,
  • die mit Abschluss des Bausparvertrages fällig wird und
  • auf die eingehende Zahlungen zunächst angerechnet werden.

AGBs von Bausparkassen, die die Zahlung einer solchen Abschlussgebühr vorsehen sind wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2010 – XI ZR 3/10 –), so dass eine solche von Bausparern bezahlte Abschlussgebühr auch nicht zurückgefordert werden kann.

Wer haftet, wenn es auf einem Parkplatz beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen zur Kollision kommt?

Steht bei einem Parkplatzunfall,

  • der sich beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes ereignet hat,

fest, dass es beim Rückwärtsfahren zur Kollision gekommen ist, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt also noch nicht stand,

  • so spricht ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Verbindung mit der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat,
  • was im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1, 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile zu berücksichtigen ist.

Dagegen liegt die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs regelmäßig dann nicht vor,

  • wenn zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist,
  • aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass
    • sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand,
    • als der andere rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist.

Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt,

  • dass auch der Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision auf dem Parkplatz zum Stillstand gebracht hat,
  • die ihn treffenden Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeug gestört wird, gilt in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht.
Hier muss der Verkehrsteilnehmer jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge seinen Verkehrsfluss stören. Er muss daher, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringerer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können.
Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, so dass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden kein Raum bleibt.

Aber auch dann, wenn der Anscheinsbeweis zu Lasten eines der beiden Rückwärtsausparkenden eingreift, führt das allein noch nicht dazu, dass dieser zu 100 % für den Schaden des Anderen haftet.
Vielmehr können die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und weitere sie erhöhende Umstände im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG Berücksichtigung finden.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 66/16 – hingewiesen.

Was Arbeitnehmer und Beamte beim Toilettengang während der Arbeitszeit unterscheidet

Ein Arbeitnehmer ist gesetzlich unfallversichert

Das heißt, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung eines Arbeitnehmers

  • endet mit dem Durchschreiten der Toilettentür und
  • lebt nach dem Verrichten der Notdurft erst erneut beim Verlassen der Toilette mit dem Durchschreiten der Toilettentür wieder auf.

Handelt es sich um eine provisorische Toilettenanlage lediglich mit Sichtschutzwänden und ohne Toilettentüren

  • setzt das Wiederaufleben des Versicherungsschutzes eine deutliche räumliche Entfernung von der Toilettenvorrichtung voraus,
  • das Ordnen der Kleider und das Abwenden von der Vorrichtung reicht hierfür nicht aus.

Darauf hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 25.10.2016 – L 16/3 U 186/13 – hingewiesen und entschieden,

  • dass, wenn ein nach §§ 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfallversicherter im Bereich einer provisorischen Toilettenanlage, einer sog. Pinkelrinne, die nur durch Gebüsch und Sichtschutzwände abgegrenzt ist, verunfallt,
  • es sich um keinen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII handelt und damit auch kein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt.

Ein Beamter steht dagegen grundsätzlich auch während eines Toilettenaufenthalts unter dem Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Verunfallt er beim Verrichten der Notdurft handelt es sich in der Regel um einen vom Dienstunfallschutz erfassten Dienstunfall.

Das hat das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Urteil vom 17.11.2016 – 2 C 17.16 – entschieden.

Was Gesamtschuldner, die gegenüber den übrigen Schuldnern einen Ausgleichsanspruch haben, wissen sollten

Haften mehrere einem Gläubiger gegenüber als Gesamtschuldner gemäß § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • beispielsweise nach § 840 Abs. 1 BGB, weil sie für den dem Gläubiger aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden nebeneinander verantwortlich sind,

und befriedigt einer von ihnen den Gläubiger, können die übrigen Schuldner ihm gegenüber aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgleichspflichtig sein.

Dieser Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB

  • unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren und
  • die dreijährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB demzufolge mit dem Schluss des Jahres,
    • in dem der Anspruch entstanden ist und
    • der Ausgleichsberechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Zu beachten bei der Prüfung, ob ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährt ist, ist, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits in dem Augenblick entsteht,

  • in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden (also regelmäßig im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses),
  • d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis.

Denn bei dem Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB,

  • der zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch besteht und
  • sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch umwandelt,

handelt es sich, unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch, um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt und mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden ist.

Dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann ist für den Beginn der Verjährung nicht erforderlich.

Entstanden ist ein Anspruch nämlich,

  • sobald er geltend gemacht und
  • notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann und

hierfür genügt die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.11.2016 – VI ZR 200/15 – hingewiesen.

Was Reisende wissen sollten, wenn ihr Reiseveranstalter im Rahmen einer Pauschalreise die Gelegenheit zum Einkauf in einer Manufaktur schuldet

Ein Reiseveranstalter, der im Rahmen einer gebuchten Pauschalreise (auch) die Organisation und Durchführung des Besuches einer Schmuck-, Leder-, Teppich- oder einer sonstigen Manufaktur schuldet, in der für die Reisenden Gelegenheit zum Einkauf besteht, haftet,

  • wenn Reisende in der besuchten Manufakturen etwas kaufen,

den Reisenden gegenüber

  • nicht für ein Fehlverhalten der Manufaktur bzw. deren Verkäufer.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 10.06.2016 – 271 C 8375/16 – entschieden.

In solchen Fällen, so das AG,

  • komme es durch den Kauf eines Reisenden in einer Manufaktur zu keiner vertraglichen Beziehung zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter,
  • sei der Verkäufer nicht Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters und
  • würden auch freundliche Unterstützungsleistungen (organisatorisch, sprachlich) des Reiseleiters vor Ort nicht zu einer Haftung des Reiseveranstalters führen (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 20.12.2016 – 100/16 –).

Was Personen, deren Bild im Rahmen einer Presseberichterstattung veröffentlicht worden ist, wissen sollten

Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG)).

Eine nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur dann zulässig, wenn

  • dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und
  • berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, ist dabei eine Abwägung vorzunehmen

  • zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einerseits sowie
  • den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits.

Berücksichtigt bei der Gewichtung

  • des Informationsinteresses der Öffentlichkeit
  • im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz

werden muss,

  • dass von maßgebliche Bedeutung der Gegenstand der Berichterstattung ist und
    • ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder
    • ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen,
  • welcher Informationsgehalt der Bildberichterstattung im Gesamtkontext zukommt, in den das Personenbildnis gestellt ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung,
  • der Anlass der Berichterstattung sowie die Umstände, unter denen die Aufnahme entstanden ist und
  • in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt worden ist.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 310/14 – hingewiesen.