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Wenn Sanierungsarbeiten in einer Wohnungseigentumsanlage erforderlich sind

Nach § 21 Abs. 4 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen,

  • die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

 

Die Vornahme konkreter Maßnahmen kann er dagegen nur verlangen, wenn

 

Nach § 21 Abs. 3 bis 5 WEG haben die Wohnungseigentümer durch entsprechende Beschlussfassung die Grundlagen für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zu schaffen.

Eine erforderliche Erstbeschlussfassung

  • können bzw. müssen einzelne Eigentümer – notfalls mit der Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG – herbeiführen,
  • wobei in Notfällen auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2011 – V ZR 146/10 –).

 

Die Umsetzung der gefassten Beschlüsse ist (dann) Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Liegt ein bestandskräftiger ablehnender Erstbeschluss vor, ist dieser nach § 21 Abs. 4, § 23 Abs. 4 WEG die Grundlage der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, und zwar auch, wenn er inhaltlich falsch sein sollte (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 –).

Der Wohnungseigentümer muss in diesem Fall ggf. eine Änderung des bestandskräftigen Beschlusses herbeiführen, auf die er auch Anspruch hat, wenn schwerwiegende Gründe – etwa eine erhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – das Festhalten an dem Beschluss als treuwidrig erscheinen lassen und der bestehende Zustand in seinem Sinne verändert werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 220/12 –).

  • Für Schäden, die einem Wohnungseigentümer dadurch entstehen, dass die übrigen Wohnungseigentümer zwingend gebotene und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen nicht oder erst verzögert beschließen, sind die Wohnungseigentümer (als Gesamtschuldner) ersatzpflichtig,
  • Für Defizite bei der Umsetzung der gefassten Beschlüsse haftet dagegen allein der Verband (BGH, Urteile vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 – und vom 17.10.2014 – V ZR 9/14 –).

 

Allerdings kann, wenn von einem einzelnen Wohnungseigentümer eigenmächtig Maßnahmen zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums veranlasst worden sind,

  • die ohnehin hätten beschlossen oder vorgenommen werden müssen und
  • zu einer Verbesserung und damit zu einer Wertsteigerung des Gemeinschaftseigentums geführt haben,

 

dem Wohnungseigentümer ein Bereicherungsanspruch zustehen und zwar auch dann, wenn

 

Wer in einem derartigen Fall Schuldner eines solchen, ggf. in Betracht kommenden Bereicherungsanspruchs ist, bestimmt sich nach den vorrangigen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes.
Danach kommt es entscheidend darauf an,

  • ob die Maßnahme eines Beschlusses der Wohnungseigentümer bedurfte und
  • ob dieser vorlag.

 

Schuldner sind

  • deshalb anteilig (vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 167/14 –) die Wohnungseigentümer, wenn die Maßnahme hätte beschlossen werden müssen, aber nicht beschlossen war, weil, solange der Verband zur Vornahme der Maßnahme nicht verpflichtet ist, er regelmäßig nicht unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen bereichert sein kann,
  • ansonsten – nämlich wenn sie beschlossen war oder wenn ein Beschluss nach der Teilungserklärung entbehrlich und die Maßnahme unverzüglich durchzuführen war – die Gemeinschaft, weil sich die Zahlungsverpflichtungen der Wohnungseigentümer dann ausschließlich nach den mitzubeschließenden (dazu BGH, Urteil vom 08.07.2011 – V ZR 176/10 –) Modalitäten der Aufbringung der dafür erforderlichen Mittel bestimmen und im Übrigen nach § 16 Abs. 2 WEG.

 

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 246/14 – hingewiesen.

 

Verurteilung allein aufgrund der Zeugenaussage des Tatopfers?

Wird eine Tat vom Tatopfer selbst in einer Zeugenaussage geschildert, so kann der Angeklagte aufgrund dieser Aussage auch dann verurteilt werden, wenn keine weiteren belastenden Indizien vorliegen.
Ist der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Tatopfers überzeugt, steht der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ einer Verurteilung in einem solchen Fall nicht entgegen.
Die Beweiswürdigung und damit auch die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist nämlich allein Sache des Tatrichters.
Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und Zeugenaussagen zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend sein, es genügt, dass sie möglich sind.

Wird ein Angeklagter verurteilt und legt er gegen das Urteil Revision ein, können die Revisionsrichter, was die Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung betrifft, nur überprüfen, ob dem Tatrichter dabei Fehler unterlaufen sind und rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung des Tatrichters nur, wenn sie

 

Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.

Allerdings werden, wenn die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft eines Angeklagten allein auf der Aussage des einzigen Opferzeugen beruht, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen gestellt.
In solchen Fallkonstellationen müssen die schriftlichen Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst hat der Tatrichter einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen.

Macht der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter mit diesem Umstand auseinandersetzen und regelmäßig darlegen, dass und aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen haben.
Darüber hinaus ist es in Fällen,

  • in denen die Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung in wesentlichen Teilen von seinen früheren Angaben abweichen, geboten,
  • jedenfalls die entscheidenden Teile seiner Aussagen in den schriftlichen Urteilsgründen wiederzugeben, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2011 – 1 StR 114/11 – und Beschluss vom 24.04.2014 – 5 StR 113/14 –).

 

Fehlt es an einer aus sich heraus verständlichen, zusammenhängenden Darstellung der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung, die eine Überprüfung

  • der Aussagequalität und
  • der Aussagekonstanz sowie
  • eine Auseinandersetzung mit den festgestellten, auch das Kerngeschehen betreffenden Abweichungen durch das Revisionsgericht ermöglicht,

 

sind die Beweiserwägungen zur Glaubhaftigkeit der Angaben eines Zeugen lücken- und damit rechtsfehlerhaft.

Ebenfalls lückenhaft sind

  • bei kindlichen Zeugen die Feststellungen und Erwägungen zur Aussageentstehung,
  • wenn der Tatrichter nicht erkennbar erwogen hat, ob Anhaltspunkte für eine suggestive Beeinflussung des Kindes durch Dritte bestehen, die den Inhalt ihrer Zeugenaussage beeinflusst haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2014 – 5 StR 113/14 –).

 

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 02.09.2015 – 2 StR 101/15 – hingewiesen.

 

Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung müssen vereinbarte zukünftige Sondertilgungsrechte von Darlehensnehmern berücksichtigt werden

Die Klausel in einem Darlehensvertrag zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher, nach der

  • im Falle vorzeitiger Vollrückzahlung des Darlehens
  • zukünftige Sondertilgungsrechte des Kunden bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unberücksichtigt bleiben,

 

ist unwirksam.

Darauf hat der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 19.01.2016 – XI ZR 388/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem von einer Sparkasse grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehen an Verbraucher vergeben und den Kreditnehmern hierbei Sondertilgungsrechte innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums eingeräumt worden waren,

 

entschieden, dass die in den „Besonderen Vereinbarungen“ dieser Darlehensverträge enthaltene Bestimmung 

  • „Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt“,

 

der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht standhält.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass

  • die Auslegung einer solchen umfassend formulierten Regelung ergibt, dass sie aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden jedenfalls auch bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages durch den Darlehensnehmer infolge der Ausübung seiner berechtigten Interessen nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB Anwendung findet,
  • die Klausel auf der Grundlage dieser Auslegung von der gesetzlichen Regelung des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB zum Nachteil des Darlehensnehmers abweicht, weil danach ersatzfähig nur die durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzte rechtlich geschützte Zinserwartung ist, die generelle Nichtberücksichtigung vereinbarter künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung damit zu einer von der Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation des Kreditinstituts führt und die Klausel den Kreditnehmer aufgrund dessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 19.01.2016 – Nr. 14/2016 – mitgeteilt.

 

Wenn der Straßenbelag nicht mehr griffig genug ist und ein Motorradfahrer deswegen stürzt

Ist der Fahrbahnbelag einer Straße nicht mehr griffig genug und deswegen nicht mehr gewährleistet, dass auch ordnungsgemäß fahrende Motorradfahrer den Streckenabschnitt bei Nässe gefahrlos passieren können, kann,

  • wenn aufgrund dieser Gefahrenquelle ein Motorradfahrer stürzt,
  • der Träger der Straßenbaulast wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haften.

 

Darauf hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.12.2015 – 11 U 166/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Motorradfahrer 2012 bei regennasser Fahrbahn gestürzt und dabei an seinem Motorrad ein Sachschaden in Höhe von ca. 2.100 Euro entstanden war,

 

entschieden,

  • dass das von ihm verklagte Land wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dem Motorradfahrer – unter Berücksichtigung der ihm anzurechnenden Betriebsgefahr des Motorrades – 75% seines Schadens ersetzen muss.

 

Begründet hat der sachverständig beratene Senat seine Entscheidung damit,

  • dass unfallursächlich die fehlende Griffigkeit des Fahrbahnbelags im Bereich der Unfallstelle war,
  • die ungenügende Griffigkeit bereits 2008 im Rahmen einer Straßenzustandserhebung festgestellt worden und
  • dem Landesbetrieb Straßenbau auch spätestens seit dem Jahr 2010 bekannt war,
  • das Land somit gehalten gewesen wäre, im Bereich der Unfallstelle durch eine Beschilderung auf die bei Nässe bestehende Schleuder- und Rutschgefahr hinzuweisen sowie die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Nässe auf maximal 30 km/h zu begrenzen und

 

das beklagte Land bereits deswegen haftet, da diese Beschilderung vorwerfbar unterlassen worden war.

Ob das beklagte Land darüber hinaus auch gehalten gewesen wäre, den betreffenden Fahrbahnabschnitt baulich zu sanieren, ließ der Senat offen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 19.01.2016 mitgeteilt.  

 

Beim Fußballspiel: Wann haften Spieler für die Verletzungen von gegnerischen Mitspielern?

Da im Rahmen eines kämpferisch ausgetragenen Fußballspiels zwischen den Spielern weitgehende Haftungsfreistellungen gelten,

  • führen auch schwerwiegende Verletzungen nicht notwendig zu einem Schadensersatzanspruch des verletzten Spielers,
  • sondern nur dann, wenn ein vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Regelverstoß vorgelegen hat.

 

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 27.10.2015 – 23 O 58/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem der Kläger kurz vor dem Abpfiff eines Verbandsjuniorenspiels bei einem Zusammentreffen mit dem in der gegnerischen Mannschaft spielenden Beklagten einen doppelten Kieferbruch erlitten und deshalb u.a. Schmerzensgeld in mittlerer vierstelliger Höhe verlangt hatte, die Klage abgewiesen, weil

  • trotz der Anhörung der Parteien und der Vernehmung mehrerer Zeugen nicht genau geklärt werden konnte, was in den letzten Sekunden des Spiels tatsächlich geschehen war,
  • der Kläger den Nachweis des erforderlichen Regelverstoßes damit nicht erfolgreich hatte führen können und
  • darüber hinaus auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten des beklagten Gegenspielers ersichtlich waren, selbst wenn ein regelwidriges Verhalten vorgelegen haben sollte.

 

In dem Fall war vom Kläger

  • vorgebracht geworden, dass, nachdem er als Torhüter den Ball mit beiden Armen sicher vor der Brust gehalten und mit dem Oberkörper darauf gelegen habe, vom Beklagten aus Frust mit voller Wucht gegen den Kopf getreten worden sei und es sich hierbei um keine im Spiel gerechtfertigte Härte mehr, sondern eine vorsätzliche Körperverletzung, jedenfalls aber einen grob fahrlässigen Regelverstoß gehandelt habe.

 

Der Beklagte

  • hatte schon einen Regelverstoß bestritten und behauptet, dass der Kläger den Ball nicht sicher gehalten habe, sondern mit Oberkörper, Kopf und Händen voraus in Richtung des etwa einen Meter vor ihm liegenden Balles gesprungen, er, der Beklagte jedoch schneller am Ball gewesen, zum Schuss gekommen und der Kläger dabei unglücklicherweise getroffen worden sei, entweder von seinem Fuß oder vom Ball.

 

Durch den Schiedsrichter

  • war eine Ahndung des Vorfalles nicht erfolgt.

 

In seiner Entscheidung hat das LG u.a. ausgeführt, dass

  • Fußball ein Kampfspiel mit erhöhtem Gefährdungspotential ist, bei dem es nicht selten beim gemeinsamen Kampf um den Ball zu Verletzungen kommt,
  • die Spieler sich dieser erhöhten Verletzungsgefahr bewusst sind und
  • angesichts der Hektik und Eigenart des Fußballspiels,

 

Spieler für die Verletzungen von gegnerischen Mitspielern

  • nicht schon haften, wenn sie mit einfacher Fahrlässigkeit gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen, sondern
  • nur dann haften, wenn ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß vorliegt,
    • wobei die Beweislast für den erforderlichen schuldhaften Regelverstoß beim Verletzten liegt und
    • zur Bewertung von Regelverstößen die Regeln des Deutschen Fußballbundes heranzuziehen sind (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 15.01.2016 – Nr. 2/2016 –).

 

Nottestament vor drei Zeugen bei naher Todesgefahr

Gemäß § 2250 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Erblasser,

  • der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass er seinen letzten Willen voraussichtlich nicht mehr vor einem Notar (vgl. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) oder dem Bürgermeister (vgl. § 2249 BGB) beurkunden lassen kann,
  • sein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.

 

Dabei gehört zu den zwingenden Erfordernissen für den Errichtungsakt auch

  • die Aufnahme einer Niederschrift (§ 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB),
  • die von den Zeugen unterschrieben werden muss (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Beurkundungsgesetz (BeurkG) und § 2249 Abs. 1 S. 5 BGB).

 

Das Mitwirken von drei und nicht nur von zwei Zeugen ist unerlässlich für die Formwirksamkeit eines Testamentes gemäß § 2250 Abs. 2 BGB. Denn bei einem solchen Nottestament, bei dem wegen naher Todesgefahr weder ein Notar (§ 2232 BGB) noch ein Bürgermeister (§ 2249 BGB) hinzugezogen werden kann, übernehmen drei Zeugen die Beurkundungsfunktion.
Die Zeugen werden

  • hier nicht von einer Beurkundungsperson als zusätzliche Überwachungs-, Schreib- oder Genehmigungszeugen zugezogen,
  • sondern das Testament wird vor ihnen selbst errichtet.

 

Damit treten sie gewissermaßen an die Stelle der Amtsperson und übernehmen die Beurkundungsfunktion. Das bedeutet, dass alle drei Zeugen für die richtige Auffassung der Erklärung des Erblassers verantwortlich sind.
Zu diesem Zweck müssen Sie

  • gemeinsam bei der Erklärung zugegen sein und
  • diese anhören.
  • Darüber hinaus obliegt Ihnen die Verantwortung dafür, dass der erklärte letzte Wille zutreffend im Sinne des Erblassers schriftlich niedergelegt wird.

 

Um das zu gewährleisten, ist die Verlesung der über die letztwillige Erklärung aufzusetzenden Niederschrift angeordnet (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 BeurkG), damit der Erblasser alsdann zum Ausdruck bringen kann, ob er bei der Abgabe seine Erklärungen richtig verstanden worden ist und ob die angefertigte Niederschrift seinem letzten Willen entspricht.
Ist das der Fall, dann muss der Erblasser die Niederschrift durch ausdrückliche Erklärung oder auf sonstige Weise genehmigen.
Dabei kann sich die Notwendigkeit ergeben, ein Zeichen oder eine Gebärde des Erblassers entweder im Sinne einer Zustimmung oder als Ablehnung zu deuten.
Hierzu sind wiederum anstelle einer Urkundsperson die drei Zeugen berufen, denen damit eine weitere, besondere Kontrollfunktion übertragen ist.

Erst wenn der Erblasser die Niederschrift nach der übereinstimmenden Beurteilung der drei Zeugen genehmigt hat, steht mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit fest, dass ihr Inhalt der Erklärung über den letzten Willen entspricht.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das Verlesen und die Genehmigung der Niederschrift durch den Erblasser ein ebenso wesentlicher Bestandteil der Testamentserrichtung wie die Abgabe der letztwilligen Erklärung selbst, und der Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 2250 Absatz 2 BGB erfordert demgemäß zur Gültigkeit des Nottestaments in gleicher Weise wie bei der Erklärung des Erblassers auch bei dem Verlesen und der Genehmigung der Niederschrift die Anwesenheit sämtlicher drei Zeugen.
Für diese Mitwirkung der Zeugen

  • genügt es nicht, dass sie die Erklärungen des Erblassers nur hören und richtig wiedergeben können,
  • sondern sie müssen auch die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung bei der Testamentserrichtung gehabt haben.

 

Als mitwirkende Zeugen können deshalb nur Personen gelten,

  • die zur Mitwirkung herangezogen worden sind oder
  • von sich aus ihrer Bereitwilligkeit zur Mitwirkung und die Übernahme der damit verbundenen Verantwortung erklärt haben.

 

Es genügt deshalb nicht, wenn neben zwei mitwirkenden Zeugen eine weitere Person bei der Errichtung des Testamentes zugegen war und die Erklärungen des Erblassers mit angehört hat, wenn sie nicht zugleich das Bewusstsein und den Willen hatte, für den Vorgang als dritter Zeuge mit verantwortlich zu sein.

Haben von den drei mitwirkenden Zeugen nur ein Zeuge oder zwei Zeugen die aufgenommene Niederschrift unterschrieben, dann ist dieser Mangel gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament die Erklärung des Erblassers zuverlässig wiedergibt.
Denn bei der fehlenden Unterschrift eines Zeugen handelt es sich um einen Formfehler, der „bei Abfassung der Niederschrift“ über die Errichtung des Testamentes unterlaufen ist, und der unter den Voraussetzungen des § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich ist.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin mit Beschluss vom 29.12.2015 – 6 W 93/15 – hingewiesen.

 

Auch bei nachbarschaftlichen Gefälligkeiten ist Haftung nicht ausgeschlossen

Wer absprachegemäß in der urlaubsbedingten Abwesenheit seines Nachbarn die Bewässerung von dessen Hausgarten übernimmt und

  • dabei durch leicht fahrlässiges Verhalten, beispielsweise weil er vergisst den Wasserhahn abzudrehen, einen Wasserschaden verursacht, für den die Gebäude- und Hausratsversicherung des Nachbarn eintritt,
  • kann von der Versicherung in Regress genommen werden.

 

Aus dem Nachbarschaftsverhältnis ergibt sich in diesen Fällen keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 17.11.2015 – 9 U 26/15 – hingewiesen und in einem Fall wie dem obigen, in dem die Klägerin den bei ihr versicherten Nachbarn aus der Gebäude- und Hausratversicherung für den vom Beklagten verursachten Wasserschaden ca. 7.300 Euro erstattet hatte, entschieden, dass die Klägerin den Erstattungsbetrag von dem haftpflichtversicherten Beklagten ersetz verlangen kann.

Seine Entscheidung hat der Senat damit begründet,

  • dass der Klägerin zwar vertragliche Ansprüche ihres Versicherungsnehmers aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht nicht zustehen, weil die Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn während dessen längeren Abwesenheit zu den alltäglichen unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten im Rahmen einer intakten nachbarschaftlichen Gemeinschaft gehört,
  • der Beklagte allerdings deliktsrechtlich nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 86 VVG für den verursachten Schaden haftet, weil er es versäumt hat, den Wasserhahn zu schließen und
  • ein Haftungsverzicht für leicht fahrlässiges Verhalten nicht angenommen werden kann, da daran weder der Beklagte noch sein Nachbar gedacht hatten.

 

Eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz lasse sich, wie der Senat weiter ausgeführt hat,

  • weder allein aus dem guten Nachbarschaftsverhältnis ableiten,
  • noch kann die von dem Bundesgerichtshof (BGH) entwickelte Rechtsprechung zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei leicht fahrlässig verursachten Schäden am Gebäude durch den Mieter auf Fälle der vorliegende Art übertragen werden (BGH, Urteile vom 13.09.2006 – IV ZR 26/04 und IV ZR 116/05 –).

 

Wann haftet Gebäudeversicherer für Frostschäden im unbewohnten Ferienhaus?

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 23.12.2015 – 5 U 190/14 – in einem Fall,

  • in dem ein Eigentümer eines Ferienhauses, nachdem Anfang Februar, als Minustemperaturen im zweistelligen Bereich herrschten, in seinem zu dieser Zeit nicht bewohntem Ferienhaus nach dem Ausfall der Heizungsanlage (Baujahr 2009) mehrere Leitungen und Heizkörper geplatzt waren, es dadurch zu einem erheblichen Wasserschaden gekommen war und
  • der Eigentümer des Ferienhauses deswegen von seinem Gebäudeversicherer Zahlung einer Entschädigung in Höhe von rd. 11.000,-€ verlangt hatte,

 

seiner Klage im wesentlichen stattgegeben.

Der Gebäudeversicherer haftete für den in dem Ferienhaus entstandenen Frostschaden, da aufgrund der Beweisaufnahme feststand,

  • dass die Ventile der Heizkörper zumindest auf der sog. Sternstufe gestanden waren sowie
  • von einem von dem Kläger beauftragten Ehepaar zwei Mal die Woche in dem Ferienhaus alles überprüft, insbesondere auch die Heizungsanlage kotrolliert worden war und

 

der Kläger deshalb nach Auffassung des 5. Zivilsenats des OLG Oldenburg keine vertraglichen Obliegenheiten verletzt hatte.

Der Senat begründete dies damit, dass das Ferienhaus aufgrund der Heizkörperventileinstellung ausreichend beheizt und gegen Frost gesichert und die Heizungsanlage auch ausreichend kontrolliert worden war.
Bei einer Heizungsanlage aus dem Jahr 2009 reicht danach eine zwei Mal wöchentlich erfolgende Kontrolle aus.
Denn eine Heizungsanlage sei nur so häufig zu kontrollieren, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein reibungsloses Funktionieren gewährleistet werden könne und eine Heizung so häufig zu kontrollieren, dass es auch bei einem plötzlichen Ausfall der Anlage nicht zu einem Frostschaden kommen könne, obliege einem Versicherungsnehmer nicht.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgericht Oldenburg am 18.01.2016 mitgeteilt.

 

Allgemeine Unkostenpauschale bei der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden

Typischerweise entstehen durch Unfallereignisse Auslagen wie Telefon-, Porto- und Fahrkosten kleineren Umfangs.
Soweit solche Aufwendungen nicht im Einzelnen belegt werden können, dürfen sie im Rahmen einer Unfallkostenpauschale beansprucht werden.
Dazu, wie hoch diese allgemeine Unkostenpauschale ist, die ein Geschädigter ohne Darlegung der getätigten Aufwendungen beanspruchen, werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten.

 

Pro Unfallereignis kann nur eine Pauschale erstattet werden, ohne dass es auf die Anzahl der bei dem Unfall beschädigten Gegenstände ankommt, da auch in Fällen, wo mehrere Schadensgruppen betroffen sind, keine gesonderten Unkostenpauschalen erstattet werden.

Sofern tatsächlich höhere Kosten entstanden sein sollten, ist es dem Geschädigten unbenommen, seine Unkosten konkret zu belegen und abzurechnen (vgl. hierzu OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 08.02.2011 – 22 U 162/08 –; AG Brandenburg, Urteil vom 08. Januar 2016 – 31 C 111/15 – und allgemein zur Zuerkennung von Unkostenpauschalen Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11 –).

 

Absehen von an sich verwirktem Regelfahrverbot nach qualifiziertem Rotlichtverstoß?

Überquert ein Autofahrer unter Missachtung des schon länger als eine Sekunde andauernden Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ohne anzuhalten eine Kreuzung deshalb,

  • weil die für den parallelen Fußgängerverkehr geltende Lichtzeichenanlage bei seiner Annäherung an die Kreuzung auf Grün umgeschaltet und er diese Lichtzeichenanlage mit der für ihn und seine Fahrtrichtung geltende Lichtzeichenanlage verwechselt hat,

 

kann er nicht damit rechnen, dass das deswegen mit Bußgeldbescheid wegen fahrlässig begangener Nichtbeachtung einer schon länger als eine Sekunde andauernden Rotphase einer Lichtzeichenanlage (so genannter qualifizierter Rotlichtverstoß) gemäß § 24 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7; 49 Abs. 3 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), neben einer Geldbuße, festgesetzte einmonatige Regelfahrverbot im gerichtlichen Verfahren wegfällt.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg im Beschluss vom 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15 – hingewiesen.

Für den Wegfall des verwirkten Regelfahrverbots aufgrund eines sogenannten „Augenblicksversagens“ ist danach in einem solchen Fall kein Raum.
Denn ein sog. Augenblicksversagen, welches ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, scheidet in Fällen grober Pflichtverletzung von vornherein aus und im Falle einer Verwechslung einer Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage kann schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden. Bei der Verpflichtung zur Unterscheidung einer Fußgängerampel und der für den Kraftfahrer maßgeblichen Ampel handelt es sich nämlich um eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer in jeder Lage ohne weiteres bewältigen muss. Eine derartige Verwechslung lässt – wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten – nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betroffenen zu, bei der ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht gerechtfertigt ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2015 – 3 Ss OWi 900/15 –).