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Erbeinsetzung unter Bedingung

Kommt es

  • im Falle einer durch die Aufnahme von Tieren des Erblassers zur Pflege bedingten Erbeinsetzung
  • nachfolgend nicht zu einer Aufnahme der Tiere,

 

so wird dieser Testamentserbe nicht Erbe,

  • wenn es nach dem Tod des Erblassers zu einer anderweitigen Unterbringung der Tiere kommt und
  • der Testamentserbe trotz Aufnahmemöglichkeit die Aufnahme der Tiere ablehnt, weil sie anderweitig gut aufgehoben sind.

 

Das hat das Amtsgericht (AG) Lüdinghausen mit Beschluss vom 19.08.2015 – 27 VI 230/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem die Erblasserin verfügt hatte, dass „im Falle ihres Todes ihr gesamtes Vermögen an die gemeinnützige Privatstiftung X unter der Voraussetzung übergehen soll, dass ihr Hund und ihre drei Katzen auf einem Anwesen der Stiftung ihr Leben weiterführen können“,
  • nach dem Tod der Erblasserin der Hund durch einen so genannten „Schutzvertrag“ bei einer anderen Organisation untergekommen war sowie die drei Katzen von einer Familie übernommen worden waren und
  • die als Erbin eingesetzte Stiftung sich deshalb, trotz Aufnahmemöglichkeit, dazu entschlossen hatte, die Tiere nicht zu übernehmen.

 

Da die Erbeinsetzung bedingt war, ist die Privatstiftung X, wie das AG ausgeführt hat, nicht Erbin der Erblasserin geworden, wobei es dahinstehen lies, ob es sich bei der Bedingung im Testament um eine aufschiebende Bedingung, die noch nicht eingetreten ist oder um eine auflösende Bedingung, die durch die Nichtaufnahme bzw. die Ablehnung der Aufnahme der Tiere eingetreten ist, gehandelt hat.
Denn die Erbenstellung der Stiftung sollte jedenfalls dadurch bedingt sein, dass sich die Stiftung um die Tiere der Erblasserin auf einem Anwesen der Stiftung kümmert, was sie gerade nicht getan hat.

 

Wann ist die Zustellung einer Klage „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt?

Soll durch

  • eine Zustellung eine Frist gewahrt werden oder
  • die Verjährung neu beginnen oder
  • nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gehemmt werden,

 

tritt diese Wirkung nach § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein,

  • wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

 

Ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung.
Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden.
Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können.

Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat.
Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 30.11.2006 – III ZB 22/06 – und vom 28.02.2008 – III ZB 76/07 –; Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2006 – I-4 U 225/05 –).
Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten.

 

Abzustellen bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert.
Dies bedeutet, dass die noch hinnehmbare Verzögerung von 14 Tagen sich

  • nicht nach der Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse beurteilt,
  • sondern danach, um wie viele Tage sich die Zustellung der Klage infolge nachlässigen Verhaltens des Klägers verzögert hat (BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 154/14 – unter ausdrücklicher Aufgabe abweichender früherer Rechtsprechung, wonach der 14-Tage-Zeitraum ab Eingang der Vorschussanforderung zu berechnen war, vgl. Urteil vom 30.03.2012 – V ZR 148/11 –).

 

Darauf hat der III. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 03.09.2015 – III ZR 66/14 – hingewiesen.

 

Die Vorsorgevollmacht

Volljährige können nach § 1901c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit in einem Schriftstück

  • Vorschläge zur Auswahl des Betreuers oder Wünsche zur Wahrnehmung der Betreuung äußern (Betreuungsverfügung) oder
  • eine andere Person mit der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten bevollmächtigen (Betreuungsvollmacht).

 

Gemäß § 6 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz – BtBG) ist die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde befugt,

  • Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen
  • öffentlich zu beglaubigen.

 

Eine solche öffentlich beglaubigte Vorsorgevollmacht genügt den Anforderungen des § 29  Grundbuchordnung (GBO).

Die Befugnis der Betreuungsbehörde nach § 6 Absatz 2 Satz 1 BtBG Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen,

  • umfasst auch transmortale Vorsorgevollmachten,
  • d. h. Vorsorgevollmachten, die nach dem Willen des Vollmachtgebers zu seinen Lebzeiten und noch nach seinem Tod gelten sollen.

 

Der Begriff der Vorsorgevollmacht begrenzt die Vollmacht nämlich weder inhaltlich noch zeitlich. Vielmehr liegt es in der Hand des Vollmachtgebers, die zeitlichen Grenzen der Bevollmächtigung und damit das Erlöschen der Vollmacht zu regeln.
Legt der Vollmachtgeber ausdrücklich die Geltung der Vollmacht bis über den Tod hinaus fest, so will er gerade verhindern, dass aus dem Vorsorgecharakter der Vollmacht der Schluss gezogen wird, dass die Vollmacht nur für die Dauer einer Betreuungsbedürftigkeit gelten soll.

Dass es sich bei einer Vollmacht um eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 6 Abs. 2 BtBG handelt, lässt sich erkennen,  

  • am Motiv der Erteilung, nämlich daran, dass die Vollmacht zur Vermeidung einer vom Gericht angeordneten Betreuung erteilt worden ist sowie
  • an Hand charakteristischer Bestimmungen in der Vollmacht, wobei wichtige Indizien Regelungen zur Gesundheitsfürsorge und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen sind.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 14.09.2015 – 11 Wx 71/15 – hingewiesen.

 

Kein Schadensersatz für Reisende bei Sturz auf Bahn-Betriebsgelände

Ist Reisenden das Betreten von Bahnanlagen nach § 62 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) nicht gestattet, besteht ihnen gegenüber dort auch keine Verkehrssicherungspflicht.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 27.01.2015 – 172 C 5701/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem der Kläger auf einem Zugang zu Betriebsanlagen der Bahn, der von der Zuwegung zum Bahnsteig abging, lediglich zu Traforäumen führte und von einer Grünfläche eingefasst wurde, in eine im Verbundpflaster befindliche Vertiefung getreten und gestürzt war und
  • sich dabei eine Halswirbelsäulen-Distorsion sowie eine OSG Distorsion zugezogen hatte.

 

Seine Klage auf Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro gegen die dort zuständige Baufirma wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wies das AG München mit der Begründung ab, dass die beklagte Firma dem Kläger gegenüber nicht verkehrssicherungspflichtig war.

Verkehrssicherungspflichten reichen nämlich, wie das Gericht ausgeführt hat,

  • nur soweit, wie ein Verkehr auch tatsächlich eröffnet worden ist und
  • an der Unfallstelle war, da es sich um keinen Weg zum Bahnsteig handelte, sondern um einen Zugang zu Bahnanlagen, den Reisende gemäß § 62 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) nicht betreten durften, lediglich ein eingeschränkter Verkehr zugunsten von Bahnbediensteten, Handwerkern etc. eröffnet.

 

Daher bestand eine Verantwortlichkeit für den verkehrssicheren Zustand des Zuwegs zu der Bahnanlage auf dem der Kläger gestürzt war,

  • auch nur denjenigen gegenüber, die zu dem beschränkten Personenkreis gehören, gegenüber dem der Verkehr eröffnet war,
  • nicht aber gegenüber dem Kläger, nachdem dieser hierzu nicht gehörte.

 

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 18.09.2015 – 58/15 – mitgeteilt.

 

Wenn von einer Gemeinschaftsantenne empfangene Sendesignale über ein Kabelnetz weitergeleitet werden

Werden von einer Wohnungseigentümergemeinschaft die von einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage per Satellit empfangenen Fernseh- und Hörfunksignale mit einem Kabelnetz weitergeleitet an die Empfangsgeräte in den Wohnungen der einzelnen Wohnungseigentümer, schuldet die Wohnungseigentümergemeinschaft für diese Weiterübertragung keine Vergütung.

Das hat der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 17.09.2015 – I ZR 228/14 – auf eine Schadensersatzklage hin entschieden,

  • die die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) erhoben hatte,
  • weil sie der Meinung war, dass mit der Weiterleitung der Sendesignale das Kabelweitersenderecht der von ihr vertretenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten verletzt würde.

Die Klage der GEMA hatte keinen Erfolg.

Nach der Entscheidung des I. Zivilsenat des BGH verletzt eine Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Betrieb einer Kabelanlage über die von einer  Gemeinschaftsantenne empfangene Sendesignale in die Wohnungen der Miteigentümer weitergeleitet werden, deshalb nicht das von der Klägerin wahrgenommene ausschließliche Recht von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen und Filmherstellern zur Kabelweitersendung, weil

  • eine Kabelweitersendung eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) voraussetzt,
  • die Öffentlichkeit einer Wiedergabe wiederum voraussetzt, dass einer „unbestimmten Zahl potentieller Adressaten“ der Zugang zu denselben Werken und Leistungen eröffnet wird und
  • diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn die Wiedergabe für einen begrenzten Personenkreis vorgenommen wird, so wie es sich bei den einer Wohnungseigentümergemeinschaft angehörenden Wohnungseigentümern verhält, die in ihrer Eigenschaft als Bewohner der Wohnanlage von anderen Personenkreisen abgegrenzt sind.

 

Installiert die Gesamtheit einer Wohnungseigentümer anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne und leitet sie die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiter, ist das als eine Wiedergabe anzusehen, die auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören. Die einzelnen Eigentümer leiten im Ergebnis nämlich die Sendungen nur an sich selbst weiter.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.09.2015 – Nr. 158/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn ein Flug wegen technischer Probleme annulliert wird

Auch wenn Flüge wegen unerwarteter technischer Probleme annulliert werden müssen oder ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen, können Flugunternehmen zur Ausgleichszahlung nach Art 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung – FluggastrechteVO) verpflichtet sein.

Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 17.09.2015 – C-257/14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Klägerin einen Flug mit KLM von Quito (Ecuador) nach Amsterdam (Niederlande) gebucht hatte und
  • das Flugzeug deshalb mit einer Verspätung von 29 Stunden gelandet war, weil verschiedene Teile unerwartet defekt geworden waren und erst aus Amsterdam geliefert sowie eingebaut werden mussten.

 

Wie der EuGH ausführte, ist ein Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges nach Art 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dann nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn es nachweisen kann,

  • dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht,
  • die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

 

Die Flugunternehmen befreien von ihrer Ausgleichspflicht können danach nur bestimmte technische Probleme, die u.a.

  • aus versteckten Fabrikationsfehlern, die die Flugsicherheit beeinträchtigen,
  • aus Sabotageakten oder
  • aus terroristischen Handlungen resultieren.

 

Dagegen stelle, wie der EuGh weiter ausführte, ein technisches Problem, wie das in Rede stehende,

  • das unerwartet auftritt,
  • das nicht auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen und
  • auch nicht während einer regulären Wartung festgestellt worden ist,

 

zwar ein unerwartetes Vorkommnis dar, falle aber nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“.
Denn nachdem der Betrieb von Flugzeugen unausweichlich technische Probleme mit sich bringt, sähen sich nämlich Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit gewöhnlich solchen Problemen gegenüber.

 

Wenn bei Eishockey-Spiel Zuschauer durch Puck verletzt wird

Wird bei einem Eishockey-Spiel ein Zuschauer im Stadion durch einen Puck verletzt, ist der Veranstalter zum Schadensersatz verpflichtet.

Das hat die 3. Kammer des Landgerichts (LG) Regensburg mit Urteil vom 18.03.2015 – 3 O 1702/10 – in einem Fall entschieden, in dem bei einem Spiel der Deutschen Eishockeyliga eine Zuschauerin im Stadion,

  • in dem an den Längsseiten des Spielfelds zu den Zuschauerrängen hin keine Schutznetze angebracht waren,
  • durch einen Puck am Kopf getroffen und schwer verletzt worden war.

 

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg hat im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 06.07.2015 – 4 U 804/15 – darauf hingewiesen, dass er der Meinung des LG Regensburg folgt.

Zwar muss, wie der 4. Zivilsenat des OLG Nürnberg ausgeführt hat, der Veranstalter eines Sportereignisses nicht jeder denkbaren Gefahr vorbeugend begegnen.
Bei Eishockey-Spielen komme es jedoch bekanntermaßen immer wieder vor, dass ein Puck im Zuschauerbereich landet.
Da dadurch konkrete Risiken für die Zuschauer bestehen, sind die Veranstalter von Eishockey-Spielen verpflichtet, Zuschauer davor zu schützen, dass sie durch aus dem Spielfeld fliegende Pucks verletzt werden.
Darauf, dass die für die Ausgestaltung von Eishockey-Stadien maßgebliche DIN-Norm 18036 eingehalten worden ist, wie es vorliegend der Fall war, können sich Veranstalter jedenfalls dort, wo konkrete Risiken für die Zuschauer bestehen, zu ihrer Entlastung nicht berufen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Nürnberg am 17.09.2015 – 14/15 – mitgeteilt.

 

Kündigung schwangerer Frauen nur mit Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde

Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)) darstellen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten.

Das hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 16.09.2015 – 23 Sa 1045/15 – in einem Fall entschieden, in dem

  • der beklagte Arbeitgeber der schwangeren, bei ihm angestellten Klägerin ein zweites Mal ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde gekündigt hatte,
  • obwohl die erste, schon während der Probezeit erfolgte Kündigung, einige Monate zuvor, in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 des Gesetzes zum Schutz erwerbstätiger Mütter (MuSchG) für unwirksam erklärt worden war, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei und der Arbeitgeber keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt hatte.

 

Durch die erneute Kündigung wurde die Klägerin nach Auffassung des LArbG Berlin-Brandenburg wegen ihres Geschlechts benachteiligt.
Dem Einwand des Arbeitgebers, er habe angenommen, die Schwangerschaft der Klägerin sei bereits beendet, folgte das Gericht nicht, weil Anhaltspunkte für ein Ende der Schwangerschaft nicht vorlagen und die Klägerin auch nicht verpflichtet war den Arbeitgeber stets von dem Fortbestand der Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen.

Damit bestätigte das LArbG das erstinstanzliche Urteil des ArbG Berlin, das auch schon die erneute Kündigung für unwirksam erklärt und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1500 EUR nach dem AGG verurteilt hatte (vgl. Mitteilung der Pressestelle des ArbG Berlin vom 21.07.2015 – Nr. 23/15 –).

Das hat die Pressestelle des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg am 16.09.2015 – Nr. 28/15 – mitgeteilt.

 

Verurteilung wegen heimlich gemachter und verbreiteter Sex-Aufnahmen

Weil er

  • bei der Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit einer 18-Jährigen heimlich mit dem Handy Bild- und Video-Aufnahmen gemacht und diese an mehrere Personen weitergeleitet hatte, mit der Folge, dass das Video auch im Internet veröffentlicht worden war sowie
  • nachfolgend auch noch versucht hatte, die Aufnahmen als Druckmittel gegenüber der 18-Jährigen zu verwenden, um sie zu einem weiteren Geschlechtsverkehrs mit ihm zu veranlassen, 

 

verurteilte das Amtsgericht (AG) München am 09.07.2015 einen Heranwachsenden u. a. wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen und Verbreitung pornographischer Schriften zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten auf Bewährung.

Ferner erteilte ihm das Gericht

  • die Auflage 2000 Euro Entschädigung an die Geschädigte zu zahlen sowie
  • die Weisung einen Kurs über korrektes Verhalten im Internet zu absolvieren.

 

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 14.09.2015 – 57/15 – mitgeteilt.

 

Fristlose Kündigung wegen Telefonanrufs bei Gewinnspiel?

Einer in einem Kleinbetrieb Beschäftigten, die in den Arbeitspausen mehrere kostenpflichtige Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspielspiels getätigt hat, kann deswegen nicht fristlos gekündigt werden.

Das hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Düsseldorf mit Urteil vom 16.09.2015 – 12 Sa 630/15 – in einem Fall entschieden, in dem die Mitarbeiter über die betriebliche Telefonanlage private Anrufe, ohne diese zu bezahlen, tätigen durften und der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern vom Arbeitgeber weder ausdrücklich genehmigt noch ausdrücklich untersagt worden war.

Nach Auffassung des LArbG Düsseldorf ist die fristlose Kündigung einer Beschäftigten, die in einem solchen Fall in den Arbeitspausen mehrfach kostenpflichtige Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen eines Gewinnspielspiels getätigt hat, unwirksam.
Zwar lag hier eine Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin vor. Denn, auch wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet war, war es, wie das Gericht ausgeführt hat, pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen.
Nachdem allerdings

  • der Umfang der Privatnutzung der Telefonanlage betrieblich nicht geregelt war, was den Verschuldensvorwurf gegenüber der Arbeitnehmerin minderte,
  • die Anrufe von der Arbeitnehmerin in den Arbeitspausen erfolgt waren, so dass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war und
  • der Arbeitgeber die genaue Anzahl der der Arbeitnehmerin zuzurechnenden Anrufe nicht ausreichend darlegen konnte,

 

war das Gericht der Ansicht, dass das Gewicht der Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin keine fristlose Kündigung rechtfertigte.

Darüber, ob die ebenfalls vom Arbeitgeber hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung berechtigt war oder nicht, hatte das Gericht nicht zu entscheiden, weil die ordentliche Kündigung von der Arbeitnehmerin nicht angegriffen worden war.

Das hat die Pressestelle des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 16.09.2015 – 65/15 – mitgeteilt.