Blog

Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB bei Wohnflächenabweichung

Eine Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB hat auf der Basis der tatsächlichen Wohnfläche zu erfolgen,

  • unabhängig davon, ob im Mietvertrag eine abweichende Wohnfläche angegeben und
  • wie hoch die Abweichung von der tatsächlichen Wohnfläche ist.

 

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung mit Urteil vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 – entschieden.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit,  

  • dass es im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB dem Vermieter ermöglicht werden soll eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen und
  • deshalb für den Vergleich allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgeblich ist, während etwaige Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen können, da sonst nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierte Umstände berücksichtigt würden.

 

Hingewiesen hat der Senat auch,

  • dass er an seiner früheren Rechtsprechung, wonach der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen muss, wenn die Abweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt, nicht mehr festhält,
  • dass im umgekehrten Fall, wenn die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben ist, der Vermieter die Miete gemäß § 558 BGB ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen (niedrigeren) Wohnfläche erhöhen kann und
  • neben der Berücksichtigung der wirklichen Wohnungsgröße im Rahmen der allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften (§ 558 BGB) – das heißt unter Beachtung der Kappungsgrenze – für den Vermieter keine weitere Möglichkeit der einseitigen Mietanpassung besteht, da sich, nachdem die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche regelmäßig in die Risikosphäre des Vermieters fällt, aus einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag noch kein Anwendungsfall eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergibt.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem im Mietvertrag die Wohnfläche mit 156,95 qm und die monatliche Miete mit 811,81 DM angegeben war, die tatsächliche Wohnfläche aber 210,43 qm betrug,

  • hatte die Vermieterin vom Mieter die Zustimmung zur Erhöhung der derzeitigen Bruttokaltmiete von 629,75 € auf insgesamt 937,52 € mit der Begründung verlangt, nach den allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften zu einer Erhöhung der momentan geschuldeten Miete um 15 % (94,46 €) sowie darüber hinaus wegen der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um 33,95 % zu einer entsprechenden weiteren Anhebung berechtigt zu sein und
  • war von dem beklagten Mieter, wie der VIII. Zivilsenat des BGH entschied, zurecht nur einer Mieterhöhung um 94,46 € zugestimmt worden.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.11.2015 – Nr. 189/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn Fahrzeugkäufer vom Kaufvertrag zurücktritt

Tritt der Käufer eines ihm überlassenen Fahrzeugs wegen Fahrzeugmängeln vom Kaufvertrag zurück und verlangt er vom Verkäufer Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs, ist im Streitfall

  • gemäß § 29 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auch örtlich zuständig das für den Wohnsitz des Käufers örtlich zuständige Amts- bzw. Landgericht,
  • wenn sich das Fahrzeug im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts am Wohnsitz des Käufers befindet.

 

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 27.10.2015 – 28 U 91/15 – entschieden (anderer Auffassung Landgericht (LG) Tübingen, Urteil vom 17.09.2015 – 5 O 68/15 –).

Begründet hat der 28. Zivilsenat des OLG Hamm seine Entscheidung damit, dass,

  • wenn nicht anders vereinbart ist, für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes der Ort maßgeblich ist, an dem der Kaufvertrag im Falle eines zu Recht erklärten Rücktritts rückabzuwickeln ist,
  • bei einem Fahrzeugkauf, bei dem dem Käufer das Fahrzeug bereits übergeben worden ist, der Käufer nach der Ausübung seines Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat, sondern dieser Anspruch vom Verkäufer vielmehr nur Zug um Zug gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs zu erfüllen ist,  
  • der Verkäufer dabei in einem solchen Fall verpflichtet ist, ein mangelhaftes Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts befindet und
  • er nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei dieser Gelegenheit der Fahrzeugabholung dann auch Zug um Zug seine Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises soll.

 

Sturz eines Radfahrers nach dem Anbellen durch einen Hund

Nach § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) haftet der Halter eines Tieres, das kein Nutztier ist, auch dann für Schäden, die ein Dritter durch ein Tier erleidet, wenn den Tierhalter kein Verschulden trifft.

  • Voraussetzung für diese Gefährdungshaftung ist allerdings, dass sich eine sog. „spezifische Tiergefahr“ verwirklicht hat.

 

Ob dies der Fall ist kann bei menschlichen Schreckreaktionen problematisch sein.

  • Sind solche Schreckreaktionen – gemessen an der Bevölkerungsgruppe des Verletzten – als Reaktion auf das Verhalten eines Tieres noch verständlich und nachvollziehbar, haftet der Tierhalter.
  • Reagiert ein Betroffener dagegen völlig unverständlich und überzogen, ist er für seinen dann eintretenden Schaden selbst verantwortlich.

 

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Coburg mit Urteil vom 28.08.2015 – 12 C 766/13 – hingewiesen und die Schmerzensgeldklage eines Radfahrers, der nach dem Anbellen durch einen Hund gestürzt war und sich dabei erheblich verletzt hatte, abgewiesen, da seiner Überzeugung nach, Grund für den Sturz,

  • nicht die „spezifische Tiergefahr“,
  • sondern eine unangemessene Schreckreaktion des Radfahrers war.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der junge und sportlich aktive Kläger, der mit seinem Fahrrad auf einem mindestens 2,30 m breiten und gerade verlaufenden Weg unterwegs zur Schule war und dabei über Ohrstöpsel Musik gehört hatte, gestürzt, weil er erschrocken war und eine spontane Ausweichbewegung gemacht hatte, als der eher kleine Hund des beklagten Tierhalters,

  • der von diesem direkt am Halsband am Wegesrand festgehalten worden war,
  • einmal gebellt sowie eine kurze Bewegung in Richtung des Klägers gemacht hatte, als dieser mit seinem Rad auf gleicher Höhe mit dem Hund war.

 

Dass in diesem Fall die zum Sturz führende Reaktion des Klägers nicht auf die spezifische Gefahr des Hundes zurückzuführen war, sondern eine schuldhafte Überreaktion des Radfahrers darstellte, hat das AG damit begründet,

  • dass klar erkennbar gewesen sei, dass der Hund nicht frei umherläuft, sondern von dem Beklagten festgehalten wird,
  • der eher kleine Hund auch nur einmal gebellt sowie sich kurz in Richtung des Klägers bewegt hat und
  • der Kläger sich schon frühzeitig auf die Situation hätte einstellen, also ohne weiteres langsam fahren oder das Rad ein kurzes Stück schieben können, statt über seine Ohrstöpsel Musik hörend, am Beklagten und dessen Hund vorbeizufahren.

 

Das hat die Pressestelle des Landgerichts (LG) Coburg am 13.11.2015 – Nr. 26/2015 – mitgeteilt.

 

Mehrere einfache Verkehrsverstöße können ein Fahrverbot rechtfertigen

Begeht ein Kraftfahrzeugführer innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Jahren fünf „einfachere“ Verkehrsverstöße mit einem (zumindest abstrakten) Gefährdungspotenzial für Dritte, kann gegen ihn nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) wegen beharrlicher Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer ein einmonatiges Fahrverbot verhängt werden.

Darauf hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 17.09.2015 – 1 RBs 138/15 – hingewiesen und die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Hamm als unbegründet verworfen,

  • mit dem gegen ihn wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 22, 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), begangen im September 2014, eine Geldbuße von 100 Euro sowie daneben auch ein einmonatigen Fahrverbot deshalb verhängt worden war,  
  • weil der Betroffene bereits im Januar 2012 und im März 2014 so genannte ʺHandyverstößeʺ begangen sowie in der Zeit zwischen diesen beiden Taten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts in 2 Fällen um jeweils 22 km/h überschritten hatte und wegen dieser Verstöße jeweils Geldbußen gegen ihn festgesetzt worden waren.

 

Nach der Entscheidung des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm lag hier eine beharrliche Pflichtverletzung vor, weil 

  • der Betroffene insgesamt 5 Verkehrsverstöße innerhalb eines Zeitraums von deutlich weniger als 3 Jahren begangen hatte, 
  • die Verkehrsverstöße jeweils Verhaltensweisen mit einem gewissen Gefährdungspotenzial für Dritte aufwiesen, was,
  • nachdem es sich nach dem StVG um „verkehrssicherheitsbeeinträchtigende“ Ordnungswidrigkeiten handelte, auf eine Unrechtskontinuität zwischen den Verkehrsverstößen schließen lässt und die Bewertung rechtfertigt, dass es dem Betroffenen an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt.

 

Beharrliche Pflichtverletzungen liegen, wie der Bußgeldsenat weiter ausgeführt hat, nämlich vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch die wiederholte Verletzung von Rechtsvorschriften, erkennen lässt, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt,

  • wobei es insoweit auf die Zahl der Vorverstöße, ihren zeitlichen Abstand und auch ihren Schweregrad ankommt,
  • neben gravierenden Rechtsverstößen aber auch aus einer Vielzahl kleinerer Rechtsverstöße auf eine mangelnde Rechtstreue geschlossen werden kann, wenn ein innerer Zusammenhang im Sinne einer Unrechtskontinuität zwischen den Zuwiderhandlungen besteht.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 17.11.2015 mitgeteilt.

 

Kündigung wegen Verteilens von Flugblättern?

Die ordentliche Kündigung eines seit neun Jahren bei einem Paketzustellungsunternehmen beschäftigten und bisher nicht einschlägig abgemahnten Teamleiters,

  • dem von seinem Arbeitgeber die Verteilung von Flugblättern an Betriebsangehörige in deutscher und türkischer Sprache mit darin enthaltenen Behauptungen wie z.B. „der (Arbeitgeber) behandelt uns wie Sklaven“, den „Aushilfen werden ihre elementaren Rechte genommen, wie ihr gesetzlicher Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“ und „(Arbeitgeber) kauft sich unternehmerfreundlichen Betriebsrat“, vorgeworfen worden war,

 

ist dann nicht gerechtfertigt,

  • wenn ihm nach vor dem Arbeitsgericht durchgeführter Beweisaufnahme lediglich nachgewiesen werden kann, ein einziges dieser beleidigenden und rufschädigenden Flugblätter aus der Tasche gezogen und einem Betriebsangehörigen gegeben zu haben.

 

Das hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Düsseldorf, wie die Pressestelle des Gerichts mitgeteilt hat, mit Urteil vom 16.11.2015 – 9 Sa 832/15 – entschieden.

 

Wenn eine Strafanzeige nicht zum Erweis des behaupteten Vorwurfs führt

Eine Strafanzeige zu erstatten und damit ein gesetzlich geregeltes Verfahren in Gang zu bringen,

  • steht jedem Bürger frei und
  • ein Angezeigter hat auch dann, wenn die Anzeige nicht zum Erweis des behaupteten Vorwurfs führt, gegen einen gutgläubigen Strafanzeigenerstatter grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die ihm im Ermittlungsverfahren durch die Beauftragung eines Anwalts mit seiner Verteidigung entstanden sind.

 

Denn (nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige) Strafanzeigen von Bürgern liegen im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens sowie an der Aufklärung von Straftaten und da der Rechtsstaat darauf bei der Strafverfolgung auch nicht verzichten kann, wäre es mit den Grundgeboten des Rechtsstaats nicht vereinbar, wenn derjenige, der in gutem Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, Nachteile dadurch erleiden würde, dass sich seine Behauptung nach staatsanwaltschaftlicher Prüfung als unrichtig oder nicht aufklärbar erweist.

Wird eine Strafanzeige allerdings wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet,

  • begründet dies ausnahmsweise einen Schadensersatzanspruch i.S. eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 164 Strafgesetzbuch (StGB),
  • so dass in einem solchen Fall ein Betroffener die ihm aufgrund der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Verteidigung gegen die unberechtigte Strafanzeige entstandenen Kosten vom Anzeigeerstatter ersetzt verlangen kann.

 

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Laufen mit Urteil vom 26.10.2015 – 2 C 155/15 – hingewiesen.

 

Ärztliche Behandlung von Kindern bedarf grundsätzlich der Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern

Mit Urteil vom 29.09.2015 – 26 U 1/15 – hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm darauf hingewiesen,

  • dass ein ärztlicher Heileingriff bei einem minderjährigen Kind grundsätzlich der Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern bedarf,
  • der Arzt aber, wenn nur ein Elternteil mit dem Kind bei ihm erscheint, in von der Rechtsprechung präzisierten Ausnahmefällen – abhängig von der Schwere des Eingriffs – darauf vertrauen darf, dass der abwesende Elternteil den erschienenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ermächtigt hat.

 

Danach darf der Arzt

  • in Routinefällen (Ausnahmefall 1) – bis zum Vorliegen entgegenstehender Umstände –

 

davon ausgehen,

  • dass der mit dem Kind bei ihm erscheinende Elternteil die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den anderen Elternteil miterteilen darf.

 

Handelt es sich

  • um ärztliche Eingriffe schwerer Art mit nicht unbedeutenden Risiken (Ausnahmefall 2),

 

muss sich der Arzt vergewissern, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen Elternteils hat und wie weit diese reicht,

  • wobei er aber – bis zum Vorliegen entgegenstehender Umstände – davon ausgehen darf, vom erschienenen Elternteil eine wahrheitsgemäße Auskunft zu erhalten.

 

Geht es um

  • schwierige und weitreichende Entscheidungen über die Behandlung des Kindes (Ausnahmefall 3), etwa um eine Herzoperation, die mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden sind,

 

muss sich der Arzt vergewissern, dass der abwesende Elternteil mit der Behandlung einverstanden ist,

  • weil in diesen Fällen eine Ermächtigung des abwesenden Elternteils zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff durch den anwesenden Elternteil nicht von vornherein naheliegt.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 16.11.2015 mitgeteilt.

 

Wenn das Original eines Testaments nicht mehr auffindbar ist

Die Fotokopie eines Testaments als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 14.02.2014 – 2 Wx 299/13 –).

  • Allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht daher nicht abgeleitet werden.
  • Das ändert aber nichts daran, dass auf andere Weise im Verfahren beim Nachlassgericht der Nachweis geführt werden kann, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2013 – 11 Wx 14/13 –).
     

An die Beweisführung, bei der die Feststellungslast nach allgemeinen Regeln dem vom Testament Begünstigten obliegt, sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (OLG Naumburg, Beschluss vom 29.03.2012 – 2 Wx 60/11 –). Kommt es diesbezüglich auf die Angaben von Zeugen an, ist allein schon zur Wahrung des Anwesenheits- und Fragrechts der Beteiligten allein der Strengbeweis sachgerecht. Mit eidesstattlichen Versicherungen darf das Nachlassgericht sich in dem von ihm geführten Verfahren nicht begnügen.

  • Ist der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts der Verfügung erbracht, ist die Rechtslage nicht anders als bei Vorlage eines Testaments in Urschrift zu beurteilen.

 

Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird.
Hat der Erblasser die Urkunde vernichtet, so wird zwar vermutet, dass er damit die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe (§ 2255 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).
Bevor diese Vermutung eingreift, müssen jedoch ihre Voraussetzungen feststehen.

  • Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts;
  • sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.

 

Die Erteilung eines Erbscheins beim Nachweis der Errichtung eines formwirksamen Testamentes darf deshalb nicht verweigert werden,

  • weil ein Ausnahmetatbestand – Widerruf dieses Testamentes – zwar nicht feststellbar ist,
  • aber auch nicht widerlegt werden kann.

 

Die Möglichkeit, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung vergessen hat, reicht zur Begründung des Widerrufs nicht aus, ebenso wenig die Äußerung des Erblassers, das Testament sei ungültig.

Darauf hat der 11. Zivilsenat des OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 08.10.2015 – 11 Wx 78/14 – hingewiesen.

 

Wegen nachträglich verbautem Skyline-Blicks

Weil der „Skyline-Blick“ von einer Eigentumswohnung in Frankfurt am Main aus, mit dem ein Bauträger in seinem Verkaufsprospekt geworben hatte, nach dem Verkauf der Wohnung von ihm verbaut worden war, muss der Bauträger die Eigentumswohnung gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurücknehmen.

Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 12.11.2015 – 3 U 4/14 – in einem Fall entschieden, in dem der Bauträger nach dem Verkauf einer Eigentumswohnung zum Preis von rund 326.000,- € an den Kläger

  • unterhalb des Wohnhauses und jenseits eines angrenzenden Parks ein weiteres dreigeschossiges Gebäude errichtet hatte,
  • durch welches die, von der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung der Kläger aus vorher mögliche freie Sicht auf die Frankfurter Skyline wesentlich eingeschränkt worden und allein die Sicht auf die Europäische Zentralbank und den Messeturm geblieben war.

 

Wie der 3. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat, berechtigte der verbaute Skyline-Blick den Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag, weil

  • sich aus den Aussagen im Verkaufsprospekt ergebe, dass der Skyline-Blick als Beschaffenheit der Wohnung vereinbart gewesen sei,
  • die sichtbehindernde Bebauung eine nachvertragliche Pflichtverletzung des Bauträgers darstelle und
  • der beklagte Bauträger könne sich, weil er selbst die sichtbehindernde Bebauung geplant und ausgeführt habe, nicht darauf berufen könne, dass er die Pflichtverletzung nicht vertreten müsse.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 12.11.2015 mitgeteilt.

 

Benutzung von Blitzer-Apps auf Smartphones ist verboten

Wer als Führer eines Fahrzeugs während der Fahrt ein Smartphone mit einer sogenannten Blitzer-App benutzt, verstößt gegen § 23 Abs. 1b Straßenverkehrsordnung (StVO).
Nach dieser Vorschrift darf, wer ein Fahrzeug führt, ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören., was insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte) gilt.

Darauf hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle hingewiesen und die Rechtsbeschwerde eines Autofahrers verworfen, der vom Amtsgerichts (AG) Winsen/Luhe wegen Verstoßes gegen §§ 23 Abs. 1b, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO zu einer Geldbuße von 75 € verurteilt worden war, weil er während der Fahrt ein Smartphone mit einer sogenannten Blitzer-App benutzt hatte.

Dass ein Autofahrer sich in einem solchen Fall ordnungswidrig verhält, hat der Senat damit begründet,

  • dass ein Smartphone ein technisches Gerät zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen im Sinne der StVO ist, falls darauf eine sogenannte Blitzer-App installiert ist und
  • dieses mit Installation und Nutzung der Blitzer-App über seine sonstigen Zwecke hinaus die zusätzliche Zweckbestimmung eines Blitzer-Warngerätes erhält.

 

Nach Auffassung des 2. Strafsenats des OLG Celle soll es auch unerheblich sein, ob die Blitzer App tatsächlich einwandfrei funktioniert hat.
Vielmehr soll es allein darauf ankommen, dass das Smartphone von dem Autofahrer zur Warnung vor Blitzern eingesetzt werden sollte.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Celle am 12.11.2015 mitgeteilt.