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Was Fluggäste wissen sollten, wenn sie wegen Flugverspätung einen Anschlussflug nicht erreichen

Anspruch auf die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) haben

Endziel

  • ist der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein,
  • bei direkten Anschlussflügen ist der Zielort des letzten Fluges maßgebend.

Dass ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn das die Verspätung (und damit die Nichterreichung des Anschlussfluges) verursachende Luftfahrtunternehmen für beide Flüge

  • einen Flugschein oder
  • eine Buchungsbestätigung

ausgegeben hat, hat der EuGH mit Urteil vom 26.02.2013 – C-11/11 – bereits entschieden.

Noch nicht hinreichend geklärt ist dagegen die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch auch dann besteht, wenn ein Fluggast, der eine Pauschalreise gebucht hat,

  • wegen einer relativ geringfügigen Ankunftsverspätung einen direkten Anschlussflug nicht erreicht und
  • dies eine Verspätung von drei Stunden und mehr am Endziel zur Folge hat,
  • die beiden Flüge aber von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen ausgeführt wurden und
  • die Buchungsbestätigung durch ein Reiseunternehmen erfolgte, das die Flüge für seinen Kunden zusammengestellt hat?

Der unter anderem für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH

  • neigt zwar dazu, auch in einem solchen Fall einen Ausgleichsanspruch zu bejahen,
  • ist aber der Auffassung, dass sich dieses Ergebnis aus dem maßgeblichen europäischen Recht nicht hinreichend sicher ableiten lässt und

hat deshalb mit Beschluss vom 19.07.2016 – X ZR 138/15 – dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt,

  • ob ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung auch bei einer solchen Fallgestaltung bestehen kann (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 127/2016 vom 19.07.2016).

Wie Straftäter Konten von Online-Banking-Kunden, die das sog. mTAN-Verfahren nutzen, leerräumten

In einem vor dem Landgericht (LG) Osnabrück verhandelten Fall hatten, nach den Feststellungen des Gerichts, mehrere Angeklagte, in wechselnder Beteiligung, Konten von Kunden der Postbank, die für das Online-Banking das sog. mTAN-Verfahren nutzten, abgeräumt, in dem sie,

  • nach Ausspähung der Kontodaten der Postbankkunden mittels einer Schadsoftware („Trojaner“),
  • sich, um die für Überweisungen erforderlichen Transaktionsnummern (TAN), die per SMS an die Mobilfunknummern der Kunden geschickt werden, zu erhalten, sog. Multi-Sim-Karten oder Ersatz-Sim-Karten zu den Mobilfunkanschlüssen der jeweiligen Bankkunden besorgt, den SMS-Verkehr auf diese Karten umgeleitet und

die so erhaltenen TAN zur Überweisung von Guthaben der Bankkunden von deren Tagesgeld- oder Sparkonten auf die jeweiligen Girokonten und von dort auf Konten der von ihnen angeheuerten „Geldwäscher“ genutzt hatten.

Der von den Angeklagten auf diese Weise verursachte Schaden betrug ca. 790.000,00 €.

Wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges mittels „mTAN-Phishing“ und anderer Delikte hat die 15. Große Strafkammer des LG Osnabrück mit Urteil vom 15.07.2016 – 15 KLs 12/14 –

  • die beiden Haupttäter zu Gesamtfreiheitsstrafen von 6 Jahren und 6 Monaten sowie von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt sowie
  • fünf weitere, in unterschiedlicher Form an den Taten der Haupttäter Beteiligte, zu Freiheitsstrafen zwischen 1 Jahr und 6 Monaten und 2 Jahren und 6 Monaten (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück 22/16 vom 18.07.2016).

Wie ist das bei einem Grenzüberbau? Wann muss er beseitigt und wann muss er geduldet werden?

Ob derjenige, der ein Gebäude über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm dies vom Nachbarn gestattet worden war, den Überbau beseitigen muss oder nicht, ist in § 912 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt.

In dieser Vorschrift ist bestimmt, dass,

  • wenn dem Überbauenden weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann,
  • der Nachbar den zwar Überbau dulden muss, er aber durch eine Geldrente zu entschädigen ist,
    • die in aller Regel deutlich geringer ist als eine Pacht oder eine Nutzungsentschädigung und
    • für deren Höhe die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend ist.

Das gilt nicht nur,

  • wenn die Grundstücksgrenze bei Errichtung eines Gebäudes überschritten wird,
  • sondern auch, wenn dies bei einem späteren Um- oder Ausbau geschieht.

Handelt es bei dem „Überbau“ um einen

  • teilweise oder vollständig auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäudeanbau, beispielsweise eine Veranda,

hängt die entsprechende Anwendung von § 912 BGB ab,

  • von den mit dem Abbruch des Anbaus verbundenen Folgen für das auf dem Grundstück des Überbauenden stehende Gebäude, also davon, welche Folgen ein Abbruch des Anbaus für das Gebäude des Überbauenden hätte und
  • ob er vorsätzlich oder grob fahrlässig über die Grenze gebaut hat.

Übrigens:
Hat der Nachbar solche Anbauten auf seinen Grundstück widerruflich gestattet ist er zu deren Duldung nur bis zu einem Widerruf verpflichtet.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15.07.2016 – V ZR 195/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 124/2016 vom 15.07.2016)

Was ein Internetanschlussinhaber wissen sollte wenn er wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird

Wer als Inhaber eines Internetanschlusses von einem Rechteinhaber wegen einer Urheberrechtsverletzung nach § 97a Urheberrechtsgesetz (UrhG) abgemahnt und/oder nach § 97 UrhG auf Unterlassung und/oder auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, beispielsweise weil über die, seinem Internetanschluss zugeordnete IP-Adresse, widerrechtlich ein Musikalbum zum Download für Dritte zur Verfügung gestellt worden ist, muss wissen,

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist,

Daraus wiederum folgt, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen, eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers,

  • der, wenn er die Rechtsverletzung nicht begangen hat, geltend machen muss,
  • dass nicht er, sondern eine andere Person die Rechtsverletzung begangen haben müsse.

Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

Der Anschlussinhaber genügt vielmehr der von der Rechtsprechung entwickelten sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt,

  • ob andere Personen und
  • wenn ja, welche Personen im relevanten Zeitraum selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen;
  • in diesem Umfang kann der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare).

Hat der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast genügt und

  • durch schlüssigen Gegenvortrag die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung dafür erschüttert, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist – wofür schlüssiger Gegenvortrag ausreicht -,
  • ist es – wenn also keine tatsächliche Vermutung (mehr) für eine Täterschaft des Anschlussinhabers spricht – wiederum Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

Aus den neueren Urteilen des BGH vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 –, – I ZR 7/14 – und – I ZR 75/14 – folgt nichts anderes.

Übrigens:
Als sog. Störer auf Aufwendungsersatz in Anspruch genommen werden kann ein Anschlussinhaber, der nicht als Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung haftet, nur, wenn er Prüfpflichten verletzt hat, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und in wieweit ihm als Störer nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus und Pressemitteilung zum Urteil des BGH vom 12.05.2016 – I ZR 86/15 – wonach den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht trifft).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Charlottenburg mit Urteil vom 08.06.2016 – 231 C 65/16 – hingewiesen.

Was LKW-Fahrer, denen ein Abstandsverstoß vorgeworfen wird, wissen sollten

Wer einen Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t oder einen Kraftomnibus führt, muss nach § 4 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

  • auf Autobahnen zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen Mindestabstand von 50 m einhalten,
  • wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt.

Für einen fahrlässigen Verstoß gegen diese Vorschrift über den Abstand sieht die Bußgeldkatalogverordnung bei gewöhnlichen Tatumständen eine Regelgeldbuße von 80 Euro vor.

Diese in der Bußgeldkatalogverordnung für einen fahrlässigen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 StVO vorgesehene Regelgeldbuße kann nach Auffassung des Amtsgerichts (AG) Lüdinghausen (vgl. Urteil vom 04.02.2013 – 19 OWi 239/12, 19 OWi – 89 Js 1877/12 – 239/12 – sowie Beschluss vom 20.06.2016 – 19 OWi 87/16, 19 OWi – 89 Js 891/16 – 87/16 –)

  • dann auf 35 Euro und damit auf eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze für das Fahreignungsregister (FAER) reduziert werden,

wenn ein Grenzfall des Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 StVO vorliegt,

  • h., ein LKW-Fahrer den Abstand bei einer Geschwindigkeit von knapp über 50 km/h unterschritten hat und
  • gleichzeitig der für PKW laut BKatV maßgebliche „Halbe-Tacho-Abstand“ eingehalten worden ist,
    • also wenn beispielsweise bei einer Geschwindigkeit von 59 km/h der Abstand zum Vordermann 32 m betragen hat.

Das AG Lüdinghausen sieht, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, darin besondere Umstände, die eine Herabsetzung der Regelgeldbuße ermöglichen.

Grundstücksbesitzer darf Falschparker abschleppen lassen

Ein privater Grundstücksbesitzer

  • ist in der Regel berechtigt, einen Pkw, der auf einer als Privatparkplatz gekennzeichneten Parkfläche abgestellt worden ist, sofort abschleppen zu lassen,
  • muss hierbei, solange die Maßnahme erforderlich ist, um die Besitzstörung durch den Falschparker zu beenden – anders als eine staatliche Stelle – die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht beachten und
  • kann von dem Falschparker als Schadensersatz die ortsüblichen Abschleppkosten verlangen.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 02.05.2016 – 122 C 31597/15 – entschieden (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 05.06.2009 – V ZR 144/08 –; vom 02.12.2011 – V ZR 30/11 –; vom 06.07.2012 – V ZR 268/11 –; vom 21.09.2012 – V ZR 230/11 –; vom 04.07.2014 – V ZR 229/13 – sowie vom 18.12.2015 – V ZR 160/14 –).

Begründet hat das AG dies u.a. damit,

  • dass durch das Abstellen eines Fahrzeugs auf einem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück Eigentum und Besitz des Grundstückeigentümers bzw. -besitzers verletzt werden,
  • dass darin eine verbotene Eigenmacht und ein teilweiser Besitzentzug liegen (§§ 858, 859 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und
  • dass, wer entsprechende Schilder, die auf die private Nutzung hinweisen, missachtet, auch schuldhaft handelt (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Das hat die Pressestelle des AG München am 15.07.2016 – 55/16 – mitgeteilt.

Wann und wie haften Hundehalter bei einem Gerangel zwischen ihren Hunden?

Kommt es zu einem Gerangel zwischen zwei Hunden, in dessen Rahmen

  • der Halter des einen Hundes von dem anderen Hund gebissen wird,

so ist die

  • – sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten äußernde –

typische Tiergefahr des Hundes des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 20.12.2005 – VI ZR 225/04 –; vom 25.03.2014 – VI ZR 372/13 – und vom 27.01.2015 – VI ZR 467/13 –)

  • Eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr können dabei bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize – wie beispielsweise der von läufigen Hündinnen ausgehende Duft – darstellen.

An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es nämlich insbesondere nur dann,

  • wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist (BGH, Urteil vom 25.03.2014 – VI ZR 372/13 –) – was bei einem Gerangel zwischen zwei Hunden, die ihrer tierischen Natur entsprechend aufeinander einwirken, nicht der Fall ist – oder
  • wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (BGH, Urteil vom 20.12.2005 – VI ZR 225/04 –).

Ist die typische Tiergefahr des Hundes des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden,

  • muss der Geschädigte sich dies entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mindernd auf seinen (jedenfalls) dem Grunde nach bestehenden Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB gegen den Halter des schädigenden Hundes anrechnen lassen,
  • wobei für die entsprechend § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Tierhalter es sodann darauf ankommt, mit welchem Gewicht konkret sich das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential in der Schädigung manifestiert hat.

Ausgeschlossen ist eine Anspruchsminderung wegen mitwirkender Tiergefahr allerdings dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend dann,

  • wenn der Halter des schädigenden Hundes dem Geschädigten auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 31.05.2016 – VI ZR 465/15 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem der Kläger, während er seinen Hund, einen Labrador-Mischling, an der Leine spazieren führte,

von dem Hund der Beklagten, einem Golden Retriever, gebissen worden war,

  • nachdem sich dieser durch eine etwa einen Meter hohe Hecke, durch die das Grundstück der Beklagten von dem Weg abgegrenzt war, gezwängt hatte,
  • auf den Kläger und dessen Hund zugerannt und
  • es zu einem Gerangel sowie einem Kampf zwischen den Hunden gekommen war.

Was Erben und Pflichtteilsberechtigte wissen sollten wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hatte

Gemäß § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat,

  • als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen,
  • um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Nach § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB wird die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt,

  • so dass kein Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen einer Schenkung mehr besteht,
  • wenn die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls abgelaufen ist.

Für den Beginn der Zehnjahresfrist ist abzustellen,

  • auf den Eintritt des Leistungserfolges,
  • bei Grundstücken also auf die Umschreibung im Grundbuch.

Allerdings liegt eine Leistung im Sinne erst dann vor,

  • wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt,
  • sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Nicht als geleistet gilt eine Schenkung, wenn

  • der Eigentümer zwar seine Rechtsstellung formal aufgibt, wirtschaftlich aber weiterhin im „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes bleibt,
  • der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung also nicht auch tatsächlich entbehren muss.

Wird bei einer Schenkung daher der Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten, ist der „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben worden.

Ob auch dann, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vorbehält, wie ein Nießbrauch den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hindert, lässt sich nicht abstrakt beantworten. Maßgebend hierfür, ob dies der Fall ist oder nicht, sind die Umstände des Einzelfalles, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 – hingewiesen.

Kann auch wegen älterer Mietrückstände ein Wohnraummietverhältnis noch fristlos gekündigt werden?

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat dies bejaht und mit Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 296/15 – in einem Fall,

  • in dem der Vermieter einer Wohnung das Mietverhältnis mit dem Mieter, weil dieser die Mieten für die Monate Februar und April 2013 schuldig geblieben war, nach einer erfolglosen Mahnung vom 14.08.2013 mit Schreiben vom 15.11.2013 wegen der weiterhin offenen Mietrückstände fristlos gekündigt hatte,

die bislang in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfrag dahingehend entschieden,

  • dass eine auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützte fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nicht gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam ist, wenn sie aufgrund älterer Mietrückstände erfolgt.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass die fristlose Kündigung von Mietverhältnissen in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt ist,
  • diese Vorschriften, die im Einzelnen die Modalitäten der fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses regeln, keine Zeitspanne vorsehen, innerhalb derer die Kündigung auszusprechen ist und
  • neben diesen speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht § 314 Abs. 3 BGB, wonach der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, keine Anwendung findet.

Da es eine zeitliche Schranke für den Ausspruch der fristlosen Kündigung somit nicht gibt, kann das Recht zur fristlosen Kündigung im Einzelfall allenfalls verwirkt sein, wobei jedoch die Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen, nämlich ein berechtigtes Vertrauen des Mieters, dass der Vermieter von seinem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen werde (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 120/2016 vom 13.07.2016).

Welche Anforderungen sind an die Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht zu stellen?

Für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB und § 281 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) genügt es, wenn der Käufer

  • durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder
  • durch vergleichbare Formulierungen

deutlich macht, dass dem Verkäufer für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht,

  • ohne dass es dabei der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-) Termins bedarf.

Darauf hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem die Klägerin bei der Betreiberin eines Küchenstudios eine Einbauküche bestellt und den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hatte, weil

  • nach dem Einbau wichtige Bereiche der Einbauküche nicht oder nur bedingt funktionierten und
  • die verlangte Mängelbeseitigung durch die Küchenstudiobetreiberin ausgeblieben war.

Eine ausreichende Fristsetzung kann danach auch ein Nachbesserungsverlangen enthalten, in dem die Mängel konkretisiert werden und um „schnelle Bearbeitung“ gebeten wird.

Auch darf der Käufer eine objektiv zu kurze Nachbesserungsfrist dann als angemessen ansehen, wenn sie ihm vom Verkäufer selbst vorgeschlagen worden ist (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 121/2015 vom 13.07.2016).