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Was, wer bei einem Reisebüro oder Automobilklub eine Fährüberfahrt bucht, wissen sollte

Das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 30.06.2016 – 213 C 3921/16 – entschieden, dass es sich bei einer in einem Reisebüro oder bei einem Automobilklub gebuchten Überfahrt mit einer Fähre in der Regel

  • selbst dann nicht um einen Pauschalreise handelt,
  • wenn neben der Fahrzeugmitnahme eine Kabine gebucht wird.

Vielmehr liege in einem solchen Fall die Buchung einer einzelnen Beförderungsleistung vor,

  • bei der das Reisebüro lediglich vermittelnd tätig und
  • nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrages werde.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte ein Reisender bei einem Automobilclub eine Fährpassage von Genua nach Tunis und zurück gebucht, in der seine Beförderung, die seines PKWs sowie die Übernachtung in einer Kabine enthalten waren.

Nach dem Urteil des AG München können in solchen Fällen somit von Reisenden Ansprüche wegen Schlecht- bzw. Nichterfüllung der Beförderungsleistung

  • regelmäßig nur gegen die Reederei geltend gemacht werden und
  • gegen das Reisebüro bzw. den Automobilklub als Reisevermittler nur, wenn diese ihnen ausnahmsweise obliegende nachvertragliche Informationspflichten verletzt haben (Quelle: Pressemitteilung des AG München 64/16 vom 19.08.2016).

Was Verkäufer und Käufer eines mangelhaften Neufahrzeugs wissen sollten

Der Käufer eines fabrikneuen Pkws, der nach der Übergabe des Fahrzeugs erfährt, dass der PKW einen Mangel aufweist, der bei der Übergabe bereits vorhanden war (hier: nicht fachgerecht behobener Transportschaden), kann,

  • solange er vom Verkäufer noch nicht die Nachbesserung verlangt bzw.
  • sich mit dem Verkäufer über eine Nachbesserung verständigt hat,

vom Verkäufer,

  • auch wenn dieser die Nachbesserung angeboten hat,

anstelle der Nachbesserung,

  • regelmäßig noch unter Fristsetzung eine Ersatzlieferung und
  • wenn der Verkäufer dazu nicht bereit ist, vom Kaufvertrag zurücktreten und unter Anrechnung des Nutzungsvorteils, Rückzahlung des Kaufpreises nebst Erstattung der Zulassungskosten, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.07.2016 – 28 U 175/15 – entschieden.

Danach kann sich in einem solchen Fall der Verkäufer gegen die Forderung des Käufers auf Ersatzlieferung nur verteidigen,

  • wenn er darlegen kann, dass es ihm nicht möglich ist, ein mangelfreies anderes Neufahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung zu beschaffen oder
  • wenn er,
    • solange der Nacherfüllungsanspruch noch besteht und der Käufer noch nicht zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, eingewendet hat (weil der Einwand danach erlischt), dass eine Nachlieferung unverhältnismäßig sei und
    • die Mangelbeseitigungskosten mit nicht mehr als 5 % des Kaufpreises zu veranschlagen sind (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 15.08.2016).

OLG Koblenz entscheidet die Frage der Kündbarkeit von Bausparverträgen zugunsten der Bausparkasse und gegen Bausparer

Bausparkassen können zur Zinsersparnis Bausparverträge mit festem Zinssatz

  • nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wirksam kündigen,
  • wenn Bausparer das Bauspardarlehen 10 Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht in Anspruch genommen haben.

Das hat der für Bankrecht zuständige achte Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mit Urteil vom 29.07.2016 – 8 U 11/16 – entschieden (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15 –; Urteile vom 22.06.2016 – 31 U 271/15, 31 U 278/15; OLG Köln, Beschluss vom 15.02.2016 – 13 U 151/15 –; anderer Ansicht OLG Stuttgart, Urteile vom 30.03.2016 – 9 U 171/15 – und vom 04.05.2016 – 9 U 230/15 – dass die Auffassung vertritt, dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kündigungen von Bausparverträgen durch Bausparkassen keine Anwendung findet).

Dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Bausparverträge Anwendung finden soll, hat der achte Zivilsenat des OLG Koblenz damit begründet, dass

  • bei Bausparverträgen in der Ansparphase der Bausparer als Darlehensgeber und die Bausparkasse als Darlehensnehmerin anzusehen sei,
  • diese Passivgeschäfte der Bausparkassen vom Schutzbereich des Gesetzes erfasst würden und
  • auch Bausparkassen, weil sie, wenn sie die geschuldete Verzinsung mangels ausreichender Nachfrage an Bauspardarlehen nicht in vollem Umfang über das Aktivgeschäft erwirtschaften könnten, in Ertragsschwierigkeiten kommen könnten, davor geschützt werden müssten, dauerhaft einen nicht marktgerechten Zinssatz zahlen zu müssen.

Weil, so der Senat weiter, es der Bausparer von da an allein in der Hand habe, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen, beginne die Zehnjahresfrist im Sinne des § 489 Abs.1 Nr.2 BGB ab Eintritt der Zuteilungsreife zu laufen (Quelle Pressemitteilung des OLG Koblenz vom 11.08.2016).

Hinweis:
Wie letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) die umstrittene Rechtsfrage entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

Was Schwerbehinderte die sich auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle bewerben wissen sollten

Eine Stadt muss einem, mit einem Grad der Behinderung von 50, Schwerbehinderten, der sich auf eine von ihr ausgeschriebene Stelle mit Bewerbungsschreiben und ausführlichem Lebenslauf beworben hatte,

  • nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Entschädigung i.H.v. einem Bruttomonatsverdienst zahlen,

weil er von der Stadt, obwohl diese aufgrund der Angaben des Schwerbehinderten in seiner Bewerbung nicht davon ausgehen durfte, dass ihm die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlt,

  • nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden und die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt worden war.

Das hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 375/15 – entschieden.

Danach begründet die Nichteinladung eines schwerbehinderten Bewerbers auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle zu einem Vorstellungsgespräch

  • dann die Vermutung, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung aus dem Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschieden und dadurch benachteiligt (diskriminiert) worden ist,
  • wenn der öffentliche Arbeitgeber von der Verpflichtung zu einer Einladung nicht nach § 82 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) befreit war, also nicht davon ausgehen konnte, dass dem Stellenbewerber die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlt (Quelle: Pressemitteilung Nr. 42/16 des BAG vom 11.08.2016).

Was man wissen sollte wenn es um die Bestattung von verstorbenen Angehörigen geht

Das Recht der Totenfürsorge, das u.a. Art und Ort der Bestattung des Leichnams des Verstorbenen umfasst, ist gesetzlich nicht geregelt und von der Rechtsprechung den nächsten Angehörigen des Verstorbenen übertragen.

  • Erklären wo und wie man einmal bestattet werden will sowie das Totenfürsorgerecht einer bestimmten Person übertragen, kann allerdings Jedermann schon zu Lebzeiten.

Denn einem Menschen ist es grundsätzlich gestattet über den Verbleib und die weitere Behandlung oder Verwendung seiner sterblichen Überreste selbst zu bestimmen.

  • Hat der Verstorbene seinen diesbezüglichen Willen nicht erklärt, hat sich der Inhaber des Totenfürsorgerechts im Rahmen des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen zu bewegen, wobei ihm innerhalb dieses Rahmens aber, weil andernfalls die Umsetzung der Totenfürsorge nicht praktikabel sein würde, ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zusteht.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 11.06.2016 – 171 C 12772/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem die aus der Türkei stammende Witwe des kinderlosen, ohne Hinterlassung eines Testaments Verstorbenen diesen in ihrem Heimatort in der Türkei und
  • die Mutter des Verstorbenen ihn im Familiengrab in Deutschland beisetzen lassen wollte,

der Witwe Recht gegeben und entschieden,

  • dass diese den Leichnam des Verstorbenen in die Türke überführen und dort beerdigen kann.

Begründet hat das AG dies damit, dass die Beweisaufnahme, in der es darum gegangen sei den diesbezüglichen erklärten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu ergründen, ergeben habe, dass das Vorhaben der Witwe,

  • die hier die Totenausübungsberechtigte sei,
  • nicht dem mutmaßlichen Willens des Verstorbenen widerspreche, sondern sich im Rahmen von dessen mutmaßlichen Willen bewege.

Dass, so das AG weiter, die Entscheidung für die Mutter eine nur schwer zu ertragende Härte mit sich bringe, weil es ihr – wenn überhaupt – nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein wird, die Grabstelle ihres Sohnes zu besuchen oder an der Beerdigung selbst teilzunehmen, sei bedauerlich, aber für die Entscheidungsfindung unerheblich (Quelle: Pressemitteilung 65/16 des AG München vom 12.08.2016).

Tipp:
Zu Lebzeiten schon zu regeln, wo und wie (Erd- oder Feuerbestattung) man einmal beigesetzt werden möchte, kann Streit unter den nächsten Angehörigen vermeiden.

Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten wenn es darum geht ob ein Arbeitnehmer fristlos entlassen werden kann

Gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer

  • dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
  • unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile

die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Demnach ist Voraussetzung für eine fristlose Kündigung

  • zunächst, dass der Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt wird, ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist und

wenn dies der Fall ist,

  • dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist also nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteile vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – und vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –).

Eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen können beispielsweise auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, weil sie einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – AP BGB § 626 Nr. 226).

Das allein reicht allerdings noch nicht für eine fristlose Kündigung aus.

Vielmehr ist, trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung, bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung

  • das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  • gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen,

wobei eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat.

Zu berücksichtigen sind insbesondere regelmäßig

  • das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen -,
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie
  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht,

  • wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind,
  • wobei als mildere Reaktion insbesondere die Abmahnung anzusehen ist, wenn schon sie geeignet ist, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen.

Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (BAG, Urteile vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – und vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 –).
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.
Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn

  • bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder
  • es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Darauf hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16 – hingewiesen.

Was, wer eine Patientenverfügung errichten und eine Vorsorgevollmacht erteilen will, wissen sollte

Jeder, der volljährig und (noch) einwilligungsfähig ist, kann

  • in einer Patientenverfügung,
  • die er, solange er einwilligungsfähig ist, auch jederzeit formlos wieder widerrufen kann,

für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegen, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe

  • einwilligt oder
  • sie untersagt (vgl. § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB).

Beachtet werden muss bei der Errichtung einer Patientenverfügung, dass diese unmittelbare Bindungswirkung nur dann entfaltet, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen

  • über die Einwilligung oder Nichteinwilligung
  • in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen

entnommen werden können.

  • Allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, sind ebensowenig ausreichend,
  • wie die alleinige, keine konkrete Behandlungsentscheidung enhaltende Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen.

Vielmehr muss der Betroffene zumindest umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht, wobei

  • die insoweit erforderliche Konkretisierung durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder
  • die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen kann.

Liegt eine wirksame Patientenverfügung vor und tritt nachfolgend ein Fall ein, in dem eine Entscheidung über eine ärztliche Maßnahme getroffen werden muss, die der Betroffene, wegen zwischenzeitlich bei ihm eingetretener Einwilligungsunfähigkeit, nicht mehr unmittelbar selbst treffen kann, prüft

  • entweder ein Betreuer, der vom Gericht bestellt wird oder
  • wenn von dem Betroffenen nicht nur eine Patientenverfügung, sondern zu einem Zeitpunkt als er noch geschäftsfähig war, eine Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt worden ist, dieser Bevollmächtigte des Betroffenen (vgl. zur Vorsorgevollmacht § 1901c BGB),

ob die Festlegungen des Betroffenen in seiner Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

  • Ist dies der Fall hat der Betroffene die Entscheidung (schon) selbst getroffen.
    Dem Bevollmächtigten obliegt es dann gemäß § 1901 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BGB dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen, wobei er gemäß § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB die Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens mit dem behandelnden Arzt zu erörtern hat und nach § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung geben soll, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.
  • Anderenfalls hat der Bevollmächtigte gemäß § 1901 a Abs. 2 und 5 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und hierbei wiederum §§ 1901 a, 1901 b BGB zu beachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden hat.

Ob ein von dem Betroffenen Bevollmächtigter dem Willen des Betroffen Ausdruck und Geltung verschaffen kann, hängt allerdings ab vom Umfang der ihm erteilten Vorsorgevollmacht.

Hat der Betroffene dem Bevollmächtigten

  • lediglich die Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung übertragen,

ist der Bevollmächtigte zwar ermächtigt

  • zu entscheiden, dass lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen nicht beendet werden.

Nicht ermächtigt ist der Bevollmächtigte in einem solchen Fall aber

  • zur Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (vgl. § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB) und
  • auch nicht zur Entscheidung, dass lebenserhaltende Maßnahmen unterbleiben oder beendigt werden (vgl. § 1904 Abs. 2 BGB).

Will ein Betroffener seinem Bevollmächtigten auch das Recht einräumen in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff bei Vorliegen der in § 1904 Abs. 1 und 2 BGB genannten besonderen Gefahrensituation einzuwilligen, nicht einzuwilligen oder die Einwilligung zu widerrufen,

  • muss er im Vollmachttext hinreichend klar umschreiben, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen,
  • wobei aus der Vollmacht auch deutlich werden muss, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann (vgl. § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB).

Übrigens:
Zwar bedarf eine Maßnahme im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1904 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB), wenn zwischen einem entscheidungsbefugten Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, welche Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen nach § 1901 a Abs. 1 und 2 BGB entspricht, so dass beispielsweise das Betreuungsgericht in einem solchen Fall einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch etwa einer künstlichen Ernährung als lebensverlängernder Maßnahme ohne weitere gerichtliche Ermittlungen ablehnen und ein sogenanntes Negativattest erteilen müsste, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist.
Andererseits wird dadurch, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Bevollmächtigten bei der Entscheidungsfindung stattfindet, auch dem Schutz eines Betroffenen vor einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse des Bevollmächtigten Rechnung getragen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16 – hingewiesen.

Fehlt einem gekauften PKW ein angegebenes Ausstattungsmerkmal kann der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sein

Wer im Internet einen PKW zum Verkauf anbietet und dort im Rahmen der Fahrzeugbeschreibung auf ein bestimmtes Ausstattungsmerkmal hinweist, über das das Fahrzeug verfügt, kann sich,

  • wenn das im Internet angegebene Ausstattungsmerkmal fehlt und der Käufer das Fehlen rügt,
  • diesem gegenüber nicht darauf berufen, dass das Ausstattungsmerkmal in dem Bestellformular nicht erwähnt ist, das er dem Käufer übersandt und dieser ausgefüllt hat.

Vielmehr kann der Verkäufer in einem solchen Fall zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sein, wenn

  • der Verkäufer eine Nachbesserung ablehnt oder
  • eine solche technisch nicht möglich ist.

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.07.2016 – 28 U 2/16 – in einem Fall entschieden,

  • in dem der Kläger bei dem beklagten Autohaus einen von diesem über eine Internetplattform zum Verkauf unter Hinweis auf das Ausstattungsmerkmal “Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ angebotenen BMW X1 sDrive 18d (EZ 09/2012), nach fernmündlicher Kontaktaufnahme und Unterzeichnung eines von dem Autohaus übersandten Bestellformulars, in dem das vorgenannte Ausstattungsmerkmal nicht erwähnt war, zum Kaufpreis von ca. 21.200 Euro erworben,
  • das Fahrzeug aber tatsächlich über keine werkseitige Freisprecheinrichtung verfügt hatte.

Begründet hat der Senat die Entscheidung damit,

  • dass, wenn in einer im Internet veröffentlichten Fahrzeugbeschreibung des zum Verkauf angebotenen Fahrzeugs ein Ausstattungsmerkmal aufgeführt ist, der Käufer dies als Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstehen sowie erwarten darf, dass das Fahrzeug über dieses Ausstattungsmerkmal verfügt und
  • der Verkäufer sich von einer solchen im Vorfeld des Vertragsschlusses gemachten konkreten Angabe zur Beschaffenheit des Fahrzeugs nur dann distanzieren kann, wenn er gegenüber dem Kaufinteressenten vor dem Vertragsschluss eindeutig klarstellt, dass das Ausstattungsmerkmal doch nicht vorhanden ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 09.08.2016).

Was ein Fahrzeugeigentümer, dessen Auto durch Steinschlag beschädigt worden ist, wissen sollte

Der Eigentümer eines Autos, dessen Fahrzeug durch auf eine öffentliche Straße rollendes Gestein beschädigt wird, kann Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens von dem Träger der Straßenbaulast verlangen, wenn dieser seine Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Allerdings liegt auch bei einer bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Straße eine Verkehrssicherungspflichtverletzung normalerweise dann nicht vor, wenn die Strecke

  • mit dem Warnschild „Steinschlaggefahr“ versehen und
  • im Rahmen der Vorsorge gegen die Steinschlaggefahr fortlaufend beobachtet worden war (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht (OLG) Jena, Urteil vom 21.03.2000 – 3 U 653/99 –).

Eine Verpflichtung zu weiteren Maßnahmen, die über engmaschige Kontrollen von Steinschlägen betroffenen und mit einem entsprechenden Warnschild versehenen Strecken durch einen Straßenwärter hinausgehen, besteht nämlich

  • auch bei bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Strecken nur dann,
  • wenn mit einer Gefährdung durch Steinschlag als naheliegend zu rechnen ist.

Darauf und

  • dass Anhaltspunkte für eine solche naheliegende Gefährdung, die Anlass für weitere Maßnahmen des Verkehrssicherungspflichtigen hätten sein können, von dem Geschädigten nachgewiesen werden müssen,

hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 10.06.2016 – 22 O 688/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg Nr. 15/2016 vom 10.08.2016).

Wann kann die Unterlassung einer nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung verlangt werden und wann nicht?

Tatsachenbehauptungen die wahr sind müssen in der Regel hingenommen werden (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 3487/14 – sowie zur Abgrenzung wann eine Tatsachenbehauptung und wann ein Werturteil vorliegt BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 2732/16 –).

Nicht dagegen hingenommen werden müssen in der Regel

  • bewusst unwahre oder
  • erwiesenermaßen falsche

Tatsachenbehauptungen, weil es

  • für deren Verbreitung in der Regel keinen Rechtfertigungsgrund gibt und
  • deshalb die Meinungsfreiheit bei der Äußerung grundsätzlich hinter das Persönlichkeitsrecht zurücktritt.

Bei Tatsachenbehauptungen, die

  • weder erweislich wahr
  • noch erwiesenermaßen unwahr sind,

bei denen der Verbreiter die Wahrheit seiner Behauptung also nur nicht beweisen kann (sog. non liquet),

  • ist eine Abwägungsentscheidung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht zu treffen.

Für diesen Fall der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen,

  • deren Wahrheitsgehalt nicht festgestellt werden kann,

kann

  • trotz der über § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in das zivilrechtliche Äußerungsrecht übertragbaren Beweisregel des § 186 Strafgesetzbuch (StGB), die dem Verbreiter die Beweislast für die Wahrheit der das Persönlichkeitsrecht eines anderen beeinträchtigenden Tatsachenbehauptung auferlegt,

das Grundrecht der Meinungsfreiheit einem generellen Vorrang des Persönlichkeitsrechts entgegenstehen.

Jedenfalls in Fällen,

  • in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht,

kann auch eine möglicherweise unwahre Behauptung denjenigen, die sie aufstellen oder verbreiten,

  • so lange nicht untersagt werden, wie sie im Vorfeld hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt haben.

Je schwerwiegender die aufgestellte Behauptung in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Erfüllung der Sorgfaltspflicht, wobei

  • sich der Umfang der Sorgfaltspflichten nach dem jeweiligen Einzelfall richtet und
  • den Aufklärungsmöglichkeiten der Äußernden und
  • für Äußerungen der Presse strenger ist als für Äußerungen von Privatpersonen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.06.2009 – 1 BvR 134/03 – und vom 23.02.2000 – 1 BvR 456/95 –).

Im Fall äußerungsrechtlicher Unterlassungsbegehren kann die Wahrheitspflicht zudem über die Verpflichtung hinausgehen, alle Nachforschungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Wird offenbar, dass die Wahrheit einer persönlichkeitsverletzenden Behauptung sich nicht erweisen lässt, ist es zuzumuten,

  • auch nach Abschluss umfassender Recherchen kenntlich zu machen,
  • wenn verbreitete Behauptungen durch das Ergebnis eigener Nachforschungen nicht gedeckt sind oder kontrovers beurteilt werden.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG mit Beschluss vom 28.06.2016 – 1 BvR 3388/14 – hingewiesen.