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Wer als Berufskraftfahrer Drogen konsumiert riskiert seine fristlose Kündigung

Nimmt ein Berufskraftfahrer

  • vor oder während der Arbeitszeit Substanzen wie Amphetamin oder Methamphetamin („Crystal Meth“) ein und
  • gefährdet er dadurch seine Fahrtüchtigkeit

kann dies eine fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Darauf hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein Arbeitgeber einem bei ihm als LKW-Fahrer Beschäftigten fristlos gekündigt hatte,

  • weil von diesem im privaten Umfeld am Wochenende Amphetamin und Methamphetamin eingenommen und
  • am folgenden Dienstag, anlässlich einer Polizeikontrolle, der Drogenkonsum festgestellt worden war,
  • ohne dass jedoch eine dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit bestand,

die außerordentliche Kündigung,

  • wegen der sich aus der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren,

für berechtigt erklärt.

Dass bei der Polizeikontrolle infolge des Drogenkonsums die Fahrtüchtigkeit nicht konkret beeinträchtigt war und deshalb keine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand ist danach unerheblich.

Das hat die Pressestelle des BAG am 20.10.2016 – Nr. 57/16 – mitgeteilt.

Was die im Rechtsstreit unterlegene Partei wissen muss, wenn sie sich gegen die Entscheidung mit der Anhörungsrüge wehren möchte

Nach § 321a Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf die Rüge der durch eine Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn

  • ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
  • das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Diese Vorschrift eröffnet ausschließlich die Möglichkeit einen Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör geltend zu machen.
Andere Rechtsverletzungen können nach § 321a ZPO nicht gerügt werden, so dass auf eine Anhörungsrüge hin nur zu prüfen ist, ob

Da ein Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Parteivorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich oder jedenfalls mit einer bestimmten Intensität zu befassen,

  • sind bei einer Anhörungsrüge die in § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 5 ZPO aufgestellten Anforderungen an die substantiierte Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung nicht gewahrt, wenn die Rüge sich beschränkt
    • auf eine wiederholende Darstellung oder
    • Rechtfertigung des vermeintlich übergangenen Vorbringens.

Aussicht auf Erfolg hat die Erhebung einer Anhörungsrüge vielmehr nur, wenn

  • anhand des angegriffenen Urteils näher herausgearbeitet werden kann, dass

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 23.08.2016 – VIII ZR 79/15 – hingewiesen.

Was Käufer und Verkäufer, die einen notariellen Grundstückskaufvertrag abschließen, wissen sollten

Eine notarielle Kaufvertragsurkunde ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 Zivilprozessordnung (ZPO).

  • Solche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde.
  • Darüber hinaus besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.07.2002 – V ZR 143/01 –);
    es wird also vermutet, dass das, was im beurkundeten Text steht, der Vereinbarung entspricht und nur das vereinbart ist.

Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände,

  • sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten,
  • sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

beruft,

  • trifft die Beweislast für deren Vorliegen.
  • Dass die Beweiswirkung erschüttert wird, reicht nicht aus.

Auch durch die Vorlage eines inhaltlich abweichenden Vertragsentwurfs wird die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines notariellen Vertrages nicht widerlegt.

Denn Zweck der in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebenen notariellen Beurkundung von Verträgen über Grundstücke ist es,

  • Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen zu bewahren,
  • sie auf die Wichtigkeit des Geschäftes hinzuweisen und
  • ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung zu eröffnen.

Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterworfenen Beurkundungsverfahrens, insbesondere durch die dem Notar in §§ 17 ff. Beurkundungsgesetz (BeurkG) auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht.
Die bei Verbraucherverträgen in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG normierte Amtspflicht des Notars (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2014 – NotSt (Brfg) 3/14 –), den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts den Vertragsparteien schon vor der Beurkundung zur Verfügung zu stellen, dient dazu, ihnen Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen, Unklarheiten und Änderungswünsche vorher zu klären und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten.
Der Entwurf dokumentiert hingegen nicht den abschließenden Parteiwillen. Die Aufgabe des Notars, diesen zu ermitteln und den Erklärungen eine Fassung zu geben, die den Absichten und Interessen der Beteiligten gerecht wird, bringt es gerade mit sich, dass es während der Beurkundungsverhandlung – etwa aufgrund einer Anregung durch den Notar oder aufgrund entsprechender Parteiwünsche – noch zu Änderungen in dem vorab zur Verfügung gestellten Entwurfstext kommen kann.
Erst mit der in der Beurkundungsverhandlung gefertigten Niederschrift (§§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG) erhalten die Erklärungen der Beteiligten ihre endgültige Form.
Die notarielle Urkunde dokumentiert, zu welchem Ergebnis die Beurkundungsverhandlung vor dem Notar geführt hat.
Die Erklärungen der Beteiligten gelten mit der Beweiskraft des § 415 ZPO als abgegeben.

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 10.06.2016 – V ZR 295/14 – hingewiesen.

Welche Erben können wann von einem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenkten fordern?

Gemäß § 2287 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann,

  • sowohl ein durch Erbvertrag mit der Erblasser eingesetzter Vertragserbe,
  • als auch, in entsprechender Anwendung der Vorschrift, bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, ein durch wechselbezügliche letztwillige Verfügungen der Ehegatten, nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich eingesetzter Schlusserbe (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),

nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist,

  • von dem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern,

wenn der Erblasser

  • in der Absicht den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen
  • eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat,

wobei unterschieden werden muss, zwischen

  • dem Vorliegen einer (gemischten) Schenkung einerseits und
  • der Absicht des Erblassers, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, andererseits.

Bei der Frage, ob eine (gemischte) Schenkung im Sinne der §§ 2287 Abs. 1, 516 BGB vorliegt, ist,

  • wenn ein Grundstück schenkweise zugewendet worden ist,

zu berücksichtigen,

  • dass dingliche Belastungen den Verkehrswert eines Grundstücks mindern

und diese daher bei der Berechnung des Verkehrswerts (zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes) in Abzug zu bringen sind (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –).
Auf die Wertungen des § 2325 BGB kommt es hier nicht an, da sich die dortigen Fragen (Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 BGB, Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB) bei § 2287 BGB nicht stellen.

  • Hat sich der Erblasser an dem gesamten schenkweise zugewendeten Grundstück beispielsweise ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten, ist der vorbehaltene Nießbrauch bereits bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen sowie mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen (BGH, Urteil vom 17.01.1996 – IV ZR 214/94 –) und bei der Berechnung des Verkehrswertes in Abzug zu bringen.
  • Hat sich beispielsweise der Beschenkte im Grundstücksüberlassungsvertrag verpflichtet den Erblasser „Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen“, ist bei der Berechnung des Verkehrswertes des Grundstücks zu berücksichtigen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen der Vertragsabschluss ist (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –; Oberlandesgericht (OLG) Celle Beschluss vom 08.07.2008 – 6 W 59/08 –),
    • also nicht maßgebend für die Bewertung die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände ist, insbesondere eine eingetretene Pflegebedürftigkeit des Erblassers,
    • sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
  • Hat der Erblasser sich in dem Überlassungsvertrag beispielsweise ein vertragliches, unter bestimmten Voraussetzungen ausübbares Rücktrittsrecht vorbehalten, ist zu bewerten, ob und inwieweit das dem Erblasser vorbehaltene Rücktrittsrecht vom Vertrag als wirtschaftlicher Nachteil wertmindernd bei der Verkehrswertberechnung des Grundstücks in Rechnung zu stellen ist.

Dafür,

  • dass der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen,

ist erforderlich,

  • dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat.

Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –).

  • Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht,

  • wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder
  • wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will.

Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – Iva ZR 185/80 –), der nachweisen muss, dass

  • entweder ein lebzeitiges Eigeninteresse überhaupt nicht bestand oder
  • die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu der benachteiligenden Schenkung bewogen haben (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – IVa ZR 185/80 –).

Ein lebzeitiges Eigeninteresse muss allerdings nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden,

  • sondern kann auch lediglich einen Teil der Schenkung rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht ausschließen (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),
  • wobei dann die Grundsätze der gemischten Schenkung entsprechend anzuwenden sind,
    • jedoch keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der erbrachten Leistungen mit dem Grundstückswert vorzunehmen ist,
    • sondern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen in Zukunft erfolgen sollen und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen hat.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 28.09.2016 – IV ZR 513/15 – hingewiesen.

Was Kraftfahrer auch dann beachten müssen wenn die Ampel an einer Kreuzung Grünlicht zeigt

Ein Kraftfahrer, der

  • bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt,
  • obwohl er beim Einfahren aufgrund des stockenden Verkehrs erkennt, dass er den Kreuzungsbereich während seiner Grünphase nicht (mehr) räumen kann,

verstößt gegen § 11 Abs. 1 Straßen-Verkehrsordnung (StVO).

War dagegen für den Kraftfahrer beim Einfahren in die Kreuzung nicht erkennbar,

  • dass er – beispielsweise durch den Gegenverkehr – verkehrsbedingt im Kreuzungsbereich hinter der Fluchtlinie so lange aufgehalten werden wird,
  • dass er den Kreuzungsbereich nicht mehr während seiner Grünphase wird ungehindert passieren können,

liegt nicht nur kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO vor, sondern darf der Kraftfahrer als „echten Nachzügler“ die Kreuzung auch vorrangig räumen.

Allerdings darf auch ein „echter Nachzügler“ nicht blindlings auf seinen Status als bevorrechtigter „echter Nachzügler“ vertrauen, sondern muss sich,

  • wenn er zu einem Zeitpunkt die Kreuzung räumen will, in dem die von ihm zuvor passierte Ampel bereits Rotlicht und die Ampel für den Querverkehr bereits Grünlicht zeigt,

vergewissern, dass eine Kollision mit dem Querverkehr, der bei Grünlicht für seine Fahrtrichtung in die Kreuzung einfährt, ausgeschlossen ist.

Ansonsten verstößt er gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) und hat, wenn es zu einer Kollision kommt, den Unfall (mit)verschuldet.
Dabei ist davon auszugehen, dass Je länger sich ein „Nachzügler“ im Kreuzungsbereich aufhält, desto eher muss er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr rechnen und dann davon ausgehen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen könnte, dass er nicht weiterfahren wird.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 26.08.2016 – 7 U 22/16 – hingewiesen.

AG München entscheidet: Wohnraummieter darf gestellte Kaution nicht abwohnen

Ein Wohnungsmieter, der eine Kaution gestellt hat, darf, wenn das Mietverhältnis gekündigt worden ist,

  • die letzten Mietzahlungen nicht mit der hinterlegten Mietkaution verrechnen,
  • also die Mietzinszahlung nicht vor Ablauf des Mietverhältnisses einstellen und mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 05.04.2016 – 432 C 1707/16 – hingewiesen.

Begründet hat das AG dies damit, dass

  • die Verpflichtung zur Zahlung der Miete nach § 535 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich erst mit Beendigung des Mietvertrags endet und
  • weil dadurch zu Lasten des Vermieters der Sicherungszweck der Kautionsvereinbarung ausgehebelt würde,

der Mieter nicht berechtigt ist, eigenmächtig die letzten Mietzahlungen mit der hinterlegten Mietkaution zu verrechnen und die Kaution dergestalt „abzuwohnen“ (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 14.10.2016 – 80/16 –).

Was Verbraucher beim Onlinekauf, wenn sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen möchten, wissen sollten

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 55/15 – in einem Fall,

  • in dem ein Verbraucher im Onlinehandel einen Katalysator erworben,
  • diesen in seinen PKW einbaut,
  • anschließend mit dem Fahrzeug eine Probefahrt unternommen,
  • danach seine Erklärung über den Katalysatorkauf fristgerecht widerrufen und
  • den nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufweisenden Katalysator zurück gesandt hatte,

entschieden,

  • dass der Verbraucher verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlechterung zu leisten.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit,

  • dass zwar ein Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften, weil ihm ansonsten die im stationären Handel gegebenen Prüfungs- und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten entgehen würde, die Kaufsache vor Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht nur in Augenschein nehmen, sondern diese darüber hinaus auch einer Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen darf, ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust befürchten zu müssen,
  • es jedoch eine ungerechtfertigte Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel wäre, wenn er eine Ware, die bestimmungsgemäß in einen anderen Gegenstand eingebaut werden soll, einbauen sowie nach dem Einbau ausprobieren und testen dürfte, da einem Käufer im stationären Handel eine derartige – wenn auch nur vorübergehende Ingebrauchnahme der Ware unter keinen Umständen eröffnet ist.

Dem Verbraucher beim Fernabsatz ist danach vor der Ausübung seines Widerrufsrechts kein wertersatzfreier Umgang mit der Kaufsache gestattet,

  • der nicht nur zu Verschlechterung der Ware führt,
  • sondern auch über die Maßnahmen hinausgeht, die zum Ausgleich ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im stationären Handel erforderlich sind (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.10.2016 – Nr. 179/2015 –).

Was man über Schiffsfonds wissen sollte, wenn man eine Beteiligung daran zur Vermögensanlage erwägt

Schiffsfonds sind nur für Anleger geeignet, die erhebliche Erfahrungen mit derartigen Beteiligungen haben und auch bereit sind, die besonderen Risiken, die mit Schiffsfonds verbunden sind, auch einzugehen.

Zur Altersvorsorge sind Schiffsfonds generell ungeeignet, weil

  • es sich um hochspekulative Anlagen handelt,
  • die mit sehr hohen Chancen verbunden sind,
  • aber auch mit außerordentlichen weitaus höheren Risiken, die vielfältige Ursachen haben können.

Zum einen sind die Erfolgschancen von Schiffsfonds, sei es als Beteiligungen an Einschiffsgesellschaften oder Beteiligungen an Dachfonds über mehrere Einschiffsgesellschaften existenziell abhängig von Konjunktur und Krise der Seeschifffahrt und existenzielle Krisen in der Seeschifffahrt, die zu ruinösen Wettbewerb, dem Zusammenbruch ganzer Märkte oder von Teilmärkten geführt haben, sind in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen aufgetreten, mit der Folge wellenartig auftretender Insolvenzen von Seeschiffen in großer Zahl.

Hinzu kommt, dass anders als etwa bei Fonds, die sich an Grundstücken beteiligen, von einer Sachsubstanz der Schiffe, die das Beteiligungskapital der Anleger sichert, nicht ausgegangen werden kann, sondern eine dahingehende Erwartung als rein spekulativ beurteilt werden muss.

Darauf hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Itzehoe mit Urteil vom 06.10.2016 – 7 O 236/13 – hingewiesen.

Was Käufer und Verkäufer wissen sollten, wenn beim Verbrauchsgüterkauf Streit über die Sachmängelhaftung besteht

Legt der Käufer bei einem Verbrauchsgüterkauf dar und weist er im Streitfall nach, dass

  • sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Mangelzustand gezeigt hat,
  • der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde,

wird nach § 476 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet,

  • dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Der Käufer hat also in einem solchen Fall lediglich darzulegen und zu beweisen,

  • dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte und
  • dass diese Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung offenbar geworden ist.

Nicht beweisen muss der Käufer dagegen,

  • den Grund für die Vertragswidrigkeit,
  • dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist und
  • auch nicht, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.

Für den Verkäufer hat die Verschiebung der Beweislast nach § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf zur Folge, dass er den Nachweis zu erbringen hat,

  • dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung nicht zutrifft,
  • dass bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen habe.

Der Verkäufer muss also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war,

  • weil der Sachmangel seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat, also auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist und
  • ihm damit nicht zuzurechnen ist.

Gelingt dem Verkäufer diese Beweisführung – also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen – nicht hinreichend, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein,

  • wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist,
  • also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag.

Daneben verbleibt dem Verkäufer noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei,

  • weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag,
  • mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar ist.

Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten.

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 – entschieden und seine Rechtsprechung damit in Einklang gebracht mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 04.06.2015 – C-497/13 – (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.10.2016 – Nr. 180/2016 –).

Zur Begleichung einer offenen LKW-Mautforderung kann auch der Leasinggeber herangezogen werden

Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat mit Urteilen vom 04.10.2016 in vier Fällen – 14 K 5253/14; 14 K 7119/14; 14 K 976/15; 14 K 1019/15 –,

  • in denen Leasinggeber Sattelzugmaschinen Speditionsunternehmen im Wege eines Leasings bzw. eines Mietkaufs zur Verfügung gestellt hatten,
  • die Leasinggeber zivilrechtlicher Eigentümer der Sattelzugmaschinen geblieben waren und
  • wegen Insolvenz der Speditionsunternehmen noch offene Mautforderungen bestanden,

entschieden,

  • dass das Bundesamt für Güterverkehr die Leasinggeber für die noch offenen Mautforderungen in Anspruch nehmen kann.

Begründet hat das VG dies damit, dass

  • in § 2 des Gesetzes über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (Bundesfernstraßenmautgesetz – BFStrMG) auch der Eigentümer als potentiellen Mautschuldner ausdrücklich vorgesehen ist,
  • die Heranziehung der Leasinggeber verfassungsgemäß sei, da die Mautforderungen zum einen keine erdrückende Wirkung sowie zum anderen auch die Leasinggesellschaften einen Nutzen von den mautpflichtigen Strecken hätten und
  • eine Inanspruchnahme der Leasinggeber nach einer Insolvenz der Speditionsunternehmen nicht ermessensfehlerhaft sei.

Zwar seien, so das VG weiter, nach § 2 BFStrMG auch die Fahrer Mautschuldner, ihre Heranziehung aber in Bezug auf die Verwaltungspraktikabilität im Rahmen der Mauterhebung und die Bonitätsunterschiede der Beteiligten jedenfalls nicht zwingend (Quelle: Pressemitteilung des VG Köln vom 11.10.2016).