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Wenn zwei Motorräder in Kurve kollidieren

Kollidiert ein Kraftradfahrer in einer Rechtskurve auf der Gegenfahrbahn mit einem entgegenkommenden Kraftradfahrer und

  • behauptet er, dass der andere ihm zunächst auf seiner Fahrspur entgegengekommen sei, ihn so zu einer Vollbremsung veranlasst habe, durch welche er geradeaus in Richtung Fahrbahnmitte auf die Gegenfahrbahn gerutscht sei,
  • während der andere vorträgt, auf seiner rechten Fahrbahnseite gefahren zu sein,

 

spricht, wenn der Unfallhergang nicht aufzuklären ist, der Beweis des ersten Anscheins

  • für einen Fahrfehler des seine Fahrspur verlassenden Motorradfahrers und einen von ihm begangenen schuldhaften, unfallursächlichen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot,
  • der, im Falle der Nichterschütterung, seine 75 %-ige Haftung für das Unfallgeschehen rechtfertigen kann.

 

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 08.09.2015 – 9 U 131/14 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 06.11.2015).

 

Wenn Verbraucher auf einer Messe Kaufverträge abschließen

Nach § 312g Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) steht Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu.
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB Verträge,

  • die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden,
  • der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.

 

Geschäftsräume sind nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 2 S. 1 BGB

  • „unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und
  • bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt“.

 

Ein auf der „Grünen Woche“ in Berlin in der Messehalle 11.1. – Haustechnik – betriebener Messestand eines Dampf-Staubsauger vertreibenden Unternehmens

  • ist ein beweglicher Geschäftsraum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB,
  • so dass dort geschlossene Kaufverträge nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden und deshalb Verbrauchern, die dort Kaufverträge abgeschlossen haben, auch kein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zusteht.

 

Darauf hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Freiburg (Breisgau) mit Urteil vom 22.10.2015 – 14 O 176/15 – hingewiesen.

Begründet hat die Kammer ihre Entscheidung damit,

 

Danach sollten gemäß Art. 2 Ziff. 9 b) und der Erläuterung in Erwägungsgrund (22) VRRL als bewegliche Geschäuftsräume alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen.

 

Werbung auf an Verkehrsflächen angrenzenden privaten Flächen?

Eine Stadt kann durch ordnungsbehördliche Verordnung das Plakatieren zu Werbezwecken auch auf privaten Grund und privaten Flächen, beispielsweise an Zäunen, die an Verkehrsflächen angrenzen, in ihrem Stadtgebiet untersagen, weil ein solches Verbot der Abwehr (abstrakter) Gefahren für die öffentliche Ordnung im Stadtgebiet dient.

  • Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gehört nämlich, dass ein Stadtbild nicht durch sog. wildes Plakatieren verschandelt oder verschmutzt wird.
  • Zudem besteht bei einem auffälligen Plakatieren an besonders frequentierten öffentlichen Straßen die Gefahr, dass Verkehrsteilnehmer durch die Plakate abgelenkt werden.

 

Auf an öffentlichen Straßen und Anlagen gelegene private Hauswände, Zäune und Einfriedungen darf das Verbot sich beziehen, weil diese häufig als Werbeflächen gewählt werden, um sich die Bemühungen und die Kosten für das Einholen einer straßenverkehrsrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu ersparen, die notwendig wäre, wenn öffentlicher Verkehrsraum zu Werbezwecken genutzt werden soll.
Stehen genügend weitere Möglichkeiten für eine erlaubte Werbung im Stadtgebiet zur Verfügung ist ein solches Verbot auch nicht unverhältnismäßig.

Darauf hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 22.09.2015 – 1 RBs 1/15 – hingewiesen und in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall

  • die Verurteilung eines Betroffenen zu einer Geldbuße bestätigt, mit der er wegen Verstoßes gegen § 4 der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt Siegen belegt worden war,
  • weil er, ohne Genehmigung der Stadt, im Stadtgebiet Siegen mit Zustimmung der Eigentümer an privaten Zäunen für die Verkehrsteilnehmer sichtbare Plakate für eine Veranstaltung hatte anbringen lassen.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 03.11.2015 mitgeteilt.

 

Achtung! Allgemeine Handels- und Gewerberegister Auskunft Deutschland

Vor kurzem erreichte uns ein Anscheiben der „Allemeine Handels- und Gewerberegister Auskunf Deutschland“. Hinter dem Schreiben steht offensichtlich eine „AHD Gesellschaft für Datenv. mbH – Postfach 320173 – 40415 Düsseldorf“. Das Schreiben erweckt auf den flüchtigen Blick den Eindruck, es sei offiziell. So wir dein langer, letztendlich in weiten Teilen nichtssagender Text eingefügt. Die gesamt Aufmachung soll offensichtlich den Anschein eines „förmlichen Amtsschreibens“ ermitteln.

Um den Eindruck zu verestärken wir der – öffentlich zugängliche – Handelsregistertext noch einmal angegeben.

Die Gefahr bei diesem Schreiben steht darin, zu übersehen, dass es sich um den Versuche eines privaten Unternehmens handelt, für die schlichte Eintragung in irgendeine Online-Datenbank 929,50 € zu verlangen. Das man dabei die Möglichkeit einer Verwechslung mit einem amtlichen Schreiben in Betracht zieht, zeigt sich auch daran, dass von „Umlagefähigen Gebühren“ die Rede ist (was auch immer dies sein soll). Auch wird darauf hingewiesen, bei einer „Neuaufnahme“ würde „unnötig hohe Kosten“ entstehen. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass die Schreiben kurz nach einer Veröffentlichung eines Handelsregistereintrages geschickt werden. Die „Härlein Hausverwaltung UG (haftungsbeschränkt)“ welche vorliegend angeschrieben wurde, war jedenfalls erst kurz vorher in das Handelsregister eingetragen worden. Man mag dann auf die Idee kommen, dass die Zahlung für die Handelsregistereintragung – und nicht für irgendeine privatrechtliche „Datenbank“ – erfolgen soll.

Der Bundesgerichtshof hat bei so genannten „Abofallen“ bereits teils einen „versuchten Betrug“ angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2014, 2 StR 616/12). Gleichzeitig sind Vergütungsklausel im Rahmen einer „Abofalle“ unwirksam. Kommt man zu einem Betrug, so würde sich eine Nichtigkeit auch aus § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) ergeben.

Der BGH geht in seiner zivilrechtlichen Entscheidung (diese wurde vor der strafrechtlichen Entscheidung ausgesprochen) in Fällen einer „Abofalle“ von einer überraschenden Vergütungsklausel aus (BGH, Urteil vom 26.07.2012, VII ZR 262/11). In seiner Entscheidung vom 26.07.2012 hat der BGH erste Punkte aufgezählt, die auf einen unwirksamen Vertrag schließen lassen. So wird ausgeführt:

Wird eine Leistung (hier: Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen. Das gegenständliche Schreiben der „AHD Gesellschaft für Datenv. mbH – Postfach 320173 – 40415 Düsseldorf“ legt zwar die Vergütung mehr oder weniger deutlich dar. Es weißt nach unserer Ansicht aber Merkmale auf, welche darauf schließen lassen, dass eine Zahlungspflicht suggeriert werden soll. Die Rechtsprechung des BGH mag daher nicht unmittelbar einschlägig sein. Die Tendenz der bisherigen BGH-Entscheidungen zeigt jedoch, dass der Bundesgerichtshof derartige Anschreiben, welche die Möglichkeit einer Täuschung des Empfängers beinhalten, nach strengen Maßstäben prüft.

Der rechtlich sicherste Weg ist jedoch, derartige „Angebote“ erst gar nicht zu unterschreiben. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, dann empfiehlt sich schon deshalb anwaltlicher Rat um der Gegenseite die Möglichkeit zu nehmen, Ihnen unmittelbar durch einen Anwalt zu drohen (die üblichen Drohungen: „Schufa, Gerichtsvollzieher, etc…“. Zum einen kann ein seriöser und kompetenter Anwalt die Risiken realistisch einschätzen. Zum anderen darf ein Anwalt, der eine „Abofalle“ oder eine andere Datenbank bzw. ein entsprechendes Register vertritt, grundsätzlich nicht mehr unmittelbar an Sie schreiben, wenn Sie anwaltschaftlich vertreten sind, § 12 Abs. 1 BORA:

(1) Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.

Ein Sie vertretender Rechtsanwalt dient daher in solchen Fällen auch als „Puffer“ und wickelt die teils lästige Korrespondenz für Sie ab.

Das Schreiben finden Sie hier.

Dieselgate: Wenn bei dem gekauften Dieselfahrzeug die Abgaswerte manipuliert wurden

Autos müssen den genehmigten technischen Vorgaben entsprechen. Tun sie dies nicht, sind sie mangelhaft, weil

  • sie dann nicht diese (stillschweigend) vereinbarte Beschaffenheit haben (§ 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • sie sich aber jedenfalls für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung deshalb nicht eignen (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), da den Fahrzeugeigentümern in einem solchen Fall der Betrieb des Fahrzeugs untersagt werden kann.

 

Gewährleistungsansprüche wegen eines Mangels des Fahrzeugs hat der Käufer allerdings

  • nur gegen den Verkäufer und
  • nicht gegen den Hersteller des Fahrzeugs.

 

Dass die VW AG die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge, bei denen die Abgaswerte manipuliert worden sind, auf Anordnung des Kraftfahr-Bundesamtes nach § 25 Abs. 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) zur Beseitigung der Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit zurückrufen muss,

  • führt zwar dazu, dass durch eine entsprechende Umrüstung der Fahrzeuge der den technischen Vorgaben widersprechende Mangel beseitigt wird,
  • hat aber möglicherweise auch zur Folge, dass bis dahin derzeit noch nicht verjährte Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer verjährt sind.

 

Beachten, dass Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer nicht verjähren, sollte ein Käufer schon deshalb, weil es möglich sein kann, dass die Umrüstung des Fahrzeugs zu einem Leistungsverlust und/oder erhöhtem Kraftstoffverbrauch führt,

  • es sich, wenn der Kraftstoffverbrauch nach der Umrüstung den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswert, nach den Ergebnissen der von einem Sachverständigen auf einem Prüfstand durchgeführten Verbrauchstests, um mehr als 10 % übersteigen sollte,

 

um einen neuen Mangel handeln würde (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 –) und deswegen nach Gewährleistungsrecht

  • nicht die VW AG,
  • sondern nur der Verkäufer in Anspruch genommen werden könnte.

 

War ein Auto bei der Übergabe mangelhaft, kann der Käufer vom Verkäufer nämlich, sofern

  • eine Haftung wegen der Mängel nicht wirksam ausgeschlossen wurde und
  • die Mängelansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. hierzu §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, 195 BGB und die AGBs), bzw. sofern bereits Verjährung eingetreten ist, der Verkäufer die Einrede der Verjährung nicht erhebt oder vor Eintritt der Verjährung auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat,

 

gemäß

  • § 439 Abs. 1 BGB die Nacherfüllung verlangen,
  • d.h. nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache.

 

Sofern die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen und

  • der Mangel zu diesem Zeitpunkt noch nicht fachgerecht, vollständig und nachhaltig beseitigt ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 21.12.2012 – 3 U 22/12 –),

 

kann der Käufer aber auch

  • entweder nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich des Nutzungswertersatzes für jeden gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14 – und Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 215/13 –)
  • oder wenn er das Fahrzeug behalten will, nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB gegenüber dem Verkäufer die Minderung des Kaufpreises erklären und vom Verkäufer einen Teil des bezahlten Kaupreises, nämlich den Minderwert, der im Streitfall von einem Sachverständigen ermittelt wird, zurückfordern.

 

Allerdings sind Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung des Kaufpreises,

  • sofern nicht ausnahmsweise eine Fristsetzung zur Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich oder nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist,

 

erst möglich,

  • wenn dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB gesetzt,
  • ihm das Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Nacherfüllung zur Verfügung gestellt worden war (BGH, Urteile vom 10.03.2010 – VIII ZR 310/08 – und vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 –; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 27.03.2015 – 2 U 12/15 –; LG Heidelberg, Urteil vom 05.02.2015 – 2 O 75/14 –) und
  • durch die Nachbesserung ein technischer Zustand wie er normalerweise bei einer werkseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht worden ist (BGH, Urteil vom 06.02.2013 – VIII ZR 374/11 –).

 

Mit Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 – hat das OLG Hamm entschieden, dass der Käufer eines neuen Kraftfahrzeuges gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist,

  • wenn der Kraftstoffverbrauch den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswert, (auch) nach den Ergebnissen der von einem Sachverständigen auf einem Prüfstand durchgeführten Verbrauchstests, um mehr als 10 % übersteigt und
  • der Verkäufer zuvor erfolglos versucht hatte, den Verbrauch zu senken.

 

Danach ergibt sich das gesetzliche Rücktrittsrecht in einem solchen Fall daraus, dass dem gekauften Fahrzeug i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 u. S. 3 BGB eine Beschaffenheit fehlt, die der Käufer nach dem Verkaufsprospekt des Herstellers erwarten darf.
Zwar folgt aus den Prospektangaben über die Verbrauchswerte keine Sollbeschaffenheit in dem Sinne, dass diese Verbrauchswerte im Alltagsgebrauch des konkret erworbenen Fahrzeugs erreicht werden müssten. Denn ein verständiger Käufer weiß, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit den Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen.
Erwarten kann ein Käufer aber, dass die im Prospekt angegebenen Verbrauchswerte unter Testbedingungen reproduzierbar sind.
Ist das bei einem gekauften Fahrzeug nicht der Fall und ergeben die von einem Sachverständigen durchgeführten Verbrauchsmessungen, eine Überschreitung des im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswertes um mehr als 10%, ist die Auslieferung eines solchen Fahrzeugs regelmäßig als erhebliche Pflichtverletzung i. S. d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB anzusehen, die einen Käufer zum Rücktritt berechtigt (BGH, Beschluss vom 08.05.2007 – VIII ZR 19/05 –), wobei auch bei einer nur sehr geringfügigen Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle ein Rücktritt nicht ausgeschlossen ist. 

Übrigens:

  • Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer verjähren, sofern im Vertrag nicht wirksam etwas anderes vereinbart worden ist, gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in zwei Jahren ab Lieferung des Kaufsache.
    Eine dreijährige Verjährungsfrist gilt gemäß §§ 438 Abs. 1 Abs. 3 Satz 1, 195 BGB wenn der Verkäufer dem Käufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Wahrscheinlich wusste der Verkäufer aber nichts von der Manipulation der Abgaswerte und ob der Käufer sich das Wissen der Volkswagen AG zurechnen lassen muss, ist zweifelhaft.
  • Auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird der Verkäufer nicht genommen werden können, weil Voraussetzung hierfür wäre, dass ihm die Manipulation bekannt war oder er diese zumindest für möglich gehalten hat.

 

Notwendigkeit eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank, hat der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)

  • ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Ziel der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers durchzuführen und
  • hierzu im Rahmen eines organisierten Suchprozesses, zu dem das Gespräch zwischen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer, u.U. die Einbeziehung von externem Sachverstand und – in dafür geeigneten Fällen – die stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers im Rahmen des sog. „Hamburger Modells“ gehören, zu prüfen,
    • ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann sowie
    • nicht nur mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte, als auch eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit.

 

Darauf hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 16.10.2015 – 28 Ca 9065/15 – hingewiesen und die Kündigung eines Arbeitnehmers für unwirksam erklärt, die der Arbeitgeber

  • ausgesprochen hatte, weil der Arbeitnehmer wegen einer Tumorerkrankung länger als ein Jahr arbeitsunfähig krank war und
  • begründet hatte, mit der Fehlzeit des Arbeitnehmers, der ihm dadurch entstehenden Kosten sowie damit, dass der Arbeitnehmer wegen der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr zurückkehren werde.

 

Nach Auffassung des ArbG war die Kündigung deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, weil vom Arbeitgeber nicht hinreichend im Rahmen eines BEM geprüft worden war,

  • ob der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann,
  • ob ein Einsatz nach leidensgerechter Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen und
  • ob auch eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Tätigkeit nicht möglich ist.

 

Das hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Berlin am 29.10.2015 – Nr. 36/15 – mitgeteilt.

 

Täuscht Mieter bessere Bonität vor kann Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen

Hat ein Mieter vor Abschluss des Mietvertrages in einer Selbstauskunft bewusst wahrheitswidrig falsche Angaben gemacht und dem Vermieter eine bessere Bonität vorgespiegelt, kann dies die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter rechtfertigen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 30.06.2015 – 411 C 26176/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem von einem Ehepaar mit zwei Kindern im Alter von 13 und 16 Jahren ein Einfamilienhaus in München-Grünwald zu einem monatlichen Mietzins von 3730 Euro angemietet  

  • sowie im Rahmen der Selbstauskunft von den Eheleuten vor Abschluss des Mietvertrages angegeben worden war, dass in den letzten fünf Jahren keine Zahlungsverfahren, Zwangsvollstreckungsverfahren oder Verfahren zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bestanden haben, der Ehemann als Selbständiger ein Jahreseinkommen von mehr als 120.000 Euro und die Ehefrau als Angestellte jährlich über 22.000 Euro verdiene und

 

der Vermieter nach fünf Monaten das Mietverhältnis fristlos gekündigt hatte, weil

  • der Mietzins immer wieder verspätet und nicht vollständig gezahlt worden war sowie
  • eine daraufhin vom Vermieter eingeholte Bonitätsauskunft ergeben hatte, dass gegen die Mieter seit Jahren unbefriedigte Vollstreckungen laufen und sie vor Mietbeginn die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten,

 

der Räumungsklage des Vermieters stattgegeben.

Danach konnte der Vermieter den Mietvertrag wegen der falschen Selbstauskunft und den wiederholten Zahlungsrückständen fristlos kündigen. Dass die Mieter die Miete zwischenzeitlich vollständig nachgezahlt hatten änderte daran nichts. Sie müssen das Haus  das Haus fristlos räumen

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 30.10.2015 – 72/15 – mitgeteilt.

 

Bußgeld für Gastwirt wegen Verstoßes gegen das Nichtraucherschutzgesetz

Ein Gastwirt, der im Rahmen von Protestveranstaltungen gegen das Nichtraucherschutzgesetz das Rauchen in seiner Gaststätte gestattet, verletzt vorsätzlich das Nichtraucherschutzgesetz, das in zulässiger Weise die Versammlungsfreiheit der rauchenden Gäste zu Gunsten des Lebens und der Gesundheit der Nichtraucher einschränkt.

Darauf hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 19.10.2015 – 5 RBs 112/15 – hingewiesen und

  • die amtsgerichtliche Verurteilung eines Gastwirts zu Geldbußen von 800 Euro und 1.600 Euro bestätigt,
  • der bei zwei Protestveranstaltungen gegen das Nichtraucherschutzgesetz, sogenannten ʺHelmut Partys“, zahlreichen Gästen das Rauchen in seiner geöffneten Gaststätte gestattet sowie anderen Gästen gegenüber erklärt hatte, dass geraucht werde und es ihnen freistehe, zu gehen.

 

Das Gericht

  • wertete das Verhalten des Gastwirts als vorsätzliche Verletzung des nach dem Nichtraucherschutzgesetz geltenden Rauchverbotes und
  • lehnte es auch ab, dem Gastwirt einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zuzubilligen, weil er hätte erkennen können, dass das Nichtrauchergesetz verfassungskonform ist.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 30.10.2015 mitgeteilt.

 

Muss Mieter unangekündigte Stromunterbrechungen hinnehmen?

Dem Mieter kann ein Unterlassungsanspruch zustehen, sofern der Vermieter die infolge einer Baumaßnahme erfolgte Unterbrechung der Stromversorgung des Hauses dem Mieter nicht rechtzeitig vorab angezeigt hat.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Bremen mit Urteil vom 01.10.2015 – 9 C 290/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem es infolge vom Vermieter durchgeführter Elektroarbeiten mehrfach zu nicht hinreichend angekündigten Stromunterbrechungen gekommen und
  • deshalb von einem Mieter beantragt worden war, dem Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, den Strom für die Wohnung des Mieters sowie das Treppenhaus abzustellen, sofern dieses nicht für die Durchführung fachgerechter Arbeiten und der Stromversorgung erforderlich ist und dieses nicht mindestens drei Tage zuvor dem Mieter schriftlich mitgeteilt wird, unter genauer Angabe der voraussichtlichen Zeit und Dauer der Stromunterbrechung,

 

einen entsprechenden Verfügungsbeschluss erlassen und diesen nach Widerspruch des Vermieters auch aufrechterhalten.

Zur Begründung ausgeführt hat das AG, dass

  • der berechtigte Besitz des Mieters durch die Unterbrechung der Stromzufuhr beeinträchtigt wird,
  • der berechtigte Besitz ein nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog geschütztes absolutes Rechtsgut ist,
  • daraus i.V.m. § 535 I BGB ein Anspruch des Mieters auf Unterlassung künftiger Unterbrechungen folgt (Kammergericht (KG), Urteil vom 23.10.2014 – 8 U 178/14 –) und
  • Wiederholungsgefahr bereits bei einmaliger – pflichtwidriger bzw. rechtswidriger – Unterbrechung der Stromzufuhr besteht.

 

Aus dem Mietverhältnis folgt die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Ein Mieter ist deshalb zwar verpflichtet, erforderliche Bauarbeiten im Hause zu dulden und dabei kurzzeitige Unterbrechungen der Stromversorgung unter Umständen hinzunehmen.
Andererseits ist der Vermieter verpflichtet, die Beeinträchtigungen so gering als möglich zu halten und die der Stromunterbrechung zugrunde liegende Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme vorab anzukündigen (§§ 555a II, 555c BGB); dies gilt auch, sofern die Mietsache lediglich mittelbar betroffen ist.
Sofern kein Notfall vorliegt, muss der Vermieter seine Mieter rechtzeitig von der anstehenden Stromunterbrechung in Kenntnis setzen, damit diese ihr Verhalten darauf einstellen können.
Dies gilt auch für die Unterbrechung des Gemeinschaftsstroms, da in diesem Fall die Klingelanlage der Haustür nicht mehr funktioniert und der Mieter also für Besucher nur noch eingeschränkt erreichbar ist.

Erforderlich ist allerdings, wie das AG weiter ausgeführt hat, jeweils eine Abwägung der jeweiligen Interessen des Vermieters und des Mieters im konkreten Einzelfall, die es auch in dem seiner Entscheidung zugrunde liegendem Fall vorgenommen hat.

 

Die AGB-Klausel: „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen“

Die Klausel „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Internetversandhändlers ist

  • wegen Verstoßes gegen die Regelung des § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unzulässig,
  • weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteiligt.

 

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 25.09.2014 – 4 U 99/14 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass das Abtretungsverbot

  • den Weiterverkauf des Verbrauchers behindert, weil es die Gewährleistung gegenüber dem gewerblichen Erstverkäufer erschwert und
  • neben dem Wiederkäufer auch den wiederverkaufenden privaten Erstkäufer benachteiligt.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 29.10.2015 mitgeteilt.