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Unlesbar geschriebenes Testament ist ungültig

Ein eigenhändig geschriebenes Testament muss lesbar sein, um wirksam die Erbfolge zu regeln.

Darauf hat der Senat für Nachlassangelegenheiten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Beschluss vom 16.07.2015 – 3 Wx 19/15 – hingewiesen und

  • in einem Fall das Schreiben einer alten Dame, das sich auch mithilfe eines Schriftsachverständigen nicht vollständig entziffern ließ,
  • nicht als wirksames Testament angesehen.

 

Wie der Senat ausgeführt hat, kann ein Testament durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung errichtet werden (vgl. § 2247 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

  • wobei die Eigenhändigkeit der Errichtung eines Testaments voraussetzt, dass der erklärte Wille in vollem Umfang aus dem Geschriebenen hervorgeht.
  • Damit ist zwingende Formvoraussetzung die Lesbarkeit der Niederschrift.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Senat, trotz seiner langjährigen Erfahrung mit der Entzifferung schwer lesbarer letztwilliger Verfügungen nicht in der Lage, das Schriftstück soweit zu entziffern, dass es einen eindeutigen Inhalt erhielt und die Ungewissheit über den Inhalt des Geschriebenen hatte sich auch nicht unter Zuhilfenahme eines Schriftsachverständigen beseitigen lassen.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 16.09.2015 – 12/2015 – mitgeteilt.

 

Strafrahmenwahl, wenn das Gesetz minderschweren Fall vorsieht und ein gesetzlicher Milderungsgrund vorliegt

In Fällen,

  • in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und
  • im Einzelfall ein gesetzlich vertypter Strafmilderungsgrund im Sinne des § 49 StGB vorliegt,

 

ist bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 19.11.2013 – 2 StR 494/13 –).
Dies gilt auch für den nach § 30 Strafgesetzbuch (StGB) strafbaren Versuch der Beteiligung, der nach den Vorschriften über den Versuch eines Verbrechens bestraft wird (BGH, Beschluss vom 17.12.2014 – 3 StR 521/14 –; vgl. auch BGH, Urteil vom 04.02.2009 – 2 StR 165/08 –).

  • Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weiteren Prüfung der Frage, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen.
  • Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrunds gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen.

 

Beachtet der Tatrichter diese Prüfungsreihenfolge nicht, liegt ein Rechtsfehler vor.

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 21.07.2015 – 2 StR 24/15 – hingewiesen 

 

Kollision eines Polizeifahrzeugs während einer Einsatzfahrt mit anderem Fahrzeug

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat mit Urteil vom 05.03.2015 – 1 U 46/15 – in einem Fall,

  • in dem der Fahrer eines Polizeifahrzeugs, der während einer Einsatzfahrt mit Blaulicht und Martinshorn auf dem Weg zu einem Tankstellenüberfall einen Kleinbus rechts überholen wollte und dabei auf diesen aufgefahren war,
  • als die Fahrerin des Kleinbusses statt wie angekündigt links abzubiegen, abrupt abbremste,

 

die Auffassung vertreten, dass der Fahrer des Polizeifahrzeugs an dem Unfall mitverantwortlich ist und das Bundesland deshalb jedenfalls eine Mithaftung von 25 % trifft.

Nach Ansicht des 1. Zivilsenats hatte der Fahrer des Polizeiwagens nicht genügend Abstand zu dem Kleinbus gehalten.
Er hätte nämlich damit rechnen müssen, dass die Fahrerin des Kleinbusses unsicher auf den Einsatzwagen reagieren würde und die der Polizei zustehenden Sonderrechte durfte er nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausüben.

Abgesehen davon war der Senat der Auffassung, dass auch die Betriebsgefahr des mit Sonderrechten fahrenden Polizeifahrzeugs für sich genommen bereits eine Mithaftung von 25 % rechtfertige.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 15.09.2015 mitgeteilt.

 

Bestellungen des Erblassers verpflichten auch die Erben

Wegen der Nichtabnahme des von ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann bestellten Wohnmobils muss seine erbende Ehefrau ca. 6.000 Euro Schadensersatz an eine Wohnmobilhändlerin zahlen.

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 27.08.2015 – 28 U 159/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war es,

  • nachdem der Ehemann der Klägerin bei der klagenden Wohnmobilhändlerin ein neues Wohnmobil zum Kaufpreis von ca. 40.000 Euro bestellt und zugleich mit der Klägerin die Inzahlungnahme des von ihm genutzten Wohnmobils für 12.000 Euro vereinbart hatte,
  • auf der Fahrt des Ehemanns der Beklagten mit seinem alten Wohnmobil zur Klägerin, bei der er das neue Wohnmobil in Empfang nehmen wollte, zu einem Verkehrsunfall gekommen, bei dem der Ehemann der Beklagten sich tödliche Verletzungen zugezogen und sein altes Wohnmobil einen Totalschaden erlitten hatte.

 

Nachdem von der Beklagten in der Folgezeit auch nach Ablauf der von der Klägerin gesetzten Frist das Fahrzeug nicht abgeholt worden war, war die Klägerin deswegen vom Kaufvertrag zurückgetreten und hatte von der Beklagten unter Hinweis auf ihre Verkaufsbedingungen einen 15%igen Kaufpreisanteil von ca. 6.000 Euro als Schadensersatzpauschale verlangt.

Der 28. Zivilsenat des OLG Hamm sprach der Klägerin diese Schadensersatzpauschale, die sie mit ihrer Klage geltend gemacht hatte, zu.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Senat aus, dass die Beklagte als Erbin des verstorbenen Käufers dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sei. Ihr Ehemann habe einen verbindlichen Kaufvertrag über das neue Wohnmobil abgeschlossen. Dieser habe den Ehemann und – nach seinem Tod – die Beklagte als Erbin zur Abnahme des gekauften Fahrzeugs verpflichtet. Nachdem die Beklagte das Fahrzeug auch nach einer von der Klägerin gesetzten Frist nicht abgeholt und die Klägerin deswegen vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, stehe ihr zudem Schadensersatz zu.
Die Höhe des Schadensersatzes belaufe sich entsprechend der Regelung in den Verkaufsbedingungen der Klägerin auf 15 % des Kaufpreises, ca. 6.000 Euro. Mit dieser Pauschale könne die Klägerin ihren Schaden begründen.
Die in den Verkaufsbedingungen vorgesehene Pauschalierung sei wirksam, weil sie dem Käufer die Möglichkeit offen halte, eine geringere Schadenshöhe oder den Nichteintritt eines Schadens nachzuweisen.
Den Nachweis eines geringeren Schadens habe die Beklagte nicht geführt und nach dem Vortrag der Klägerin belaufe sich ihr konkreter Schaden zudem auf einen Betrag in der Größenordnung von über 12.000 Euro.

Ferner wies der Senat darauf hin, dass die Klägerin einen Anspruch auf etwaige von der Beklagten für das verunfallte Wohnmobil bezogene Ersatzleistungen deshalb nicht habe,

  • weil es sich hier um einen einheitlichen Kaufvertrag gehandelt hat, der es dem Käufer gestattete, einen Kaufpreisteil i.H.v. 12.000 Euro durch die Übereignung seines bisher genutzten Gebrauchtwagens zu ersetzen und
  • ein Verkäufer, der nach seinem Rücktritt von diesem Kaufvertrag einen wirtschaftlichen Nachteil aus der unterbliebenen Hereinnahme des Gebrauchtfahrzeugs geltend machen will, den ihm entstandenen Schaden insgesamt konkret abrechnen muss,
  • was die Klägerin mit der von ihr geltend gemachten Schadenspauschale gerade nicht getan hat.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 14.09.2015 mitgeteilt.

 

Anspruch auf Herausgabe der sog. Rohmessdaten bei Geschwindigkeitsmessung unter Anwendung eines standardisierten Messverfahrens?

Hat die Bußgeldbehörde gegen einen Betroffenen

  • nach einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt, einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung erlassen,
  • muss sie dem Betroffenen auf sein Verlangen die sog. Rohmessdaten der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegenden Geschwindigkeitsmessung in unverschlüsselter Form herauszugeben.

 

Das hat das Amtsgericht (AG) Weißenfels mit Beschluss vom 03.09.2015 – 10 AR 1/15 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Verteidiger des Betroffenen, dem nach einer Geschwindigkeitsmessung unter Verwendung des Messgeräts ES 3.0 der Fa. ESO GmbH durch die Zentrale Bußgeldstelle ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlassen worden war, nach Einspruch sowie Akteneinsicht, die Bußgeldstelle ersucht,

  • ihm die sog. Rohmessdaten der Messserie in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen und
  • dies damit begründet, dass zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung und damit zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Verteidigung es erforderlich sei, dass ihm die Rohmessdaten unverschlüsselt zur Verfügung gestellt würden, damit ein von ihm beauftragter Sachverständiger mit einer vom Messgerätehersteller unabhängigen Software die Messung überprüfen könne.

 

Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) gegen den ablehnenden Bescheid der Verwaltungsbehörde, die ihm mitgeteilt hatte, dass die Originaldaten der Messung digital signiert und verschlüsselt seien und eine Übersendung unverschlüsselter Daten nicht in Betracht komme, war erfolgreich.

Nach der Entscheidung des AG Weißenfels folgt aus den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs, dass dem Betroffenen die sog. Rohmessdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen sind.
Begründet hat das Gericht dies damit, dass, wenn eine Geschwindigkeitsmessung unter Anwendung eines standardisierten Messverfahrens erfolgt ist, es dem Betroffenen obliegt,

  • konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände zu einem Messfehler vorzutragen.
  • Hierzu bedarf es zunächst neben dem Einsichtsrecht in das Messprotokoll und den Eichschein des Messgeräts auch der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung sowie in die erforderlichen Fotos, beim Gerät ES 3.0 also das Messfoto und das sog. Fotolinienbild.
  • Darüber hinaus muss dem Betroffenen auf sein Verlangen hin aber auch die bei der Messung erstellte Messdatei zugänglich gemacht werden, um ihm – unter Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen – die Möglichkeit zu geben, eventuelle Messfehler zu entdecken und im Verfahren substantiiert behaupten zu können.

 

Würde man – wie hier die Verwaltungsbehörde – dem Betroffenen dieses Einsichtsrecht unter Hinweis darauf versagen, dass die Daten vom Gerätehersteller verschlüsselt werden und nur durch diesen in unverschlüsselter Form zur Verfügung gestellt werden können, würde der Betroffene in seinen Verfahrensrechten unzulässig eingeschränkt.

Darauf, dass die Daten durch den Hersteller verschlüsselt werden und derzeit lediglich dieser zur Entschlüsselung in der Lage ist, kann sich, wie das Gericht weiter ausgeführt hat, die Verwaltungsbehörde nicht zurückziehen.
Die Befugnis, über die Messdaten zu verfügen, steht nämlich der Behörde zu, die diese Daten erzeugt und abgespeichert hat (Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, Urteil vom 27.08.2014 – 6 U 3/14 –). Es ist insoweit also Sache der Verwaltungsbehörde, die Rohdaten in unverschlüsselter Form zu beschaffen und dem Betroffenen auf sein Verlangen hin zur Verfügung zu stellen.
Genauso wenig kann der Betroffene darauf verwiesen werden, die unverschlüsselten Rohdaten unmittelbar bei der Fa ESO GmbH abzufordern, denn diese wäre zu einer Herausgabe an den Betroffenen gar nicht berechtigt, da sie keine Befugnis hat, über diese Daten zu verfügen.

 

Anfechtung eines Gebrauchtwagenkaufvertrages wegen arglistiger Täuschung

Wegen arglistiger Täuschung nach §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anfechten kann der Käufer einen von ihm abgeschlossenen Gebrauchtwagenkaufvertrag nur dann, wenn

  • der Verkäufer zumindest mit bedingtem Vorsatz bei ihm, dem Käufer, durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Umstände einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten hat und
  • er, der Käufer, hierdurch zur Abgabe seiner Willenserklärung bestimmt worden ist.
  • Die Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Abgabe der Willenserklärung ist dabei von vornherein ausgeschlossen, wenn der Käufer Kenntnis von den wahren Umständen gehabt hat.

 

War beispielsweise die Angabe der Unfallfreiheit in der Kaufvertragsurkunde falsch, muss der Käufer beweisen, dass ihn der Verkäufer bzw. einer seiner Mitarbeiter insoweit getäuscht hat.

Auch wenn feststeht, dass er persönlich keine Kenntnis von dem Unfallschaden hatte, ist dieser Beweis vom Käufer dann nicht erbracht,

  • wenn er sich das Wissen eines Dritten zurechnen lassen muss, der bei Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von der Unfalleigenschaft des Kraftfahrzeugs gehabt hat.
  • Denn in einem solchen Fall muss sich der Käufer so behandeln lassen, als habe er Kenntnis von dem Unfallschaden des Fahrzeuges gehabt.

 

Gemäß § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist dem Käufer das Wissen seines Vertreters. Nach dieser Vorschrift kommt es, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch Kenntnis oder Kennenmüssens gewisser Umstände beeinflusst werden, nämlich nicht auf die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters an.

Aber auch dann, wenn ein Käufer die zum Vertragsschluss führende Willenserklärung selbst abgegeben hat, also für ihn kein Dritter als Abschlussvertreter aufgetreten und § 166 Abs. 1 BGB nicht direkt anwendbar ist, muss sich ein Käufer die Kenntnis und das Kennenmüssen von Umständen auch solcher Personen zurechnen lassen, welche

  • mit seiner Zustimmung eigenverantwortlich mit der Vorbereitung des Geschäfts befasst oder
  • bei den Vorverhandlungen in Erscheinung getreten sind,
  • auch ohne letztlich bevollmächtigte Abschlussvertreter gewesen zu sein.

 

Denn § 166 Abs. 1 BGB regelt die Zurechnung von Wissen nicht abschließend. Die Norm ist vielmehr Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass sich am rechtsgeschäftlichen Leben Teilnehmende das Wissen der sie Repräsentierenden zurechnen lassen müssen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 25.03.1982 – VII ZR 60/81 – und vom 05.04.1984 – IX ZR 71/83 –).
Danach soll sich derjenige,

  • der die Vorteile aus einem arbeitsteiligen Einsatz einer dritten Person zieht,
  • nämlich ein Rechtsgeschäft nicht selbst vorbereiten, begleiten, abschließen oder abwickeln zu müssen,
  • auch die damit verbundenen Risiken tragen (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 29.07.2003 – VII R 3/01 –).

 

Eines konkreten Bestellungsaktes, vermöge dessen der (Wissens-)Vertreter die Geschäftsanbahnung aufnehmen soll, bedarf es dabei nicht (BGH, Urteil vom 24.01.1992 – V ZR 262/90 –).
Es genügt vielmehr, wenn die Person tatsächlich in das betreffende Geschäft auf Seiten des Zurechnungsempfängers eingebunden wird.
Dabei kommt es darauf an, ob zu erwarten ist, dass der Wissensträger sein Wissen dem Geschäftsherren mitteilen und jener es bei diesem abfragen würde (BGH, Urteile vom 02.02.1996 – V ZR 239/94 – und vom 15.04.1997 – XI ZR 105/96 –).
Unter diesem Gesichtspunkt hat die Rechtsprechung auch bereits Personen einbezogen, die nicht in ihrer Eigenschaft als Gehilfe aufgetreten sind, bei denen dennoch mit der Wiedergabe von Wissen zu rechnen war (BGH, Urteil 25.03.1982 – VII ZR 60/81 – für Ehepartner; BGH, Urteil vom 31.10.1956 – V ZR 177/55 – für einen von der Geschäftsleitung eines Partnerunternehmens entsandten Beobachter).
Zurechnen lassen muss sich der Käufer

  • aber nicht nur die Kenntnis eines Verhandlungsgehilfen,
  • sondern auch das Wissen desjenigen auf dessen Feststellungen er sich erkennbar verlassen hat.

 

Darauf hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Erfurt mit Urteil vom 27.08.2015 – 10 O 1179/14 – hingewiesen.

 

Wenn gekaufter Gebrauchtwagen wegen Diebstahlsverdacht beschlagnahmt wird

Der Käufer eines Pkws kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn

  • eine veränderte Fahrzeugidentifikationsnummer einen Diebstahlverdacht begründet und
  • die behördliche Beschlagnahme des Fahrzeugs zum Zwecke der Rückgabe an den früheren Eigentümer rechtfertigt.

 

Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 09.04.2015 – 28 U 207/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatten die Behörden bei der Einreise des Klägers nach Polen, den von diesem vom Beklagten gebraucht gekauften PKW beschlagnahmt, weil sie,

  • da die sichtbare Kodierung der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt war, einen Diebstahl vermuteten und
  • sie das Fahrzeug dem früheren Eigentümer aushändigen wollten.  

 

Nach der Entscheidung des 28. Zivilsenats des OLG Hamm konnte der Kläger vom Vertrag zurücktreten, weil das vom Beklagten verkaufte Fahrzeug zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung durch den Kläger der Beschlagnahme der polnischen Ermittlungsbehörden unterlag und damit einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufwies, der bereits bei Übergabe des Fahrzeugs angelegt war.

Bei einer öffentlich-rechtlichen Belastung einer Kaufsache durch eine Beschlagnahmeanordnung liegt, wie der Senat ausgeführt hat, ein Rechtsmangel dann vor,

  • wenn die Beschlagnahme tatsächlich ausgeübt wird,
  • die Beschlagnahme zu Recht erfolgt, weil die vorliegenden Tatsachen die Überzeugungsbildung erlauben, dass das Fahrzeug tatsächlich zuvor gestohlen worden ist und
  • es sich nicht um eine lediglich vorübergehende, zu Beweiszwecken erfolgte Beschlagnahme i.S.d. § 94 der Strafprozessordnung (StPO) handelt,
  • sondern die Beschlagnahme den Verfall oder die Einziehung der Sache zur Folge haben kann oder, was vorliegend der Fall war, die Fortdauer der Beschlagnahme die spätere Herausgabe an die durch die Straftat verletzte Person bezweckt (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.02.2004 – VIII ZR 78/03 –).

 

Auch konnte der Kläger bei der hier vorliegenden Sachlage,

  • weil es ihm im Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung an den dazu erforderlichen Informationen und Urkunden fehlte, weder einen Gutglaubenserwerb nachweisen,
  • noch davon ausgehen, das beschlagnahmte Fahrzeug bei der Beschlagnahmebehörde auslösen zu können.

 

Zudem begründet eine am Fahrzeug veränderte FIN nach Ansicht des Senats einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, der den Rücktritt des Klägers ebenfalls rechtfertigt.

 

Bewusste Irreführung der Bußgeldbehörde kann Straftat sein

Führen

  • der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Begehung der Ordnungswidrigkeit bezichtigt,

 

kann dies

  • für den Täter der Ordnungswidrigkeit zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) in mittelbarer Täterschaft und
  • für die weitere Person wegen Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB hierzu führen.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem die Angeklagten Ks und Ka die Bußgeldbehörde absprachegemäß gezielt dadurch in die Irre geführt hatten,

  • dass der Angeklagte Kr, nachdem Ks bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung „geblitzt“ worden war, sich in dem Ks von der Bußgeldbehörde übersandten Anhörungsbogen als Fahrer bezeichnet hatte und
  • nachfolgend das den Angeklagten Kr betreffende Bußgeldverfahren so lange hinausgezögert worden war, bis der Angeklagte Ka wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung bei ihm nicht mehr belangt werden konnte.

 

Taxifahrer 100 Euro-Schein in den Mund gestopft

Weil ein alkoholisierter Fahrgast versucht hatte, einem Taxifahrer im Rahmen einer Auseinandersetzung wegen dessen Fahrweise einen 100 Euro-Schein in den Mund zu stopfen und der Taxifahrer dabei eine zwei Zentimeter lange, blutende Schürfwunde im Gesicht unterhalb des rechten Auges sowie eine Prellung im Gesicht erlitten hatte, muss der Fahrgast 500 Euro Schmerzensgeld an den Taxifahrer zahlen.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 30.04.2015 – 213 C 26734/14 – entschieden.

Der Taxifahrer hatte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.100 Euro von dem Fahrgast verlangt.

Dass es dem Taxifahrer lediglich 500 Euro Schmerzensgeld zusprach, begründete das AG damit,

  • dass die Handlung des Fahrgastes zwar zugleich auch als tätliche Beleidigung zu bewerten sei,
  • der Taxifahrer aber glücklicherweise nur leichteste Verletzungen erlitten habe,
  • nicht stationär behandelt werden musste,
  • nur einen Tag arbeitsunfähig und
  • in seiner Lebensführung lediglich kurzzeitig beeinträchtigt gewesen sei.

 

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 11.09.2015 – 56/15 – mitgeteilt.

 

Wenn darüber gestritten wird, ob bei dem bei einem Unfall beschädigten PKW Vorschäden vorhanden waren

Ein Geschädigter, der Ersatzes des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederschaffungswert netto abzüglich Restwert) für seinen bei einem Verkehrsunfall beschädigten PKW begehrt, muss,

  • weil ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die geltend gemachten Schäden sowie die Höhe des Schadens ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sind,

 

bei Vorschäden im erneut beschädigten Bereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens

  • im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs noch vorhanden waren,
  • wofür er im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss.

 

Kann er dies nicht oder unterlässt er die Darlegung, so geht dies im Streitfall zu seinen Lasten (Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2015 – 1 U 32/14 –; OLG München, Urteil vom 27.01.2006 – 10 U 4904/05 –).

Das hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin mit Urteil vom 27.08.2015 – 22 U 152/14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Klägerin nach einem Verkehrsunfall von dem Beklagten den (fiktiven) Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 7.980 € netto (Wiederbeschaffungswert: 8.500 €, Restwert: 520 €) für ihren Pkw ersetzt haben wollte und
  • die Parteien im Hinblick auf Vorschäden an dem Fahrzeug der Klägerin stritten.

 

In der Entscheidung hat der 22. Zivilsenat des KG Berlin (auch) darauf hingewiesen,

  • dass der Geschädigte zwar nicht stets darlegen und beweisen muss, dass Vorschäden nicht vorhanden waren, er aber, weil ihn die Darlegungs- und Beweislast für einen unfallursächlichen Schaden bzw. die vorherige Schadensfreiheit seines Fahrzeuges trifft, konkreten Vortrag der Gegenseite oder ernsthafte Anhaltspunkte für Vorschäden ausräumen muss,
  • dass der Umstand, dass einem Geschädigten ein Vorschaden oder der Umfang eines Vorschadens an seinem Gebrauchtwagen nicht bekannt war bzw. ihm ein Vorschaden vom Verkäufer beim Erwerb des Fahrzeugs verschwiegen worden ist, die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht zu verschieben vermag,
  • dass der Hinweis auf das äußere Erscheinungsbild oder die substanzlosen Behauptungen, Vorschäden seien fachgerecht behoben und/oder die erforderlichen Arbeiten seien durchgeführt worden, regelmäßig nicht die Darlegung des konkreten Reparaturweges ersetzen und
  • dass der konkrete Reparaturweg – auf den auch ein Sachverständiger nur Schlüsse aus dem äußeren Erscheinungsbild und genauere Erkenntnisse im Regelfall erst nach Demontage ziehen könnte – nicht erst durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (oder Befragung von Zeugen) im Prozess zu ermitteln ist, weil dies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellt und es zudem Aufgabe eines Sachverständigengutachtens nicht ist, dem Anspruchsteller den notwendigen Sachvortrag zu ersparen, sondern er die – gegebenenfalls durch Zeugen oder Urkunden bewiesenen – konkreten Reparaturmaßnahmen zu bewerten hat.