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Wie Opfer von Gewalt und Nachstellungen schnell und effektiv Schutz erlangen können

Kann eine Person (im Folgenden: Antragstellerin) durch Vorlage einer Versicherung an Eides Statt und durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft machen, dass eine andere Person (im Folgenden: Antraggegner) vorsätzlich und widerrechtlich

  • ihren Körper, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit verletzt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG)),
  • ihr mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit gedroht hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG),
  • in ihre Wohnung oder ihr befriedetes Besitztum eingedrungen ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a GewSchG) oder
  • sie dadurch unzumutbar belästigt hat, dass er ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b GewSchG),

kann auf ihren Antrag das Gericht gemäß §§ 214, 49 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) im Wege der einstweiligen Anordnung (ohne mündliche Erörterung)

  • vorläufige Schutzmaßnahmen nach § 1 oder § 2 des Gesetzes zu ihrem zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) anordnen,
  • wie beispielsweise dem Antragsgegner untersagen,
    • die Wohnung der Antragstellerin im Hause …… zu betreten,
    • sich der Wohnung der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von weniger als 200 Metern zu nähern,
    • Verbindung zur Antragstellerin aufzunehmen, weder persönlich noch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aller Art, wie Telefon, Internet, Briefe, E-Mails, SMS auch nicht unter Einschaltung dritter Personen,
    • ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen und sich der Antragstellerin zu nähern, sie anzusprechen, ihr zu folgen, ihr hinterher zu rufen, sie zu bedrohen, sie zu belästigen, sie zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln,
    • anzuordnen, dass der Antragsgegner, sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, sofort einen Abstand von 50 Metern herzustellen,
  • für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die getroffenen gerichtlichen Anordnungen dem Antragsgegner androhen,
    • ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je ….. € einen Tag Ordnungshaft,
    • die unmittelbare Festsetzung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren (§ 96 Abs. 1 S. 3 FamFG, 890 Zivilprozessordnung (ZPO)) sowie,
    • dass die Antragstellerin zur Beseitigung einer jeden andauernden Zuwiderhandlung einen Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung hinzuziehen kann und dieser gemäß § 96 Abs. 1 FamFG i. V. m. §§ 758 Abs. 3, 759 ZPO befugt ist, sich zur Durchsetzung der Polizei zu bedienen und
  • den Antragsgegner darauf hinweisen, dass jede Zuwiderhandlung gegen eine der getroffenen Anordnungen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden kann (§ 4 GewSchG),

wenn die angeordneten Schutzmaßnahmen zur Abwendung weiterer bzw. künftiger Verletzungen erforderlich sind (vgl. Amtsgericht (AG) Bremen, Beschluss vom 25.08.2016 – 71 F 4936/16 EAGS –).

Was Wohnungsmieter und Vermieter wissen sollten, wenn es nach Mietende um der Rückgabe der Mietsicherheit geht

Dem Mieter, der eine Mietsicherheit geleistet hat, steht (frühestens)

  • nach Beendigung des Mietverhältnisses und
  • Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist des Vermieters (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 24.03.1999 – XII ZR 124/97 – sowie vom 18.01.2006 – VIII ZR 71/05 –)

ein Anspruch auf Rückgabe bzw. Freigabe der Sicherheit zu.

Fällig wird der Anspruch des Mieters auf Freigabe bzw. Rückgabe der Mietsicherheit allerdings erst dann, wenn

  • auch das Sicherungsbedürfnis entfallen ist,

mithin zu dem Zeitpunkt,

  • in dem dem Vermieter keine Forderungen mehr aus dem Mietverhältnis zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen kann (BGH, Urteil vom 24.03.1999 – XII ZR 124/97 –).

Das bedeutet, stehen einem Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses beispielsweise noch berechtigte Betriebskostennachforderungen, die wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 216 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind, aus Abrechnungen für vergangene Jahre als unverjährte Forderungen zu,

  • ist der Anspruch des Mieters auf Freigabe der Kaution nicht fällig,
  • solange sich der Vermieter wegen dieser Forderungen (ihren Bestand vorausgesetzt) noch aus der Sicherheit befriedigen kann.

Sind die Betriebskostennachforderungen aus Jahresabrechnungen allerdings bereits verjährt, ist also die dreijährige (regelmäßige) Verjährungsfrist dieser Ansprüche bereits abgelaufen (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB), ist es, wenn der Mieter die Einrede der Verjährung erhebt, dem Vermieter verwehrt sich wegen dieser bereits verjährten Betriebskostennachforderungen aus der Mietsicherheit zu befriedigen.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.07.2016 – VIII ZR 263/14 – hingewiesen.

Was ein bei einem Verkehrsunfall Geschädigter, der einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt, wissen sollte

Beauftragt ein bei einem Verkehrsunfall Geschädigter einen Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens schuldet er aufgrund des dem Sachverständigen erteilten Auftrags diesem die vereinbarte Vergütung bzw. das vereinbarte Honorar.

Diese zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen für die Erstellung des Schadensgutachtens vereinbarte Vergütung bzw. das insoweit vereinbarte Honorar das der Geschädigte dem Sachverständigen schuldet, kann der Geschädigte

  • nicht stets (in vollem Umfang) vom Schädiger gem. § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erstattet verlangen und
  • zwar auch dann nicht immer, wenn die vollständige Haftung des Schädigers unstreitig ist.

Die Kosten, die der Geschädigte dem Sachverständigen schuldet sind nach § 249 BGB nämlich nur erstattungsfähig, soweit sie in der geltend gemachten Höhe auch erforderlich waren.
Denn der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen,

dieser Betrag kann geringer sein als das zwischen Geschädigtem und Sachverständigen bei der Beauftragung vereinbarte und dem Geschädigten von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar (BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 –).

Da für Geschädigte somit,

  • wenn es nach Erstellung des Gutachtens zum Streit mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung darüber kommt, ob die von dem Sachverständigen dem Geschädigten in Rechnung gestellten Kosten angemessen oder überhöht sind,

das Risiko verbleibt, einen Sachverständigen beauftragt zu haben, der sich im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 –), empfiehlt es sich für Geschädigte daher,

Wann sind formularmäßige Vertragsklauseln überraschend und werden folglich nicht Vertragsbestandteil?

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat einen überraschenden Inhalt i.S.v. § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn

  • sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und
  • dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 28.05.2014 – VIII ZR 241/13 –; vom 01.10.2014 – VII ZR 344/13 –; vom 09.12.2009 – XII ZR 109/08 –; vom 11.12.2003 – III ZR 118/03 – und vom 26.07.2012 – VII ZR 262/11 –).

Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (BGH, Urteile vom 30.09.2009 – IV ZR 47/09 – und vom 18.02.2009 – IV ZR 11/07 –).

  • Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an.
  • Beurteilungsmaßstab sind also die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 – hingewiesen und aufgrund dessen eine formularmäßig in einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall vereinbarte Abtretungsklausel,

  • wonach der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten sowie weiter die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten hatte,
  • wobei der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten sein sollte, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken,

im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB als überraschend und demzufolge auch als nicht Vertragsbestandteil geworden erachtet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • auf eine formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzforderungen eines Geschädigen an den Sachverständigen die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB anwendbar sind, weil sich der Geltungsanspruch des Gesetzes auch auf vorformulierte Verträge mit Verfügungscharakter erstreckt und
  • eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners abweicht und von dem rechtlich nicht vorgebildete durchschnittlichen Auftraggeber bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden braucht.

Wer ein Kraftfahrzeug anmietet ist für die richtige Betankung verantwortlich

Wer ein Kraftfahrzeug angemietet und falsch betankt hat, also beispielsweise mit Benzin statt mit Diesel, muss der Autovermietung den durch die Falschbetankung entstandenen Schaden ersetzen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 10.06.2015 – 113 C 27219/14 – hingewiesen und eine Frau,

  • die bei einer gewerblichen Autovermietung einen PKW mit Benzinmotor, der dann aber gegen ein Dieselfahrzeug ausgetauscht worden war, angemietet,
  • das Dieselfahrzeug dann jedoch, weil sie glaubte, es handle sich auch wieder um ein Fahrzeug mit Benzinmotor, statt mit Diesel mit Benzin betankt und nachfolgend bis zum Liegenbleiben gefahren hatte,

verurteilt,

  • an die Autovermietung 1150,57 Euro zu zahlen,
  • nämlich die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs, laut Sachverständigenkosten 1080,57 Euro, die Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von 45,00 Euro und eine Auslagenpauschale von 25 Euro.

Die Entscheidung hat das AG damit begründet, dass ein Fahrzeugmieter,

  • weil er sich im Rahmen des Schuldverhältnisses so zu verhalten habe, dass das Eigentum des Vertragspartners nicht verletzt wird,

seine Sorgfaltspflicht aus dem Mietverhältnis dann grob fahrlässig verletzt,

  • wenn er sich vor einem Tankvorgang nicht darüber informiert welche Kraftstoffart das Fahrzeug benötigt bzw. er sich beim Tanken nicht vergewissert, dass der richtige Kraftstoff getankt wird und
  • er aufgrund dessen das Fahrzeug mit dem falschen Kraftstoff betankt.

Abgesehen davon erachtete das AG die Falschbetankung durch die Fahrzeugmieterin aber auch deswegen als grob fahrlässig, weil sich auf dem Tankdeckel der weiße Aufdruck „Diesel“ befunden hatte, der, da Tankstellen ausreichend beleuchtet sind, sich auch bei Dunkelheit ausreichend erkennen ließ.

Das hat die Pressestelle des AG München am 02.09.2016 – 68/16 – mitgeteilt.

Von wem wird eine GmbH im Prozess mit einem ihrer (ausgeschiedenen) Geschäftsführer vertreten?

Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 6 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)), der bzw. die die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).

  • Hat die Gesellschaft ihrerseits Prozesse gegen ihre Geschäftsführer zu führen, unterliegt die Vertretung der Gesellschaft nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG der Bestimmung der Gesellschafterversammlung.

§ 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG gilt

  • sowohl für Aktiv- als auch für Passivprozesse der Gesellschaft (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 06.03.2012 – II ZR 76/11 – und vom 16.12.1991 – II ZR 31/91 –) sowie
  • für Prozesse mit ausgeschiedenen Geschäftsführern,
    • also auch wenn ein Geschäftsführer gegen die Kündigung seines der Geschäftsführerstellung bei der GmbH zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses klagt.

Die Vorschrift soll die unvoreingenommene Prozessführung für die Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen regelmäßig die Gefahr besteht, dass die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführer befangen sind.

Solange die Gesellschafterversammlung von ihrer Befugnis nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG,

  • einen besonderen Vertreter zu bestellen,

keinen Gebrauch macht, also untätig bleibt, wird die GmbH

  • vorbehaltlich einer die Vertretungsbefugnis anders regelnden Satzungsbestimmung

im Prozess mit ihren gegenwärtigen oder ausgeschiedenen Geschäftsführern durch einen oder mehrere bereits zuvor oder neu bestellte (weitere) Geschäftsführer vertreten.

  • Eines entsprechenden (zumindest stillschweigend gefassten) Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf es für die Fortdauer der Vertretungsbefugnis der (anderen) Geschäftsführer nicht (BGH, Beschluss vom 02.02.2016 – II ZB 2/15 –).

46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG überlässt es der Entscheidung der Gesellschafterversammlung, ob sie die Gesellschaft durch die bestellten Geschäftsführer als ausreichend vertreten ansieht oder die Bestellung eines geeigneten besonderen Vertreters für erforderlich hält.
Sieht sie davon ab, dann bleibt es bei der Vertretungsbefugnis der (anderen) Geschäftsführer.

Darauf hat der II. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 22.03.2016 – II ZR 253/15 – hingewiesen.

Wenn die Ampel von „Grün“ auf „Gelb“ wechselt – Wann muss man wo anhalten?

Wechselt eine Ampel von „Grün-“ auf „Gelblicht“ darf ein Kraftfahrzeugführer dann nicht mehr in den Kreuzungsbereich einfahren, wenn er

  • mit einer normalen Betriebsbremsung zwar jenseits der Haltelinie,
  • aber noch vor der Ampelanlage anhalten kann.

Ansonsten liegt ein schuldhafter Gelblichtverstoß unter Missachtung der Regelung in § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vor.

  • Gelblicht ordnet nämlich an, das nächste Farbsignal der Lichtzeichenanlage abzuwarten.
  • Ist das nächste Farbsignal „Rot“, hat ein Kraftfahrzeugführer vor der Lichtzeichenanlage anzuhalten, soweit ihm dies mit normaler Betriebsbremsung möglich ist;
  • andernfalls darf er weiterfahren, muss aber den Kreuzungsbereich hinter der Lichtzeichenanlage möglichst zügig überqueren (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.04.2005 – VI ZR 228/03 –).

Nicht entscheidend ist, ob ein Kraftfahrzeugführer sein Fahrzeug beim Wechsel des Farbsignals von „Grün“ auf „Gelb“ noch vor der Haltelinie der Ampelanlage zum Stehen hätte bringen können.

Entscheidend ist allein, ob er mit einer normalen Betriebsbremsung noch vor der Ampelanlage anhalten konnte.

Denn Gelb- und Rotlicht ordnen ein Anhalten spätestens vor dem Kreuzungsbereich an, in welchem sich die eigentliche Gefahr der Missachtung der Lichtzeichen verwirklicht.
Zwar ist, wenn vor einer Ampel auf der Fahrbahn eine Haltelinie angebracht ist, an dieser Haltelinie anzuhalten.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Verkehrsteilnehmer, der die Haltelinie ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen (beispielsweise noch bei Grünlicht) überfahren hat, in jedem Fall an der (zwischenzeitlich) Gelb- oder Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage vorbei in die Kreuzung fahren darf. Dies würde insbesondere im Falle von Nachzüglern, die in Verkehrsstauungen im Bereich hinter der Haltelinie, aber vor der für sie geltenden Lichtzeichenanlage anhalten müssen, zu einer nicht hinnehmbaren Gefahr für den Querverkehr führen, der durch die Regelung der Lichtzeichenanlage gerade geschützt werden soll.

Deswegen muss ein Verkehrsteilnehmer, der bei Umspringen der Lichtzeichen von Grün- auf Gelblicht mit normaler Betriebsbremsung vor der Lichtzeichenanlage anhalten kann, gegebenenfalls auch jenseits der Haltelinie auf das nächste Lichtzeichen zu warten, wenn er vorher nicht zum Stehen kommt.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 30.05.2016 – 6 U 13/16 – hingewiesen.

Was Patienten und Ärzte wissen sollten, wenn ein Patient sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen will

Erklärt ein Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen, darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen.

  • Nimmt ein anderer Arzt den Eingriff dennoch vor, fehlt die wirksame Einwilligung in die Vornahme des Eingriffs, ist der in der ärztlichen Heilbehandlung liegende Eingriff in die körperliche Integrität damit rechtswidrig und haftet dieser Arzt für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen.

Hat sich ein Patient bewusst für einen bestimmten Arzt als Operateur entschieden und hat ein anderer Arzt den Eingriff vorgenommen, kann dieser Arzt, wenn er von dem Patienten wegen der fehlenden Einwilligung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen wird,

  • sich weder auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten berufen,
  • noch den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben, der darauf zielt, der Patient sei mit der Vornahme des Eingriffs durch einen anderen Operateur einverstanden gewesen, weil dies dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen widerspricht (§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

In Fällen, in denen ein Eingriff durch einen bestimmten Arzt vereinbart oder konkret zugesagt ist, muss deshalb

Was betreuungsbedürftige Volljährige und Personen, die zum Betreuer eines Betroffenen bestellt werden möchten, wissen sollten

Ist für einen volljährigen Betroffenen, weil er auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen kann und er für diesen Fall keiner Person Vorsorgevollmacht erteilt hat,

  • die Bestellung eines Betreuers durch das Amtsgericht (AG) erforderlich (vgl. § 1896 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • kann der Betroffene eine Person vorschlagen, die zum Betreuer für ihn bestellt werden soll.

Einem solchen Vorschlag des Betroffenen hat das AG zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB).

Ein solcher Vorschlag erfordert in der Regel auch

  • weder Geschäftsfähigkeit
  • noch natürliche Einsichtsfähigkeit.

Vielmehr genügt es, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 131/13 –).

Ein solcher Vorschlag kann auch schon vor dem Betreuungsverfahren,

  • etwa in einer Betreuungsverfügung abgegeben werden und
  • daher auch in einer wegen Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen unwirksamen Vorsorgevollmacht zum Ausdruck kommen (vgl. hierzu § 1901c BGB).

In einem solchen Fall steht dem AG bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen zu.
Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht.

  • Der Wille des Betreuten kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderliefe.

Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen.
Dazu müssen aussagekräftige Erkenntnisse vorliegen, die die konkrete Gefahr begründen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (BGH, Beschlüsse vom 07.08.2013 – XII ZB 131/13 – und vom 25.03.2015 – XII ZB 621/14 –).

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 03.08.2016 – XII ZB 616/15 – hingewiesen.

Dürfen personenbezogene Daten veröffentlicht werden oder hat man einen Anspruch auf Unterlassung?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.
Hierunter fällt auch das Recht, grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person, z.B. in einem Online-Lexikon, veröffentlicht werden.

Da personenbezogene Daten aber zugleich ein Teil der sozialen Realität einer Person sind, müssen bei Daten aus dem Bereich der Privatsphäre, zu denen auch das Geburtsdatum gehört, die Persönlichkeitsinteressen des Betroffenen dann regelmäßig hinter der Meinungsfreiheit zurücktreten, wenn

  • die verbreiteten Tatsachen richtig sind,
  • an der Veröffentlichung ein öffentliches Interesse im Sinn der Meinungsbildung besteht und
  • die Folgen der Veröffentlichung für den Betroffenen nicht schwerwiegend sind, wobei hier insbesondere zu berücksichtigen ist, ob die Informationen aus einer öffentlich zugänglichen Quelle stammen.

Liegen diese Voraussetzungen vor, werden Betroffene durch die Veröffentlichung nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und haben deshalb, wenn die Löschung verweigert wird, auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung.

Darauf hat das Amtsgerichts (AG) München mit Urteil vom 30.09.2015 – 142 C 30130/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Online-Lexikon in einem Beitrag über eine Drehbuchautorin und Regisseurin deren Geburtsdatum veröffentlicht und als Nachweis dafür die Dissertation der Regisseurin angegeben hatte, in der ihr Geburtsdatum genannt war,

deren Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Geburtsdatums abgewiesen.

Begründet hat das AG seine Entscheidung u. a. damit, dass

  • ein öffentliches Interesse an dem Geburtsjahr der Klägerin bestehe, weil diese eine renommierte, in der Öffentlichkeit stehende und bekannte Dokumentarfilm-Produzentin sei und
  • keine Anhaltspunkte bestünden, dass die Klägerin durch die Veröffentlichung des Geburtsjahres (in ihrem Beruf) erheblich beeinträchtigt werde oder dadurch ihre soziale Ausgrenzung oder Isolierung drohe (Quelle: Pressemitteilung 66/16 des AG München vom 26.08.2016).