Blog

Was Betreuer wissen müssen, wenn nicht geschlossen untergebrachte Betreute ärztlich zwangsbehandelt werden sollen

Ärztliche Behandlungen gegen den natürlichen Willen eines Betreuten, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung deren Notwendigkeit nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können,

  • waren bisher ausschließlich auf der Grundlage des § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit nur bei nach 1906 Abs. 1 BGB freiheitsentziehend untergebrachten Betreuten möglich,

während

  • außerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB ärztliche Zwangsmaßnahmen (ambulante Zwangsmaßnahmen) mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage für unzulässig erachtet wurden (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11.10.2000 – XII ZB 69/00 –).

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat nunmehr mit Beschluss vom 26.07.2016 – 1 BvL 8/15 – entschieden, dass

  • es mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen und die die Notwendigkeit der erforderlichen ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, eine ärztliche Behandlung gegen ihren natürlichen Willen unter keinen Umständen möglich ist, sofern sie zwar stationär behandelt werden, aber nicht geschlossen untergebracht werden können, weil sie sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind,
  • der Gesetzgeber deshalb verpflichtet ist, unverzüglich eine Regelung für diese Fallgruppe zu treffen und bis zu einer solchen Regelung

1906 Absatz 3 BGB auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden ist, die sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung räumlich nicht entziehen können.

Was Totenfürsorgeberechtigte, die einen Verstorbenen umbetten lassen wollen, wissen sollten

Eine Totenfürsorgeberechtigte die,

  • um sich nach ihrem Umzug von Ansbach nach Thüringen besser um das Grab ihrer verstorbenen und feuerbestatteten Mutter kümmern zu können,

die Urne mit deren Asche vom Friedhof in Ansbach auf den Friedhof ihres neuen Wohnortes umbetten lassen wollte,

  • darf die Umbettung nicht vornehmen lassen.

Der Träger des Ansbacher Friedhofs, dessen Erlaubnis für die Umbettung erforderlich gewesen wäre, lehnte die beantragte Umbettung mit der Begründung ab,

  • dass die auf dem Friedhof, auf dem die Verstorbene beigesetzt worden war, geltende Ruhezeit von 10 Jahren noch nicht abgelaufen war und

die dagegen erhobene Klage der Totenfürsorgeberechtigten auf Erteilung der Genehmigung für die Umbettung

  • ist von der 4. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts (VG) Ansbach am 03.08.2016 – AN 4 K 16.00882 – abgewiesen worden.

Das VG begründete seine Entscheidung damit, dass, auch wenn das Totenfürsorgerecht der Tochter durch ihren Umzug in eine ca. 270 km entfernte Stadt in Thüringen stark eingeschränkt werde, dies eine Urnenumbettung vor Ablauf der Ruhezeit nicht rechtfertige, weil,

  • jedenfalls dann, wenn ein Verstorbener zu Lebzeiten kein klares und nachgewiesenes Einverständnis mit einer späteren Umbettung bzw. einer Überführung seiner sterblichen Überreste erklärt habe,
  • dem Schutz der Totenruhe – der als Ausfluss der Menschenwürde Verfassungsrang genieße und dem allgemeinen Sittlichkeit- und Pietätsempfinden entspreche – Vorrang einzuräumen sei, vor dem Bedürfnis der Angehörigen im Hinblick auf die Totenfürsorge (Quelle: Pressemitteilung des VG Ansbach vom 25.08.2016).

Wer muss was darlegen bzw. beweisen, wenn ein Stellenbewerber wegen Benachteiligung bei einer Bewerbung Zahlung einer Entschädigung verlangt?

Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)), die sich zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG darauf berufen, der beklagte Arbeitgeber (vgl. § 6 Abs. 2 AGG) habe gegen ein Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, haben gemäß § 22 AGG Indizien vorzutragen, die eine Benachteiligung nach § 3 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, also

  • aus rassistischen Gründen oder wegen seiner ethnischen Herkunft,
  • wegen seines Geschlechts,
  • wegen seiner Religion oder seiner Weltanschauung,
  • wegen seiner Behinderung,
  • wegen seines Alters oder
  • wegen seiner sexuellen Identität.

An die Vermutungsvoraussetzungen des § 22 AGG ist dabei kein zu strenger Maßstab anzulegen.
Es genügt, wenn aus den vorgetragenen Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung besteht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 –).

Indizien beispielsweise für eine Benachteiligung wegen einer (Schwer-)Behinderung in einer Bewerbungssituation gegenüber einem öffentlichen Arbeitgeber können insbesondere die Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu Gunsten schwerbehinderter Menschen sein, namentlich

  • das Unterlassen der Einschaltung der Agentur für Arbeit gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, 82 Satz 1 SGB IX (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 03.03.2011 – 5 C 16/10 –) oder
  • das Unterbleiben einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entgegen § 82 Satz 2 SGB IX,

sofern der Bewerber alle (zulässigen) Einstellungsvoraussetzungen erfüllt (BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10 –; Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Urteil 18.03.2015 – 3 Sa 371/14 –; Arbeitsgericht (ArbG) Ulm, Urteil vom 02.08.2016 – 5 Ca 86/16 –).

Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises.

  • Der Arbeitgeber muss demnach dann Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG, Urteil vom 17.03.2016 – 8 AZR 677/14 –).

Warum Verkäufer, die bei eBay-Auktionen den Auktionsverlauf durch Eigengebote manipulieren, böse auf die Nase fallen können

Bei eBay-Auktionen beurteilt sich der Vertragsschluss

  • nicht nach § 156 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB (Versteigerung),
  • sondern nach den allgemeinen Regeln des Vertragsschlusses (Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB), die auch dem in den eBay-AGB vorgesehenen Vertragsschlussmechanismus zugrunde liegen.

Danach richtet sich das Angebot desjenigen, der auf der Internetplattform eBay einen Gegenstand im Wege einer Internetauktion mit einem bestimmten Startpreis zum Verkauf anbietet,

  • nur an „einen anderen“,
  • mithin an einen von ihm personenverschiedenen Bieter.

Deshalb kann ein Anbieter, der über ein zweites Benutzerkonto Eigengebote abgibt und Fremdangebote immer wieder überbietet, um auf diese Weise den Auktionsverlauf zu seinen Gunsten zu manipulieren, durch solche Eigengebote von vornherein keinen Vertragsschluss zustande bringen.
Der Inhalt solcher Eigengebote, mit denen keine auf das jeweilige Maximalgebot bezifferte und auf den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages gerichteten Annahmeerklärungen abgegeben wird, erschöpft sich vielmehr darin, das im Vergleich zu den bereits bestehenden Geboten regulärer Mitbieter jeweils nächsthöhere Gebot abzugeben, um diese Gebote um den von eBay jeweils vorgegebenen Bietschritt zu übertreffen und auf diese Weise bis zum Erreichen des von ihm vorgegebenen Maximalbetrages Höchstbietender zu werden oder zu bleiben.

Darauf hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 100/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • von einem Anbieter auf der Internetplattform eBay ein gebrauchter PKW Golf 6 im Wege einer Internetauktion mit einem Startpreis von 1 € zum Verkauf angeboten, dieser Betrag zunächst von einem unbekannt gebliebenen Fremdbieter geboten worden war und
  • der Anbieter den einzigen weiteren anderen, an der Auktion teilnehmenden Fremdbieter danach durch über ein zweites Benutzerkonto abgegebene Eigenangebote immer wieder überboten hatte, bis bei Auktionsschluss schließlich ein „Höchstgebot“ von ihm selbst über 17.000 € vorlag, so dass der Fremdbieter anschließend mit seinem in gleicher Höhe abgegebenen Gebot nicht mehr zum Zuge kam,

entschieden,

  • dass der zweite Fremdanbieter den auf der Internetplattform eBay zum Verkauf angebotenen gebrauchten PKW Golf 6 zum Preis von 1,50 € ersteigert hat.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass von dem Anbieter dadurch, dass er die Auktion des von ihm zum Verkauf gestellten Fahrzeugs mit einem Anfangspreis von 1 € startete, ein verbindliches Verkaufsangebot im Sinne von § 145 BGB abgegeben worden ist, welches an denjenigen Bieter gerichtet war, der zum Ablauf der Auktionslaufzeit das Höchstgebot abgegeben haben würde und
  • da der Anbieter mit seinen über das zusätzliche Benutzerkonto abgegebenen Eigengeboten von vornherein keinen wirksamen Vertragsschluss habe herbeiführen können sowie außer diesen unwirksamen Eigengeboten des Anbieters nur ein einziges reguläres Gebot in Höhe von 1 € auf den Gebrauchtwagen abgegeben worden war, der einzige weitere andere Fremdbieter mit dem nächsthöheren Gebot von 1,50 € Höchstbietender war.

Dass der Auktionsgegenstand zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Betrag hat ersteigert werden können, begründete deshalb keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages, so der Senat weiter,

  • da der Reiz einer Internetauktion gerade darin liege, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ erwerben zu können und
  • es allein auf den erfolglosen Versuch des Anbieters, den Auktionsverlauf in unlauterer Weise zu seinen Gunsten zu manipulieren, zurückzuführen war, dass nach dem Auktionsergebnis die Lieferung des Fahrzeugs für einen eher symbolischen Kaufpreis von 1,50 € beansprucht werden konnte (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 144/2016 vom 24.08.2016).

Dieselgate – LG Düsseldorf entscheidet: Vor Rücktritt vom Kaufvertrag muss Frist zur Nachbesserung gesetzt werden

Mit Urteil vom 23.08.2016 hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Düsseldorf – 6 O 413/15 – entschieden, dass,

  • wer bei einem Autohaus, das Vertragshändler ist, einen vom Abgasskandal betroffenen PKW gekauft hat, in den eine manipulierte Abgassoftware verbaut ist, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert,

dem Autohaus,

  • erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss,
  • bevor er vom Kaufvertrag zurücktreten kann.

Eine solche Fristsetzung zur Nachbesserung eines Mangels sei, so das LG, nur ganz ausnahmsweise entbehrlich, wenn etwa das Autohaus eine Nachbesserung endgültig verweigert.

Da sich das Autohaus das mögliche Wissen des Autoherstellers auch nicht zurechnen lassen müsse, so das LG weiter, sei das Recht zur Nacherfüllung auch nicht wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels ausgeschlossen (Quelle: Pressemitteilung des LG Düsseldorf vom 23.08.2016).

Was man wissen sollte wenn darüber gestritten wird ob ein geschuldeter Geldbetrag zurückgezahlt worden ist

Streiten die Parteien darüber,

  • ob der Beklagte dem Kläger einen von diesem unstreitig erhalten Geldbetrag bereits zurückgezahlt hat oder nicht,

trägt die Beweislast für die erfolgte Rückzahlung der Beklagte.

Wird vom Beklagten zum Beweis dafür, dass er den erhalten Betrag, z.B. den Betrag von 75.000 Euro, bereits zurückgezahlt hat,

  • eine vom Kläger unterzeichnete Quittung über 75.000 Euro vorgelegt,

erbringt diese Quittung als Privaturkunde den „vollen Beweis“ gemäß § 416 Zivilprozessordnung (ZPO)

  • für die Abgabe der in der Urkunde enthaltenen Erklärung nur dann,
  • wenn sie echt ist.

Bestreitet der Kläger

  • die Echtheit der Quittung indem er substantiiert behauptet, dass es sich bei der Namensunterschrift auf der Quittung nicht um seine Unterschrift handelt,

muss der Beklagte wiederum beweisen,

  • entweder die Echtheit der Quittung, also dass die Namensunterschrift auf der Quittung vom Kläger stammt, mit der Folge der Beweiskraft des § 416 ZPO
  • oder aber die tatsächliche Rückzahlung des geschuldeten Geldbetrages.

Räumt der Kläger allerdings ein, dass die Namensunterschrift auf der Quittung von ihm stammt oder steht dies fest und bestreitet er

  • die Echtheit der Urkunde indem er beispielsweise behauptet, der Beklagte habe lediglich 750 Euro zurückgezahlt und auf der von ihm unterschriebenen Quittung über 750 Euro nachträglich an die Zahl „750“ zwei Nullen sowie an die ausgeschriebenen Zahlwörter „sieben/fünf/null“ zweimal das Wort „Null“ angefügt,

greift die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO ein, nämlich die Vermutung der Echtheit der über der Unterschrift stehenden Erklärung.

Diese Vermutung führt dazu,

  • dass der Kläger in diesem Punkt beweispflichtig ist,
  • nicht aber, dass die Echtheit der Urkunde und damit der darin enthaltenen Erklärung feststeht.

Somit trägt der Kläger in diesem Fall die Beweislast dafür, dass es sich bei der Quittung um eine Fälschung handelt, wofür er

  • nicht nur äußere Mängel der Urkunde im Sinne von § 419 ZPO anführen,
  • sondern auch den Beweis der Fälschung antreten kann durch Antrag auf Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 27.07.2016 – XII ZR 125/14 – hingewiesen.

Was, wer einen Supermarkt besucht, über die Sorgfaltspflichten die ihn dort treffen, wissen sollte

Macht ein Kunde in einem Verkaufsgang eines Supermarktes, um eine Verkäuferin mit einer sog. Ameise nebst einer Palette vorbeizulassen,

  • ohne sich zuvor umzusehen, einen Schritt rückwärts und
  • bringt er hierbei einen anderen Kunden zu Fall, der hinter ihm vorbeigehen will,

kann es gerechtfertigt sein,

  • beide Kunden hälftig für den bei der Kollision entstandenen Schaden, also (auch) die Verletzungen haften zu lassen, die sich der zu Fall gebrachte Kunde bei dem Sturz zugezogen hat.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.06.2016 – 6 U 203/15 – hingewiesen.

Nach Ansicht des Senats treffen Kunden beim Besuch eines Supermarktes,

  • wegen der stets bestehenden Kollisionsgefahr mit anderen Kunden oder von diesen benutzten Einkaufswagen,

nämlich besondere Sorgfaltspflichten,

  • gegen die nicht nur ein Kunde verstößt, der sich, ohne zuvor umzuschauen, rückwärts bewegt,
  • sondern auch ein Kunde, der nicht auf die Bewegungen der sich in seiner Nähe bewegenden anderen Kunden achtet (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 22.08.2016).

Was Verkäufer und Käufer von alten Immobilien wissen sollten

Der Verkäufer eines Hauses muss einen Käufer,

  • wenn in der Vergangenheit bei starken Regenfällen regelmäßig breitflächig Wasser in flüssiger Form in den Keller eingedrungen ist,

darüber vor Abschluss des Kaufvertrages (ungefragt und erst Recht aber auf entsprechende Frage des Kaufinteressenten hin) aufklären und zwar auch dann, wenn

  • es sich um ein schon sehr altes Haus mit einem noch älteren Keller handelt und
  • bei der Besichtigung des Hauses durch den Käufer Farb- und Putzabplatzungen an den Kellerwänden auf Feuchtigkeitsschäden hingewiesen haben.

Offenbart dies der Verkäufer dem Kaufinteressenten nicht,

  • handelt der Verkäufer arglistig,
  • mit der Folge,
    • dass er sich nach § 444 BGB auf einen von den Parteien im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschluss für Mängel nicht berufen kann und
    • der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist.

Darauf hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.07.2016 – 22 U 161/15 – hingewiesen und dies damit begründet, dass

  • ein verkauftes Hausgrundstück einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) aufweist, wenn die Nutzbarkeit des Kellers als Lagerraum, wie sie auch bei älteren Immobilien zumindest üblich sei und von Durchschnittskäufern berechtigterweise erwartet werden darf, wegen des bei starken Regenfällen regelmäßig eindringenden Wassers in flüssiger Form nicht möglich ist und
  • ein Käufer, selbst wenn es sich um einen sehr alten Keller handle und er bei der Besichtigung des Hauses habe sehen können, dass die Kellermauern Feuchtigkeitsspuren aufweisen, nicht damit rechnen müsse, dass bei starken Regenfällen Wasser auch in flüssiger Form breitflächig in den Keller eindringt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 19.08.2016).

Was, wer bei einem Reisebüro oder Automobilklub eine Fährüberfahrt bucht, wissen sollte

Das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 30.06.2016 – 213 C 3921/16 – entschieden, dass es sich bei einer in einem Reisebüro oder bei einem Automobilklub gebuchten Überfahrt mit einer Fähre in der Regel

  • selbst dann nicht um einen Pauschalreise handelt,
  • wenn neben der Fahrzeugmitnahme eine Kabine gebucht wird.

Vielmehr liege in einem solchen Fall die Buchung einer einzelnen Beförderungsleistung vor,

  • bei der das Reisebüro lediglich vermittelnd tätig und
  • nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrages werde.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte ein Reisender bei einem Automobilclub eine Fährpassage von Genua nach Tunis und zurück gebucht, in der seine Beförderung, die seines PKWs sowie die Übernachtung in einer Kabine enthalten waren.

Nach dem Urteil des AG München können in solchen Fällen somit von Reisenden Ansprüche wegen Schlecht- bzw. Nichterfüllung der Beförderungsleistung

  • regelmäßig nur gegen die Reederei geltend gemacht werden und
  • gegen das Reisebüro bzw. den Automobilklub als Reisevermittler nur, wenn diese ihnen ausnahmsweise obliegende nachvertragliche Informationspflichten verletzt haben (Quelle: Pressemitteilung des AG München 64/16 vom 19.08.2016).

Was Verkäufer und Käufer eines mangelhaften Neufahrzeugs wissen sollten

Der Käufer eines fabrikneuen Pkws, der nach der Übergabe des Fahrzeugs erfährt, dass der PKW einen Mangel aufweist, der bei der Übergabe bereits vorhanden war (hier: nicht fachgerecht behobener Transportschaden), kann,

  • solange er vom Verkäufer noch nicht die Nachbesserung verlangt bzw.
  • sich mit dem Verkäufer über eine Nachbesserung verständigt hat,

vom Verkäufer,

  • auch wenn dieser die Nachbesserung angeboten hat,

anstelle der Nachbesserung,

  • regelmäßig noch unter Fristsetzung eine Ersatzlieferung und
  • wenn der Verkäufer dazu nicht bereit ist, vom Kaufvertrag zurücktreten und unter Anrechnung des Nutzungsvorteils, Rückzahlung des Kaufpreises nebst Erstattung der Zulassungskosten, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.07.2016 – 28 U 175/15 – entschieden.

Danach kann sich in einem solchen Fall der Verkäufer gegen die Forderung des Käufers auf Ersatzlieferung nur verteidigen,

  • wenn er darlegen kann, dass es ihm nicht möglich ist, ein mangelfreies anderes Neufahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung zu beschaffen oder
  • wenn er,
    • solange der Nacherfüllungsanspruch noch besteht und der Käufer noch nicht zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, eingewendet hat (weil der Einwand danach erlischt), dass eine Nachlieferung unverhältnismäßig sei und
    • die Mangelbeseitigungskosten mit nicht mehr als 5 % des Kaufpreises zu veranschlagen sind (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 15.08.2016).