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Wichtig zu wissen wenn es sich bei einer vermittelten Versicherung um eine Nettopolice handelt

Worüber sowie in welcher Form der Versicherungsnehmer in einem solchen Fall von dem Versicherungsvermittler aufgeklärt werden muss und wann dem Versicherungsnehmer ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Belehrung zusteht, den er einem Vergütungszahlungsverlangen des Versicherungsvermittlers entgegen halten kann.

Handelt es sich bei einem von einem Versicherungsvertreter vermittelten Versicherungsvertrag um eine sog. Nettopolice, d. h., um einen Versicherungsvertrag bei dem die Versicherungsgesellschaft keine Vermittlungsprovision für die Vermittlungstätigkeit einkalkuliert und auszahlt, sondern zwischen dem Versicherungsvermittler und dem Versicherungsnehmer eine gesonderte Vergütungsvereinbarung geschlossen wird,

  • aufgrund der der Versicherungsnehmer zur Zahlung der Vergütung an den Versicherungsvertreter auch im Falle der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages verpflichtet ist,
  • ist der Versicherungsvertreter seinerseits verpflichtet, den Versicherungsnehmer darauf deutlich hinzuweisen, dass dieser auch dann zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt, wenn der Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet wird (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.12.2013 – III ZR 124/13 –).

Dieser Hinweis unterliegt auch der besonderen Dokumentationspflicht des § 61 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 62 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), da Sinn und Zweck der Beratungs- und Dokumentationspflichten eine Anwendung von § 61 VVG auch auf die gesonderte Vergütungsvereinbarung gebieten.

Sogenannte Nettopolicen sind für den Versicherungsnehmer in den Fällen vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrags in besonderer Weise wirtschaftlich nachteilig, weil dieser – anders als bei einer herkömmlichen Bruttopolice – auch zur Zahlung der noch nicht getilgten Abschlusskosten verpflichtet bleibt.

  • Während bei einer Bruttopolice der Versicherungsnehmer auch bei vorzeitiger Beendigung einen Teil der von ihm eingezahlten Beiträge zurückerhält,
  • kann es bei der Nettopolice in sogenannten Frühstornofällen dazu kommen, dass der Versicherungsnehmer nicht nur keine Rückzahlung erhält, sondern darüber hinaus weitere Beträge zahlen muss, um die Forderung aus der Vergütungsvereinbarung zu bedienen.

Der Versicherer und der Vermittler, die eine Nettopolice vertreiben, müssen deshalb den Versicherungsnehmer ausführlich und nachvollziehbar über diesen Unterschied und die daraus folgende Schlechterstellung des Versicherungsnehmers im Falle eines Frühstornos aufklären müssen (vgl. hierzu Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2013 – 12 U 85/13 –; Landgericht (LG) Saarbrücken, Urteil vom 16.04.2013 – 14 S 11/12 –).
Mit dem Sinn und Zweck der §§ 59ff VVG, eine ausreichende Information und Beratung des Versicherungsnehmers zu gewährleisten, wäre es nicht vereinbar, wenn ausgerechnet die Beratung über die für den Versicherungsnehmer potentiell besonders nachteilige gesonderte Vergütungsvereinbarung nicht der Dokumentationspflicht unterläge.

  • Die Beweislast für die Verletzung der Pflicht zu einer hinreichend deutlichen Aufklärung über die Folgen einer Nettopolicenvereinbarung liegt grundsätzlich beim Versicherungsnehmer,
  • wobei den Vermittler eine sekundäre Darlegungslast trifft.

Der Vermittler muss also konkret darlegen,

  • wie er im Einzelfall beraten bzw. aufgeklärt hat.

Der Versicherungsnehmer muss dann den Nachweis führen,

  • dass diese Darstellung nicht zutrifft.

Verletzt der Vermittler allerdings seine Pflicht, den erteilten Rat und seine Gründe hierfür zu dokumentieren, ist es gerechtfertigt,

  • diesem das Beweisrisiko aufzuerlegen und
  • dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zuzubilligen.

Insbesondere besteht dann die Vermutung, dass eine nicht dokumentierte Beratung tatsächlich nicht vorgenommen wurde.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, spricht eine weitere tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Versicherungsnehmer bei gehöriger Belehrung nicht für eine Nettopolice entschieden hätte.

Hat ein Versicherungsvermittler die ihm obliegende Belehrungspflicht verletzt, steht dem Versicherungsnehmer ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Belehrung zu, den er einem Vergütungszahlungsverlangen des Versicherungsvermittlers gemäß § 242 BGB (dolo agit – Einwendung) entgegen halten kann.

Darauf hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 24.3.2016 – 12 U 144/15 – hingewiesen.

Was ist unter „Bauwerk“ i.S.d. kauf- und werkvertragsrechtlichen Verjährungsvorschriften zu verstehen?

Wann ist eine Kaufsache i.S.v. § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „für ein Bauwerk verwendet worden“ und wann handelt es sich um Arbeiten „bei einem Bauwerk“ i.S.v. § 634a BGB?

Ein Bauwerk i.S. der §§ 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB ist

  • eine unbewegliche,
  • durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache.

Von der Vorschrift erfasst sind

  • nicht nur Neuerrichtungen von Bauwerken,
  • sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem errichteten Gebäude,
    • wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und
    • wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 09.10.2013 – VIII ZR 318/12 – zum Kauf von Einzelteilen einer Photovoltaikanlage, die der Käufer auf dem bereits vorhandenen Dach einer Scheune angebracht hat und vom 20.12.2012 – VII ZR 182/10 – zur Erneuerung eines Trainingsplatzes mit Rollrasen).

Der Ausdruck „Bauwerk“ beschreibt dabei nach der Auslegung, die er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 638 Abs. 1 BGB aF (jetzt § 634a Abs. 1 BGB) erfahren hat,

  • nicht nur die Ausführung des Baus als Ganzem,
  • sondern auch die Herstellung der einzelnen Bauteile und Bauglieder, und zwar unabhängig davon, ob sie äußerlich als hervortretende, körperlich abgesetzte Teile in Erscheinung treten (BGH, Urteile vom 20.05.2003 – X ZR 57/02 –).

Daraus folgt, dass eine Kaufsache aus verschiedenen Gründen als „für ein Bauwerk verwendet“ angesehen werden kann, nämlich dann,

  • wenn sie selbst als Bauwerk einzustufen ist, oder
  • wenn sie Bauteil oder Bauglied einer Sache ist, die ihrerseits die Kriterien eines Bauwerks erfüllt, und schließlich,
  • wenn die Sache, deren Teil oder Glied die Kaufsache ist, zwar selbst kein Bauwerk ist, jedoch ihrerseits Bauteil oder Bauglied eines Bauwerks ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2003 – X ZR 57/02 – zum Vertrag über die Fertigung der Steuerungsanlage für die Pelletieranlage einer Mühle).

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 24.02.2016 – VIII ZR 38/15 – hingewiesen.

Auch sog. Wegeunfähigkeit kann Anspruch auf Erwerbsminderungsrente begründen

Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entscheidet, wann davon auszugehen ist, dass ein gesetzlich Versicherter wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung seine Arbeitsstelle nicht mehr zumutbar erreichen kann und ihm deswegen auf seinen Antrag Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt werden muss.

Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sind nach § 43 Absatz 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) voll erwerbsgemindert.

Da neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz zur Erwerbsfähigkeit auch die sog. Wegefähigkeit gehört, d.h., das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, ist auch der Versicherte voll erwerbsgemindert, der wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung – ggf. unter Verwendung von Hilfsmitteln (z.B. Gehstützen) – nicht in der Lage ist,

  • vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß zu bewältigen und
  • zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmitteln zu benutzen oder
  • mit einem eigenen Kfz zur Arbeit zu fahren (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2011 – B 13 R 79/11 R –).

Darauf hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.03.2016 – L 13 R 2903/14 – hingewiesen und deshalb in einem Fall, in dem ein Versicherter

  • wegen einer Augenerkrankung mit dem ausgeprägten Gesichtsfeldausfall ohne Begleitperson keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und
  • wegen der starken Sehbehinderung eine Wegstrecke von 500 m nicht in der üblicherweise veranschlagten Zeit von 20 Minuten sicher absolvieren konnte,

entschieden,

  • dass dem Versicherten auf seinen Antrag hin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren ist.

Wenn das Gesetz für einen bestimmten Anspruch verschiedene Verjährungsfristen vorsieht

Bundesgerichtshof (BGH) klärt die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für die Verjährung eines Anspruchs trägt, wenn, wie in § 438 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), für die Verjährung des Mängelanspruchs verschieden lange Verjährungsfristen vorgesehen sind.

Der Schuldner, der sich auf den Eintritt der Verjährung als rechtsvernichtenden Umstand beruft, ist

  • darlegungs- und beweisbelastet dafür,
  • dass die Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Verjährungsvorschrift vorliegen (BGH, Urteile vom 20.05.2003 – X ZR 57/02 – und vom 19.01.2006 – III ZR 105/05 –).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das Gesetz für einen bestimmten Anspruch je nach Fallgestaltung verschieden lange Verjährungsfristen vorsieht (BGH, Urteil vom 20.05.2003 – X ZR 57/02 – zur Beweislast bei § 638 Abs. 1 BGB aF). Dementsprechend hat der X. Zivilsenat des BGH entschieden, dass zugunsten eines Unternehmers, der sich auf eine kürzere der in § 638 Abs. 1 BGB aF alternativ geregelten Verjährungsfristen (sechs Monate; bei Arbeiten an einem Grundstück ein Jahr; bei Bauwerken fünf Jahre) beruft, ein früherer Ablauf der Verjährungsfrist nur dann anzunehmen ist, wenn auszuschließen ist, dass das vom Unternehmer zu erstellende Werk der Herstellung eines Bauwerks diente (BGH, Urteil vom 20.05.2003 – X ZR 57/02 –).

  • Nichts anderes hat für die kaufrechtlichen Verjährungsregelungen des § 438 Abs. 1 BGB zu gelten.

Sieht das Gesetz verschiedene Verjährungsfristen für einen Gewährleistungsanspruch des Käufers vor,

  • so hat der Verkäufer, der sich auf den Eintritt der Verjährung beruft (§ 214 Abs. 1 BGB), darzulegen und zu beweisen,
  • dass keiner der vom Gesetzgeber als vorrangig aufgeführten Tatbestände einer längeren Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 BGB) vorliegt.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 438 Abs. 1 BGB

  • eine Rangfolge von Verjährungsfristen aufgestellt.
  • Die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB soll nach dem im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nur „im Übrigen“ eingreifen, also nur dann, wenn kein vorrangiger Verjährungstatbestand Geltung beansprucht.

Daher hat der, der sich auf den Ablauf der kürzeren Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beruft, was in der Regel der in Anspruch genommene Verkäufer sein wird, darzulegen und zu beweisen, dass die vorrangige Verjährungsregelung des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB nicht zum Zuge kommt, also die Sache

  • entweder nicht in einem Bauwerk verwendet wurde
  • oder sie entgegen ihrer üblichen Verwendungsweise hierfür verwendet wurde.

Hinsichtlich der primären Darlegungslast des Verkäufers

  • zum Nichteingreifen des Verjährungstatbestands des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB

dürfen dabei allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
Ein Sachvortrag zur Begründung eines rechtsvernichtenden Umstands ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, den geltend gemachten Einwand als bestehend erscheinen zu lassen.
Dabei ist es unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Beschluss vom 11.05.2010 – VIII ZR 212/07 –).
Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29.02.2012 – VIII ZR 155/11 –). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Verkäufers zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die erhobene Verjährungseinrede (§ 214 Abs. 1 BGB) vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 29.02.2012 – VIII ZR 155/11 –).
Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es, sofern ein Beweisantritt erfolgt ist, Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.

  • Falls ein Verkäufer nicht in der Lage sein sollte, die beschriebenen (geringen) Darlegungsanforderungen bezüglich der Ausräumung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB zu erfüllen, wird zu prüfen sein, ob und inwieweit den Käufer eine sekundäre Darlegungslast trifft.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 24.02.2016 – VIII ZR 38/15 – hingewiesen.

Wann haftet die Bank wenn Online-Banking-Nutzer auf Phishing-Email hereinfällt?

Das nach einer erfolgreichen Phishing-Attacke ohne seine Autorisierung (vgl. § 675j Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) von seinem Girokonto überwiesene Geld kann ein Nutzer des Online-Banking-Verfahrens von seiner Bank aus § 675u Satz 2 BGB erstattet verlangen, wenn er die Abbuchung

  • durch lediglich einfache Fahrlässigkeit ermöglicht hat,
  • nicht dagegen, wenn ihm grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt

und darüber, ob ein Verhalten als nur einfach fahrlässig oder schon als grob fahrlässig zu werten ist, kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein.

Deshalb lässt sich auch über das Urteil des Amtsgerichts (AG) Frankfurt am Main vom 24.03.2016 – 32 C 3377/15 – streiten, das das Verhalten eines Nutzers des Online-Banking-Verfahrens in einem Fall als grob fahrlässig angesehen und demzufolge in einem Fall,

  • in dem der Nutzer des Online-Banking-Verfahrens, auf eine relativ professionell aussehende Phishing-Email hin seine Zugangsdaten zum Telefonbanking übermittelt hatte, indem er der Aufforderung, aus Sicherheitsgründen unter Benutzung eines im Emailanhang mit übersandten Formulars seine Telefonbanking-PIN zu ändern, Folge geleistet und
  • es dadurch unbekannten Betrügern ermöglicht hatte, von seinem Girokonto Geld zu überweisen,

entschieden hat,

  • dass die Bank dem Kunden das ohne seine Autorisierung von seinem Konto abgebuchte Geld seinem Konto nicht (wieder) gutschreiben oder erstatten muss.

Begründet wurde dies vom AG damit,

  • dass in sämtlichen Medien regelmäßig von Phishing-Attacken berichtet wird, mit denen meist unbekannt bleibende Täter durch Emails versuchen, Kunden von Banken zur Eingabe von sensiblen Daten, insbesondere zur Eingabe einer PIN zu bewegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.02.2015 – 31 U 31/15 –; LG Essen, Urteil vom 04.12.2014 – 6 O 339/14 –),
  • aufgrund dessen ein Bankkunde, der auf eine bloße Emailanweisung sicherheitsrelevante Daten einschließlich der Telefonbanking-PIN außerhalb geschützter Kommunikationswege online weitergibt, seine sich aus § 675l Satz 1 BGB ergebenden Pflichten grob fahrlässig verletzt,
  • somit der Bank in einem solchen Fall gegen den Kunden, weil dieser durch grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten die nicht autorisierten Überweisungen herbeigeführt hat, ein Schadensersatzanspruch aus § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 675l BGB zusteht und
  • die Bank diesen Schadensersatzanspruch dem aufgrund der nicht autorisierten Überweisung begründeten Erstattungs- bzw. Gutschriftenanspruch des Kunden aus § 675u Satz 2 BGB i.V.m. § 675j Abs. 1 BGB mit der Folge entgegenhalten kann, dass sie berechtigt ist, die Rückerstattung des abgebuchten Betrages zu verweigern.

Virus- bzw. Keiminfektion während einer Pauschalreise (k)ein Reisemangel?

Amtsgericht München entscheidet, wann nach erstem Anschein davon ausgegangen werden kann, dass für eine Virus- und Keimepidemie von Gästen das Hotel verantwortlich ist und wann nicht.

Erkrankt ein Reisender während einer gebuchten Pauschalreise im Hotel liegt ein Reisemangel nur dann vor,

  • wenn die Ursache im Verantwortungsbereich des Reiseunternehmens liegt,
  • was im Streitfall der erkrankte Reisende nachweisen muss, der wegen seiner Erkrankung gegen den Reiseveranstalter Schadensersatzansprüche geltend machen, beispielsweise den Reispreis ganz oder teilweise zurückverlangen, eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und/oder Schmerzenzgeld möchte.

Handelt es sich bei der Erkrankung um eine Virusinfektion und sind von dem Virus auch andere Hotelgäste befallen, die alle an denselben Krankheitssymtomen leiden, kann davon, dass für diese Virus- und Keimepidemie das Hotel verantwortlich ist nach dem erstem Anschein erst dann ausgegangen werden,

  • wenn nachgewiesen ist,
  • dass mindestens 10 Prozent der Gäste daran erkrankt sind.

Liegt die Krankenquote, d.h. der prozentuale Anteil der erkrankten Gäste im Aufenthaltszeitraum des Klägers bzw. Anspruchstellers unter 10 Prozent scheidet ein Anscheinsbeweis aus, da

  • während einer Reise eine Vielzahl von Ansteckungsmöglichkeiten besteht, zum Beispiel beim Kontakt mit anderen Personen oder aufgrund von verunreinigtem Meerwasser am Strand und
  • eine Infektion sich insoweit als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos darstellt.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 12.05.2015 – 283 C 9/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem im Aufenthaltszeitraum des erkrankten Klägers höchstens 140 der 1600 Hotelgäste an denselben Krankheitssymptomen, nämlich starkem Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Kopfschmerzen sowie massiven Magen-Darm-Beschwerden litten, was einem Prozentsatz von 8,75 entsprach,

die Klage abgewiesen, weil

  • nicht feststand, dass die Ursache der Erkrankungen im Verantwortungsbereich des Reiseunternehmens gelegen hat,
  • nachdem auch die Untersuchungen von entnommenen Proben der Nahrungsmittel sowie des Leitungswassers, der Getränkeautomaten, der Eiswürfelbereiter, der Eismaschine sowie des Poolwassers auf etwaige Krankheitserreger negativ verlaufen waren.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts am 08.04.2016 – 28/16 – mitgeteilt.

Wenn einem Kranken nur noch Cannabis hilft

Bundesverwaltungsgericht entscheidet wann der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ausnahmsweise erlaubnisfähig ist bzw. sein kann.

Strafbar nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) macht sich u.a., wer Betäubungsmittel ohne Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
Eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis kann das BfArM nach § 3 Abs. 2 BtMG nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.
Ist Cannabis für die medizinische Versorgung eines Schwerkranken notwendig, weil die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung seiner Beschwerden führt und diesem gegenwärtig kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung steht, kann

  • die Behandlung eines Schwerkranken mit selbst angebautem Cannabis ausnahmsweise im öffentlichen Interesse liegen und
  • sofern keine Versagungsgründe nach § 5 BtMG entgegenstehen,
  • wegen der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit das BfArM verpflichtet sein, dem Kranken eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen.

Darauf hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.14 – im Fall eines seit 1985 an Multipler Sklerose Erkrankten hingewiesen, der die Symptome seiner Erkrankung bereits seit etwa 1987 durch die regelmäßige Einnahme von Cannabis behandelt hatte und zuletzt im Januar 2005 vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes und Anbaus von Betäubungsmitteln freigesprochen worden war, weil das Strafgericht, mangels einer anderen ihm zur Verfügung stehenden Therapiealternative sein Handeln als gerechtfertigt angesehen hatte.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 06.04.2016 – Nr. 26/2016 – mitgeteilt.

Wie sichtbar müssen Halteverbotszeichen aufgestellt sein?

Bundesverwaltungsgericht präzisiert, welche Anforderungen der so genannte Sichtbarkeitsgrundsatz im ruhenden Verkehr an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen und an die dabei von den Verkehrsteilnehmern zu beachtende Sorgfalt stellt.

Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr, wie beispielsweise Halteverbotszeichen, müssen,

  • gleichgültig ob der von der Regelung betroffene Verkehrsteilnehmer sie tatsächlich wahrnimmt oder nicht,

befolgt werden, wenn sie so aufgestellt sind, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer

  • bei Einhaltung der nach § 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder
  • durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres

erkennen kann, dass durch ein Verkehrszeichen ein Ge- oder Verbot angeordnet ist.

  • Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nur verpflichtet, wenn hierfür ein Anlass besteht.

Darauf hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.15 – hingewiesen und den Fall eines Autofahrers,

  • der sein Fahrzeug in einem durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen 283 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO als absolutes Haltverbot ausgeschilderten Straßenbereich geparkt hatte,
  • dessen Fahrzeug daraufhin umgesetzt worden war und
  • der sich mit der Begründung, dass die Halteverbotszeichen nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen und daher nicht wirksam bekanntgemacht worden seien, gegen die ihm auferlegte Gebühr für die Umsetzung seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 125 € gewandt hatte,

an das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurückverwiesen, das nunmehr noch ergänzende Feststellungen dazu treffen muss, ob das Haltverbotszeichen entsprechend dem obigen Sichtbarkeitsgrundsatz aufgestellt war oder nicht.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 06.04.2016 – Nr. 27/2016 – mitgeteilt.

Wenn im Online-Archiv einer Zeitung Altmeldungen über Personen zum Abruf bereitgehalten werden

Kann bzw. wann kann ein von solchen Berichten Betroffener die Löschung verlangen?

Wird im Online-Archiv einer Tageszeitung ein nicht mehr aktueller Beitrag (Altmeldung) zum Abruf bereitgehalten,

  • in dem beispielsweise über den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit einem – später nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellten Ermittlungsverfahren berichtet und
  • in dem der Beschuldigte – durch Namen – identifizierbar bezeichnet wird,

hängt die Frage, ob dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch (Löschungsanspruch) aus § 823 Abs. 1, § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zusteht, davon ab,

  • ob das Bereithalten der angegriffenen Wortbeiträge zum Abruf im Internet einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellt,
    • was bei einer Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten grundsätzlich der Fall ist, weil dadurch ein mögliches Fehlverhalten des Betroffenen öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert wird (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 –; vom 18.11.2014 – VI ZR 76/14 – sowie vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 –) und
    • woran auch die Tatsache nichts zu ändern vermag, dass über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde, da alleine der Umstand, dass über vergangene strafrechtliche Ermittlungen gegen den Betroffenen berichtet wird, die Gefahr birgt, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (BGH, Urteile vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 – und vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 –) und
  • ob, falls der Beitrag einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt, es sich hierbei um einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt, was dann der Fall ist,
    • wenn die Abwägung des Rechts des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der anderen Seite auf Meinungs- und Medienfreiheit ergibt,
    • dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 –; vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 – und vom 15.12.2009 – VI ZR 227/08 –).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Berichterstattung ist im Rahmen der Abwägung dabei von erheblicher Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in den angegriffenen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2009 – VI ZR 227/08 –),

  • was bedeutet, dass, wenn es sich um eine Verdachtsberichterstattung handelt, auch die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein müssen (BGH, Urteile vom 30.01.1996 – VI ZR 386/94 –; vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 –; vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07 –; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 – und vom 18.11.2014 – VI ZR 76/14 –).

Ist dies nicht der Fall, ist das Bereithalten der Beiträge zum Abruf in einem Online-Archiv grundsätzlich unzulässig, soweit der Beschuldigte weiterhin identifizierbar bezeichnet bzw. dargestellt ist.

Handelt es sich nicht nur um eine Text-, sondern auch um eine Bildberichterstattung gilt in Bezug auf Bilder, die den Betroffenen zeigen, Folgendes:

Ein einen Betroffenen identifizierend darstellendes Bild darf zum Abruf im Internet,

  • sofern der Betroffene nicht eingewilligt hat (§ 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz (KUG)),

nur dann bereitgehalten werden,

  • wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG; zur Beurteilung ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist vgl. BGH, Urteile vom 09.02.2010 – VI ZR 243/08 –; vom 07.06.2011 – VI ZR 108/10 – und vom 08.03.2012 – VI ZR 125/12 –) und
  • wenn durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Anderenfalls steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2010 – VI ZR 243/08 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 16.02.2016 – VI ZR 367/15 – hingewiesen.

Unfallflucht nach entstandenem Fremdsachschaden

Wann droht in einem solchen Fall dem unfallflüchtigem Führer eines Kraftfahrzeugs der Entzug der Fahrerlaubnis und wann nicht?

Die vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandes des § 142 Strafgesetzbuch (StGB), d. h. das vorsätzliche unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist zwar strafbar, hat aber nicht automatisch auch den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge.

  • Die Fahrerlaubnis kann vielmehr nur dann entzogen werden, wenn die weiteren Voraussetzung des §§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift ist ein unfallflüchtiger Führer eines Kraftfahrzeugs in der Regel dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er auch

  • gewusst hat oder
  • hätte wissen können,

dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Demzufolge kommt der Entzug der Fahrerlaubnis nur in Betracht, wenn der Unfallflüchtige

  • von der unfallbedingten Verursachung eines bedeutenden Schadens wusste oder
  • vorwerfbar nicht wusste.

Allein aus der nachträglichen Feststellung eines bedeutenden Schadens ergibt sich nicht ohne weiteres, dass dieser auch der Höhe nach bei laienhafter Betrachtung erkennbar war.

  • Entscheidend ist vielmehr, dass der Unfallflüchtige die objektiven Umstände erkennen konnte, die die rechtliche Bewertung des Schadens als bedeutend begründen.

Dazu, ab wann ein Sachschaden als bedeutend i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 StGB anzusehen ist, werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Ein Fremdschaden unter 1000 € wird von den meisten Gerichten noch nicht als bedeutend erachtet, ein Fremdsachschaden ab 1.300,00 € von vielen Gerichten aber schon (Landgericht (LG) Krefeld, Beschluss vom 23.03.2016 – 21 Qs-13 Js 170/16-47/16 –; Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschlüsse vom 06.11.2014 – 5 RVs 98/14 – und vom 30.09.2010 – 3 RVs 72/10 –; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013 – 3 Ws 225/13 –; OLG Hamburg, Beschluss vom 08.03.2007 – 2 Ws 43/07 –; Thüringer OLG, Beschluss vom 14.02.2005 – 1 Ss 19/05 –; OLG Dresden, Beschluss vom 12.05.2005 – 2 Ss 278/05 –; vgl. auch Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 28.09.2010 – 4 StR 245/10 –).

Liegen die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 StGB für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vor, muss ein unfallflüchtige Kraftfahrzeugführer allerdings mit der Verhängung eines Fahrverbots nach § 44 Abs. 1 StGB von ein bis drei Monaten rechnen.